Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Altes und Neues aus England

von der Verelendung der Massen die Wirkungen des Paragraphen 23 des
preußischen Eiukommensteuergesetzes nicht verwandt werden können.

Im Abgeordnetenhause ist bei der Beratung des Staatshaushaltsetats
über den Paragraphen 23 a. a, O. verhandelt worden. Aus der Mitte der¬
selben Partei, die seiue Einfügung in das Gesetz beantragte, wurde an den
Finanzminister die Frage gerichtet, ob er ihn aufrecht zu erhalten gedenke.
Mit Entschiedenheit hat der Minister diese Frage bejaht. Seine ausführ¬
lichen, überzeugenden Ausführungen schließen mit der Versicherung, eine Auf¬
hebung der Vorschrift schade nach seiner Ansicht einem gerechten Besteuerungs¬
verfahren.

Die Fragesteller haben hierauf uicht geantwortet. Sie werden weise
handeln, wenn von ihnen die Frage nicht wieder angerührt wird. Ihre jetzige
sehr einseitigen Interessen dienende Auffassung ist unhaltbar gegenüber den
wohlbegründeten Ausführungen des Ministers, die zu Nutz und Frommen
der Allgemeinheit, des Staates und der Gemeinden, Wahrheit und Gerechtig¬
keit bei der Besteuerung für alle Staatsbürger fordern.




Altes und Neues aus England

unser über England, die im Jahre 1862 erschienen sind, darf
man im allgemeinen höchstens zitieren. Wenn jedoch der Ver¬
fasser Hippolyte Taine heißt, und wenn das Buch 1906 in
deutscher Übersetzung (bei Eugen Diederichs, Jena und Leipzig)
neu herausgegeben worden ist, dann darf man ihm schon eine
eigne Betrachtung widmen. Taine hatte 1861 und 1862 England gründlich
durchforscht und beobachtet, das Ergebnis unter dem Titel: Aufzeichnungen
über England veröffentlicht und es bei einem dritten Besuche des Landes
1871 trotz den sich anbahnenden großen Veränderungen im ganzen bestätigt
gefunden. Einige Eigentümlichkeiten des englischen Charakters und Volkslebens,
an die wir oft erinnert haben, die aber im allgemeinen keineswegs nach ihrer
entscheidenden Bedeutung gewürdigt werden, finden wir bei ihm scharf und
deutlich gezeichnet und bis in die feinsten Züge ausgemalt.

Überall, wohin er kommt, fällt ihm auf, daß in keinem andern Lande der
Erde (die Vereinigten Staaten ausgenommen, muß man heute sagen) der
Abstand von Reich und Arm so groß und der Gegensatz ihrer äußern Er¬
scheinung so grell ist. Paris hat ihm keine Ahnung zu geben vermocht von
dem Luxus, den er in den Landsitzen genießt, auf denen er Gast war. Dieser
Luxus umfaßt bekanntlich mißer tausenderlei kostbaren Eitelkeiten auch eine


Altes und Neues aus England

von der Verelendung der Massen die Wirkungen des Paragraphen 23 des
preußischen Eiukommensteuergesetzes nicht verwandt werden können.

Im Abgeordnetenhause ist bei der Beratung des Staatshaushaltsetats
über den Paragraphen 23 a. a, O. verhandelt worden. Aus der Mitte der¬
selben Partei, die seiue Einfügung in das Gesetz beantragte, wurde an den
Finanzminister die Frage gerichtet, ob er ihn aufrecht zu erhalten gedenke.
Mit Entschiedenheit hat der Minister diese Frage bejaht. Seine ausführ¬
lichen, überzeugenden Ausführungen schließen mit der Versicherung, eine Auf¬
hebung der Vorschrift schade nach seiner Ansicht einem gerechten Besteuerungs¬
verfahren.

Die Fragesteller haben hierauf uicht geantwortet. Sie werden weise
handeln, wenn von ihnen die Frage nicht wieder angerührt wird. Ihre jetzige
sehr einseitigen Interessen dienende Auffassung ist unhaltbar gegenüber den
wohlbegründeten Ausführungen des Ministers, die zu Nutz und Frommen
der Allgemeinheit, des Staates und der Gemeinden, Wahrheit und Gerechtig¬
keit bei der Besteuerung für alle Staatsbürger fordern.




Altes und Neues aus England

unser über England, die im Jahre 1862 erschienen sind, darf
man im allgemeinen höchstens zitieren. Wenn jedoch der Ver¬
fasser Hippolyte Taine heißt, und wenn das Buch 1906 in
deutscher Übersetzung (bei Eugen Diederichs, Jena und Leipzig)
neu herausgegeben worden ist, dann darf man ihm schon eine
eigne Betrachtung widmen. Taine hatte 1861 und 1862 England gründlich
durchforscht und beobachtet, das Ergebnis unter dem Titel: Aufzeichnungen
über England veröffentlicht und es bei einem dritten Besuche des Landes
1871 trotz den sich anbahnenden großen Veränderungen im ganzen bestätigt
gefunden. Einige Eigentümlichkeiten des englischen Charakters und Volkslebens,
an die wir oft erinnert haben, die aber im allgemeinen keineswegs nach ihrer
entscheidenden Bedeutung gewürdigt werden, finden wir bei ihm scharf und
deutlich gezeichnet und bis in die feinsten Züge ausgemalt.

Überall, wohin er kommt, fällt ihm auf, daß in keinem andern Lande der
Erde (die Vereinigten Staaten ausgenommen, muß man heute sagen) der
Abstand von Reich und Arm so groß und der Gegensatz ihrer äußern Er¬
scheinung so grell ist. Paris hat ihm keine Ahnung zu geben vermocht von
dem Luxus, den er in den Landsitzen genießt, auf denen er Gast war. Dieser
Luxus umfaßt bekanntlich mißer tausenderlei kostbaren Eitelkeiten auch eine


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0304" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/301558"/>
          <fw type="header" place="top"> Altes und Neues aus England</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1035" prev="#ID_1034"> von der Verelendung der Massen die Wirkungen des Paragraphen 23 des<lb/>
preußischen Eiukommensteuergesetzes nicht verwandt werden können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1036"> Im Abgeordnetenhause ist bei der Beratung des Staatshaushaltsetats<lb/>
über den Paragraphen 23 a. a, O. verhandelt worden. Aus der Mitte der¬<lb/>
selben Partei, die seiue Einfügung in das Gesetz beantragte, wurde an den<lb/>
Finanzminister die Frage gerichtet, ob er ihn aufrecht zu erhalten gedenke.<lb/>
Mit Entschiedenheit hat der Minister diese Frage bejaht. Seine ausführ¬<lb/>
lichen, überzeugenden Ausführungen schließen mit der Versicherung, eine Auf¬<lb/>
hebung der Vorschrift schade nach seiner Ansicht einem gerechten Besteuerungs¬<lb/>
verfahren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1037"> Die Fragesteller haben hierauf uicht geantwortet. Sie werden weise<lb/>
handeln, wenn von ihnen die Frage nicht wieder angerührt wird. Ihre jetzige<lb/>
sehr einseitigen Interessen dienende Auffassung ist unhaltbar gegenüber den<lb/>
wohlbegründeten Ausführungen des Ministers, die zu Nutz und Frommen<lb/>
der Allgemeinheit, des Staates und der Gemeinden, Wahrheit und Gerechtig¬<lb/>
keit bei der Besteuerung für alle Staatsbürger fordern.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Altes und Neues aus England</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1038"> unser über England, die im Jahre 1862 erschienen sind, darf<lb/>
man im allgemeinen höchstens zitieren. Wenn jedoch der Ver¬<lb/>
fasser Hippolyte Taine heißt, und wenn das Buch 1906 in<lb/>
deutscher Übersetzung (bei Eugen Diederichs, Jena und Leipzig)<lb/>
neu herausgegeben worden ist, dann darf man ihm schon eine<lb/>
eigne Betrachtung widmen. Taine hatte 1861 und 1862 England gründlich<lb/>
durchforscht und beobachtet, das Ergebnis unter dem Titel: Aufzeichnungen<lb/>
über England veröffentlicht und es bei einem dritten Besuche des Landes<lb/>
1871 trotz den sich anbahnenden großen Veränderungen im ganzen bestätigt<lb/>
gefunden. Einige Eigentümlichkeiten des englischen Charakters und Volkslebens,<lb/>
an die wir oft erinnert haben, die aber im allgemeinen keineswegs nach ihrer<lb/>
entscheidenden Bedeutung gewürdigt werden, finden wir bei ihm scharf und<lb/>
deutlich gezeichnet und bis in die feinsten Züge ausgemalt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1039" next="#ID_1040"> Überall, wohin er kommt, fällt ihm auf, daß in keinem andern Lande der<lb/>
Erde (die Vereinigten Staaten ausgenommen, muß man heute sagen) der<lb/>
Abstand von Reich und Arm so groß und der Gegensatz ihrer äußern Er¬<lb/>
scheinung so grell ist. Paris hat ihm keine Ahnung zu geben vermocht von<lb/>
dem Luxus, den er in den Landsitzen genießt, auf denen er Gast war. Dieser<lb/>
Luxus umfaßt bekanntlich mißer tausenderlei kostbaren Eitelkeiten auch eine</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0304] Altes und Neues aus England von der Verelendung der Massen die Wirkungen des Paragraphen 23 des preußischen Eiukommensteuergesetzes nicht verwandt werden können. Im Abgeordnetenhause ist bei der Beratung des Staatshaushaltsetats über den Paragraphen 23 a. a, O. verhandelt worden. Aus der Mitte der¬ selben Partei, die seiue Einfügung in das Gesetz beantragte, wurde an den Finanzminister die Frage gerichtet, ob er ihn aufrecht zu erhalten gedenke. Mit Entschiedenheit hat der Minister diese Frage bejaht. Seine ausführ¬ lichen, überzeugenden Ausführungen schließen mit der Versicherung, eine Auf¬ hebung der Vorschrift schade nach seiner Ansicht einem gerechten Besteuerungs¬ verfahren. Die Fragesteller haben hierauf uicht geantwortet. Sie werden weise handeln, wenn von ihnen die Frage nicht wieder angerührt wird. Ihre jetzige sehr einseitigen Interessen dienende Auffassung ist unhaltbar gegenüber den wohlbegründeten Ausführungen des Ministers, die zu Nutz und Frommen der Allgemeinheit, des Staates und der Gemeinden, Wahrheit und Gerechtig¬ keit bei der Besteuerung für alle Staatsbürger fordern. Altes und Neues aus England unser über England, die im Jahre 1862 erschienen sind, darf man im allgemeinen höchstens zitieren. Wenn jedoch der Ver¬ fasser Hippolyte Taine heißt, und wenn das Buch 1906 in deutscher Übersetzung (bei Eugen Diederichs, Jena und Leipzig) neu herausgegeben worden ist, dann darf man ihm schon eine eigne Betrachtung widmen. Taine hatte 1861 und 1862 England gründlich durchforscht und beobachtet, das Ergebnis unter dem Titel: Aufzeichnungen über England veröffentlicht und es bei einem dritten Besuche des Landes 1871 trotz den sich anbahnenden großen Veränderungen im ganzen bestätigt gefunden. Einige Eigentümlichkeiten des englischen Charakters und Volkslebens, an die wir oft erinnert haben, die aber im allgemeinen keineswegs nach ihrer entscheidenden Bedeutung gewürdigt werden, finden wir bei ihm scharf und deutlich gezeichnet und bis in die feinsten Züge ausgemalt. Überall, wohin er kommt, fällt ihm auf, daß in keinem andern Lande der Erde (die Vereinigten Staaten ausgenommen, muß man heute sagen) der Abstand von Reich und Arm so groß und der Gegensatz ihrer äußern Er¬ scheinung so grell ist. Paris hat ihm keine Ahnung zu geben vermocht von dem Luxus, den er in den Landsitzen genießt, auf denen er Gast war. Dieser Luxus umfaßt bekanntlich mißer tausenderlei kostbaren Eitelkeiten auch eine

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/304
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 66, 1907, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341885_301253/304>, abgerufen am 24.07.2024.