Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches gleich, daß es für den Staat und das Recht von großer Wichtigkeit ist, an dem Für bescheidne Ansprüche. Wer durch die Schweizer Alpen Fußwanderungen Maßgebliches und Unmaßgebliches gleich, daß es für den Staat und das Recht von großer Wichtigkeit ist, an dem Für bescheidne Ansprüche. Wer durch die Schweizer Alpen Fußwanderungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0707" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/300494"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_2849" prev="#ID_2848"> gleich, daß es für den Staat und das Recht von großer Wichtigkeit ist, an dem<lb/> hergebrachten Begriff des Rentners festzuhalten und ihn nicht durch neue Theorien<lb/> verdunkeln zu lassen. Auch in die Polemik gegen Dmnaschkes Bestrebungen können<lb/> wir nicht einstimmen. Schiele stellt den heutigen Kampf gegen gewisse Auswüchse<lb/> der städtischen Bodenspekulation auf eine Stufe mit dem Kampfe der Agrarier<lb/> gegen die Börse. Das ist grundfalsch. Die agrarischen Trugschlüsse haben wir<lb/> seinerzeit auf den ersten Blick durchschaut, beharrlich bekämpft und uns auch durch<lb/> Leute, die, wie Duimchen, in die Börsengeschäfte eingeweiht sind, nicht irre machen<lb/> lassen. Dagegen ist es sonnenklar, daß Bodenspekulanten, die städtische Gelände<lb/> ankaufen und sie trotz großer Wohnungsnot nicht bebauen lassen, um den Boden¬<lb/> preis ins ungemessene zu steigern, die Wohnungen verteuern. Solche Erfahrungen<lb/> sind es, die einen Stadtmagistrat nach dem andern bestimmen, die Ratschläge der<lb/> Bodenbesitzreformer zu befolgen. Verallgemeinerung, die durch Staatsgesetz allen<lb/> Gemeinden die gleiche Praxis aufzwänge, würde vom Übel sein, denn die be¬<lb/> klagten Schäden sind örtlicher Natur, beschränken sich auf eine verhältnismäßig<lb/> nicht gar große Anzahl von Orten (nach der Behauptung von Damaschkes Gegnern<lb/> soll die „Bodensperre" überhaupt noch nirgends vorgekommen sein), und für jeden<lb/> dieser Orte mag ein besondres Verfahren angezeigt sein. Aber warum offenkundige<lb/> örtliche Übelstände nicht durch angemessene Mittel bekämpft werden sollen, ist<lb/> nicht einzusehen. Den Erfolg dieser Mittel muß man abwarten und dann die<lb/> Lage der reformierenden großstädtischen Gemeinden mit denen der übrigen ver¬<lb/> gleichen. Die Betrachtungen über den Zins geben uns zu Bemerkungen keinen<lb/> Anlaß. Der natürliche Arbeitlohn wird nach Thüren entwickelt, und es wird<lb/> dann richtig und gut gezeigt, daß Lohnarbeiter zwar niemals an Kapital und<lb/> Rente teilnehmen können, Wohl aber die vaterländische Arbeitgelegenheit ausschlie߬<lb/> lich für sich in Anspruch nehmen dürfen. Damit kommt der Verfasser auf den<lb/> Gegenstand seiner vorhergehenden Broschüre zurück. Er findet es verwerflich, daß<lb/> man die deutschen Landarbeiter durch die höhern Löhne in die Industrie locken<lb/> läßt und die Lücken durch genügsame Slawen ausfüllt, anstatt die deutschen Ar¬<lb/> beiter durch Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Lande festzuhalten.<lb/> „Natürlicher Arbeitlohn heißt in Deutschland nicht der ausgeglichne Weltarbeitlohn,<lb/><note type="byline"> z.</note> sondern der politisch gewollte und geschützte deutsche Arbeitlohn." </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Für bescheidne Ansprüche. </head> <p xml:id="ID_2850" next="#ID_2851"> Wer durch die Schweizer Alpen Fußwanderungen<lb/> macht, wird mit Bedauern und Unwillen bemerken, daß man überall da, wo Eisen¬<lb/> bahnen oder Zahnradbahnen auf die Gipfel führen, die Fußwege und Saumpfade<lb/> verfallen läßt. Seitdem die Lokomotive Vormittags und Nachmittags wiederholt<lb/> ganze Wagenladungen von Menschenmassen hinaufschleppt, die oben von den Hotel¬<lb/> dienern in Empfang genommen, von den befrackten Kellnern placiert und von den<lb/> Hotelbesitzern oder den Verwaltern gehörig ausgebeutelt werden, scheint man kein<lb/> rechtes Interesse mehr für den wandernden Touristen zu haben; man sieht den<lb/> Mann mit dem Rucksack ungern kommen, sucht ihn möglichst aus dem Bilde der<lb/> Alpenlandschaft zu entfernen und ihm klar zu machen, daß die idyllische Zeit, wo<lb/> der Bergsteiger oben auf dem Gebirgsgipfel der Herr war, längst vorüber ist.<lb/> Dieser bedauernswerte Zustand wird einem besonders klar, wenn man von Grindel¬<lb/> wald den alten prächtigen Gebirgspfad nach der Kleinen Scheidegg hinaufwandert<lb/> und oben vor dem Hotel, nachdem man sich mühsam auf dem aufgeweichten Wege<lb/> hinaufgearbeitet hat, auf eine Tafel stößt, wo eine Hand nach dem hintern Teil<lb/> des Hotels zeigt und die Aufschrift steht: „Für bescheidne Ansprüche." Es gibt<lb/> wohl keinen Touristen, der sich hier oben, wo ihn der Anblick der großartigen<lb/> Gebirgswelt vollständig gefangen nimmt, über dieses infame aufdringliche Schild</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0707]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
gleich, daß es für den Staat und das Recht von großer Wichtigkeit ist, an dem
hergebrachten Begriff des Rentners festzuhalten und ihn nicht durch neue Theorien
verdunkeln zu lassen. Auch in die Polemik gegen Dmnaschkes Bestrebungen können
wir nicht einstimmen. Schiele stellt den heutigen Kampf gegen gewisse Auswüchse
der städtischen Bodenspekulation auf eine Stufe mit dem Kampfe der Agrarier
gegen die Börse. Das ist grundfalsch. Die agrarischen Trugschlüsse haben wir
seinerzeit auf den ersten Blick durchschaut, beharrlich bekämpft und uns auch durch
Leute, die, wie Duimchen, in die Börsengeschäfte eingeweiht sind, nicht irre machen
lassen. Dagegen ist es sonnenklar, daß Bodenspekulanten, die städtische Gelände
ankaufen und sie trotz großer Wohnungsnot nicht bebauen lassen, um den Boden¬
preis ins ungemessene zu steigern, die Wohnungen verteuern. Solche Erfahrungen
sind es, die einen Stadtmagistrat nach dem andern bestimmen, die Ratschläge der
Bodenbesitzreformer zu befolgen. Verallgemeinerung, die durch Staatsgesetz allen
Gemeinden die gleiche Praxis aufzwänge, würde vom Übel sein, denn die be¬
klagten Schäden sind örtlicher Natur, beschränken sich auf eine verhältnismäßig
nicht gar große Anzahl von Orten (nach der Behauptung von Damaschkes Gegnern
soll die „Bodensperre" überhaupt noch nirgends vorgekommen sein), und für jeden
dieser Orte mag ein besondres Verfahren angezeigt sein. Aber warum offenkundige
örtliche Übelstände nicht durch angemessene Mittel bekämpft werden sollen, ist
nicht einzusehen. Den Erfolg dieser Mittel muß man abwarten und dann die
Lage der reformierenden großstädtischen Gemeinden mit denen der übrigen ver¬
gleichen. Die Betrachtungen über den Zins geben uns zu Bemerkungen keinen
Anlaß. Der natürliche Arbeitlohn wird nach Thüren entwickelt, und es wird
dann richtig und gut gezeigt, daß Lohnarbeiter zwar niemals an Kapital und
Rente teilnehmen können, Wohl aber die vaterländische Arbeitgelegenheit ausschlie߬
lich für sich in Anspruch nehmen dürfen. Damit kommt der Verfasser auf den
Gegenstand seiner vorhergehenden Broschüre zurück. Er findet es verwerflich, daß
man die deutschen Landarbeiter durch die höhern Löhne in die Industrie locken
läßt und die Lücken durch genügsame Slawen ausfüllt, anstatt die deutschen Ar¬
beiter durch Verbesserung der Lebensbedingungen auf dem Lande festzuhalten.
„Natürlicher Arbeitlohn heißt in Deutschland nicht der ausgeglichne Weltarbeitlohn,
z. sondern der politisch gewollte und geschützte deutsche Arbeitlohn."
Für bescheidne Ansprüche. Wer durch die Schweizer Alpen Fußwanderungen
macht, wird mit Bedauern und Unwillen bemerken, daß man überall da, wo Eisen¬
bahnen oder Zahnradbahnen auf die Gipfel führen, die Fußwege und Saumpfade
verfallen läßt. Seitdem die Lokomotive Vormittags und Nachmittags wiederholt
ganze Wagenladungen von Menschenmassen hinaufschleppt, die oben von den Hotel¬
dienern in Empfang genommen, von den befrackten Kellnern placiert und von den
Hotelbesitzern oder den Verwaltern gehörig ausgebeutelt werden, scheint man kein
rechtes Interesse mehr für den wandernden Touristen zu haben; man sieht den
Mann mit dem Rucksack ungern kommen, sucht ihn möglichst aus dem Bilde der
Alpenlandschaft zu entfernen und ihm klar zu machen, daß die idyllische Zeit, wo
der Bergsteiger oben auf dem Gebirgsgipfel der Herr war, längst vorüber ist.
Dieser bedauernswerte Zustand wird einem besonders klar, wenn man von Grindel¬
wald den alten prächtigen Gebirgspfad nach der Kleinen Scheidegg hinaufwandert
und oben vor dem Hotel, nachdem man sich mühsam auf dem aufgeweichten Wege
hinaufgearbeitet hat, auf eine Tafel stößt, wo eine Hand nach dem hintern Teil
des Hotels zeigt und die Aufschrift steht: „Für bescheidne Ansprüche." Es gibt
wohl keinen Touristen, der sich hier oben, wo ihn der Anblick der großartigen
Gebirgswelt vollständig gefangen nimmt, über dieses infame aufdringliche Schild
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