Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Schicksal

Fahrt von Rio nach Santos ein englisches Schiff benutzt, dessen Abfahrtszeit
ihm am besten gepaßt habe; der Kapitän habe ihm voll Stolz sein neues Schiff
gezeigt, dabei auf weißglünzende Beschläge hingewiesen und zur Erklärung hinzu¬
gefügt, das Metall sei zwar kein Silber, werde aber von den Engländern (Fsrmau
süvsr genannt; darauf habe Herr von Treutler erwidert: "Merkwürdig, wir nennen
es Britannimnetall."




Schicksal
Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von
(Fortsetzung)

> ineinsteigen war ausgeschlossen; dazu war kein Spielraum. Sich hinein¬
knien und drinnen aus der geduckten Haltung entfalten und sich aus¬
strecken? Bei diesem Versuch hatte er sich in die angstvollste Lage
seines Lebens gebracht, denn weder die Bretter über noch die unter
ihm gaben dem Nacken oder dem Knie nach, und er stak zwischen
! beiden eingeklemmt wie im Maul des Nußknackers.

Als er sich mit einer leichten Verrenkung da hinaus gewunden hatte, machte
er einen dritten Versuch -- er näherte den Oberkörper in wagerechter Lage dem
schmalen Spalt, schob sich seitwärts hinein, warf die Beine in die Höhe und ließ
sich nachgleiten. So war es geglückt.

Wenn ihn in der Nacht das Seufzen seiner Knochen auf den harten Brettern
oder der Lärm der Schiffsschraube nahe seinem Kopfe aufweckte, hörte er zugleich
das Rauschen des Meeres draußen jenseits der schmalen Wand. Das mußte schon
die Nordsee sein. Bald würde der Bruder Ozean sich hören lassen mit der mächtig
gleichförmigen Stimme, mit der er seit Jahrtausenden seine Gespräche hielt.

Lex sah ihn, den Alten, wie die Zeilen an ihm vorüberwandelten, wie sie
langsam, langsam alles um ihn herum gebildet und ihn unverändert gelassen hatten --
wie er sich immer noch wunderte über die winzigen Menschen, die auf ihrem Spiel¬
zeug daherschwammen, das hin war wie Schaum, wenn er sich nur einmal erhob,
um sich ein wenig anders zu betten.

Ihm verging die Zeit noch immer in titanischer Ruhe oder in verheerenden
Spiel, indessen sich die Menschen vorwärts wanden und ameisengleich über winzige
Hügel den Ausblick erkämpften.

Wenn ein Starker käme, ihnen lächelnd beizustehn! Lex fühlte wieder das
starke Gefieder, das ihn höher trug als die meisten, er sah, wie er berufen war,
sie zu heben, er sah, wie er ihnen die nichtigen Hindernisse zeigte, an denen sie
sich festliefen, wie er sie den Weg sehen ließ, der erfreulich vor ihnen lag ohne die
Mühsal des Hin- und Hersuchens und ohne das Gezänk über die richtige Richtung --
Lex streckte sich auf dem harten Bett -- er fühlte sich jung -- sein Lebens¬
werk lag noch vor ihm. Unter dem niedergleitenden Schlaf, der ihn wieder um¬
hüllte, sah er von ferne vom Horizont her die Gestalt seines Weibes auf sich zu¬
komme" mit dem Blick der Zuversicht wie früher."

Sie hatte an seine Bestimmung geglaubt und mit "dämonischer Kraft daran
festgehalten. Sie sollte sich nicht getäuscht haben!

Gegen Morgen fuhr Lex von neuem aus dem Schlafe auf. Ein freudiges
Gefühl der Erwartung weckte ihn -- er wollte die Sonne über dem Meere aufgehn


Schicksal

Fahrt von Rio nach Santos ein englisches Schiff benutzt, dessen Abfahrtszeit
ihm am besten gepaßt habe; der Kapitän habe ihm voll Stolz sein neues Schiff
gezeigt, dabei auf weißglünzende Beschläge hingewiesen und zur Erklärung hinzu¬
gefügt, das Metall sei zwar kein Silber, werde aber von den Engländern (Fsrmau
süvsr genannt; darauf habe Herr von Treutler erwidert: „Merkwürdig, wir nennen
es Britannimnetall."




Schicksal
Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von
(Fortsetzung)

> ineinsteigen war ausgeschlossen; dazu war kein Spielraum. Sich hinein¬
knien und drinnen aus der geduckten Haltung entfalten und sich aus¬
strecken? Bei diesem Versuch hatte er sich in die angstvollste Lage
seines Lebens gebracht, denn weder die Bretter über noch die unter
ihm gaben dem Nacken oder dem Knie nach, und er stak zwischen
! beiden eingeklemmt wie im Maul des Nußknackers.

Als er sich mit einer leichten Verrenkung da hinaus gewunden hatte, machte
er einen dritten Versuch — er näherte den Oberkörper in wagerechter Lage dem
schmalen Spalt, schob sich seitwärts hinein, warf die Beine in die Höhe und ließ
sich nachgleiten. So war es geglückt.

Wenn ihn in der Nacht das Seufzen seiner Knochen auf den harten Brettern
oder der Lärm der Schiffsschraube nahe seinem Kopfe aufweckte, hörte er zugleich
das Rauschen des Meeres draußen jenseits der schmalen Wand. Das mußte schon
die Nordsee sein. Bald würde der Bruder Ozean sich hören lassen mit der mächtig
gleichförmigen Stimme, mit der er seit Jahrtausenden seine Gespräche hielt.

Lex sah ihn, den Alten, wie die Zeilen an ihm vorüberwandelten, wie sie
langsam, langsam alles um ihn herum gebildet und ihn unverändert gelassen hatten —
wie er sich immer noch wunderte über die winzigen Menschen, die auf ihrem Spiel¬
zeug daherschwammen, das hin war wie Schaum, wenn er sich nur einmal erhob,
um sich ein wenig anders zu betten.

Ihm verging die Zeit noch immer in titanischer Ruhe oder in verheerenden
Spiel, indessen sich die Menschen vorwärts wanden und ameisengleich über winzige
Hügel den Ausblick erkämpften.

Wenn ein Starker käme, ihnen lächelnd beizustehn! Lex fühlte wieder das
starke Gefieder, das ihn höher trug als die meisten, er sah, wie er berufen war,
sie zu heben, er sah, wie er ihnen die nichtigen Hindernisse zeigte, an denen sie
sich festliefen, wie er sie den Weg sehen ließ, der erfreulich vor ihnen lag ohne die
Mühsal des Hin- und Hersuchens und ohne das Gezänk über die richtige Richtung —
Lex streckte sich auf dem harten Bett — er fühlte sich jung — sein Lebens¬
werk lag noch vor ihm. Unter dem niedergleitenden Schlaf, der ihn wieder um¬
hüllte, sah er von ferne vom Horizont her die Gestalt seines Weibes auf sich zu¬
komme» mit dem Blick der Zuversicht wie früher."

Sie hatte an seine Bestimmung geglaubt und mit „dämonischer Kraft daran
festgehalten. Sie sollte sich nicht getäuscht haben!

Gegen Morgen fuhr Lex von neuem aus dem Schlafe auf. Ein freudiges
Gefühl der Erwartung weckte ihn — er wollte die Sonne über dem Meere aufgehn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301631"/>
          <fw type="header" place="top"> Schicksal</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1359" prev="#ID_1358"> Fahrt von Rio nach Santos ein englisches Schiff benutzt, dessen Abfahrtszeit<lb/>
ihm am besten gepaßt habe; der Kapitän habe ihm voll Stolz sein neues Schiff<lb/>
gezeigt, dabei auf weißglünzende Beschläge hingewiesen und zur Erklärung hinzu¬<lb/>
gefügt, das Metall sei zwar kein Silber, werde aber von den Engländern (Fsrmau<lb/>
süvsr genannt; darauf habe Herr von Treutler erwidert: &#x201E;Merkwürdig, wir nennen<lb/>
es Britannimnetall."</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Schicksal<lb/><note type="byline"> Beate Borns-Jeep</note> Line kuriose Geschichte von<lb/>
(Fortsetzung)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1360"> &gt; ineinsteigen war ausgeschlossen; dazu war kein Spielraum. Sich hinein¬<lb/>
knien und drinnen aus der geduckten Haltung entfalten und sich aus¬<lb/>
strecken?  Bei diesem Versuch hatte er sich in die angstvollste Lage<lb/>
seines Lebens gebracht, denn weder die Bretter über noch die unter<lb/>
ihm gaben dem Nacken oder dem Knie nach, und er stak zwischen<lb/>
! beiden eingeklemmt wie im Maul des Nußknackers.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1361"> Als er sich mit einer leichten Verrenkung da hinaus gewunden hatte, machte<lb/>
er einen dritten Versuch &#x2014; er näherte den Oberkörper in wagerechter Lage dem<lb/>
schmalen Spalt, schob sich seitwärts hinein, warf die Beine in die Höhe und ließ<lb/>
sich nachgleiten.  So war es geglückt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1362"> Wenn ihn in der Nacht das Seufzen seiner Knochen auf den harten Brettern<lb/>
oder der Lärm der Schiffsschraube nahe seinem Kopfe aufweckte, hörte er zugleich<lb/>
das Rauschen des Meeres draußen jenseits der schmalen Wand. Das mußte schon<lb/>
die Nordsee sein. Bald würde der Bruder Ozean sich hören lassen mit der mächtig<lb/>
gleichförmigen Stimme, mit der er seit Jahrtausenden seine Gespräche hielt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1363"> Lex sah ihn, den Alten, wie die Zeilen an ihm vorüberwandelten, wie sie<lb/>
langsam, langsam alles um ihn herum gebildet und ihn unverändert gelassen hatten &#x2014;<lb/>
wie er sich immer noch wunderte über die winzigen Menschen, die auf ihrem Spiel¬<lb/>
zeug daherschwammen, das hin war wie Schaum, wenn er sich nur einmal erhob,<lb/>
um sich ein wenig anders zu betten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1364"> Ihm verging die Zeit noch immer in titanischer Ruhe oder in verheerenden<lb/>
Spiel, indessen sich die Menschen vorwärts wanden und ameisengleich über winzige<lb/>
Hügel den Ausblick erkämpften.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1365"> Wenn ein Starker käme, ihnen lächelnd beizustehn! Lex fühlte wieder das<lb/>
starke Gefieder, das ihn höher trug als die meisten, er sah, wie er berufen war,<lb/>
sie zu heben, er sah, wie er ihnen die nichtigen Hindernisse zeigte, an denen sie<lb/>
sich festliefen, wie er sie den Weg sehen ließ, der erfreulich vor ihnen lag ohne die<lb/>
Mühsal des Hin- und Hersuchens und ohne das Gezänk über die richtige Richtung &#x2014;<lb/>
Lex streckte sich auf dem harten Bett &#x2014; er fühlte sich jung &#x2014; sein Lebens¬<lb/>
werk lag noch vor ihm. Unter dem niedergleitenden Schlaf, der ihn wieder um¬<lb/>
hüllte, sah er von ferne vom Horizont her die Gestalt seines Weibes auf sich zu¬<lb/>
komme» mit dem Blick der Zuversicht wie früher."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1366"> Sie hatte an seine Bestimmung geglaubt und mit &#x201E;dämonischer Kraft daran<lb/>
festgehalten.  Sie sollte sich nicht getäuscht haben!</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1367" next="#ID_1368"> Gegen Morgen fuhr Lex von neuem aus dem Schlafe auf. Ein freudiges<lb/>
Gefühl der Erwartung weckte ihn &#x2014; er wollte die Sonne über dem Meere aufgehn</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0377] Schicksal Fahrt von Rio nach Santos ein englisches Schiff benutzt, dessen Abfahrtszeit ihm am besten gepaßt habe; der Kapitän habe ihm voll Stolz sein neues Schiff gezeigt, dabei auf weißglünzende Beschläge hingewiesen und zur Erklärung hinzu¬ gefügt, das Metall sei zwar kein Silber, werde aber von den Engländern (Fsrmau süvsr genannt; darauf habe Herr von Treutler erwidert: „Merkwürdig, wir nennen es Britannimnetall." Schicksal Beate Borns-Jeep Line kuriose Geschichte von (Fortsetzung) > ineinsteigen war ausgeschlossen; dazu war kein Spielraum. Sich hinein¬ knien und drinnen aus der geduckten Haltung entfalten und sich aus¬ strecken? Bei diesem Versuch hatte er sich in die angstvollste Lage seines Lebens gebracht, denn weder die Bretter über noch die unter ihm gaben dem Nacken oder dem Knie nach, und er stak zwischen ! beiden eingeklemmt wie im Maul des Nußknackers. Als er sich mit einer leichten Verrenkung da hinaus gewunden hatte, machte er einen dritten Versuch — er näherte den Oberkörper in wagerechter Lage dem schmalen Spalt, schob sich seitwärts hinein, warf die Beine in die Höhe und ließ sich nachgleiten. So war es geglückt. Wenn ihn in der Nacht das Seufzen seiner Knochen auf den harten Brettern oder der Lärm der Schiffsschraube nahe seinem Kopfe aufweckte, hörte er zugleich das Rauschen des Meeres draußen jenseits der schmalen Wand. Das mußte schon die Nordsee sein. Bald würde der Bruder Ozean sich hören lassen mit der mächtig gleichförmigen Stimme, mit der er seit Jahrtausenden seine Gespräche hielt. Lex sah ihn, den Alten, wie die Zeilen an ihm vorüberwandelten, wie sie langsam, langsam alles um ihn herum gebildet und ihn unverändert gelassen hatten — wie er sich immer noch wunderte über die winzigen Menschen, die auf ihrem Spiel¬ zeug daherschwammen, das hin war wie Schaum, wenn er sich nur einmal erhob, um sich ein wenig anders zu betten. Ihm verging die Zeit noch immer in titanischer Ruhe oder in verheerenden Spiel, indessen sich die Menschen vorwärts wanden und ameisengleich über winzige Hügel den Ausblick erkämpften. Wenn ein Starker käme, ihnen lächelnd beizustehn! Lex fühlte wieder das starke Gefieder, das ihn höher trug als die meisten, er sah, wie er berufen war, sie zu heben, er sah, wie er ihnen die nichtigen Hindernisse zeigte, an denen sie sich festliefen, wie er sie den Weg sehen ließ, der erfreulich vor ihnen lag ohne die Mühsal des Hin- und Hersuchens und ohne das Gezänk über die richtige Richtung — Lex streckte sich auf dem harten Bett — er fühlte sich jung — sein Lebens¬ werk lag noch vor ihm. Unter dem niedergleitenden Schlaf, der ihn wieder um¬ hüllte, sah er von ferne vom Horizont her die Gestalt seines Weibes auf sich zu¬ komme» mit dem Blick der Zuversicht wie früher." Sie hatte an seine Bestimmung geglaubt und mit „dämonischer Kraft daran festgehalten. Sie sollte sich nicht getäuscht haben! Gegen Morgen fuhr Lex von neuem aus dem Schlafe auf. Ein freudiges Gefühl der Erwartung weckte ihn — er wollte die Sonne über dem Meere aufgehn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/377
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/377>, abgerufen am 24.07.2024.