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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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ZVas bedeuten uns Bachs Kirchenkantaten?

Wie kriegerisch die alten Zeiten gewesen sein müssen, beweisen nach Jones die
Ausdrücke für Frieden in den arischen Sprachen, die sämtlich, wie xax von
xanAörs, nur einen auf Vertrag beruhenden Zustand, also einen Ausnahme¬
zustand bezeichnen, eine Unterbrechung des Krieges, der als der Normalzustand
gilt. In den Abschnitten über Kunst und Wissenschaft, Religion und Jenseits¬
glauben haben wir nichts neues gefunden. Nur eines wollen wir anmerken.
Pastor bestreitet sehr lebhaft die hergebrachte Ansicht, daß unsre Schrift aus
der ägyptischen Bilderschrift entstanden und den Griechen durch die Phönizier
vermittelt worden sei; nach ihm stammt die Buchstabenschrift von den germa¬
nischen Runen. Nach Jones hat tatsächlich in Urzeiten ein europäisches
Alphabet bestanden, und die Griechen haben daraus die vier Buchstaben Z", ^5,
S, v bewahrt und dem phönizischen Alphabet angefügt, als sie dieses über¬
nahmen. Keine Verwandtschaft mit dem phönizischen Alphabet zeigen auch die
im Palast von Knossos auf Kreta aufgedeckten Schriftzeichen.




Was bedeuten uns Bachs Kirchenkantaten?

^>u den erfreulichsten Dingen, die wir Heutigen erleben können,
gehört die gegenwärtige Bachbewcgung. Immer mehr kommt es
der Nation und der Menschheit zum Bewußtsein, was für ein
bewundernswerter geistiger Schatz die Kompositionen Bachs sind.
! Immer weitern Kreisen erschließt sich der Segen ihrer Schönheit.
Nicht mehr bloß, wie einst, der Virtuos, der Fugenmeister, der gelehrte Ton¬
setzer -- nein, der Wundermann im reichsten Sinne des Worts übt jetzt seinen
Einfluß, und ähnlich wie bei Dürer ist es die ganze Größe einer hehren
Persönlichkeit, die uns nunmehr so anzieht bei dem Thomaskantor, den frühere
Geschlechter bei allem Respekt doch ziemlich philisterhaft beurteilten. Und da
Bach ein Sohn der Kirche ist, so führt der religiöse Drang der Gegenwart
ohne weiteres dazu, in Bach ein auserwähltes Rüstzeug für den Kampf
zwischen Glauben und Unglauben zu schützen. Bekanntlich nimmt dieser Kampf
immer neue Formen an. Bach -- so hat man wiederholt gesagt -- ist ein
Missionar. Gewiß, wir haben die feste Überzeugung davon. Bach, der so
durchaus Musiker ist, geht in seinen Wirkungen doch auch über das bloße
Musizieren hinaus. Er ist, wie nur irgendein Held oder Heiliger, ein Send¬
bote und Wegbereiter Gottes. Ein Weckrufer, der den Sinn für das Gött¬
liche fördert, von Jahrhundert zu Jahrhundert. Es fragt sich nun, wie wir
seinen Ruf aufnehmen. Wir müssen -- soviel ist wohl klar -- Bachs
religiöse Gedankenwelt "kennen und bejahen". Wir dürfen Bachs Kirchen¬
musik nicht "voraussetzungslos", "rein ästhetisch" genießen wollen, sondern
müssen nach einem richtigen religiösen Rahmen dafür suchen. Wie geschieht
das aber?


ZVas bedeuten uns Bachs Kirchenkantaten?

Wie kriegerisch die alten Zeiten gewesen sein müssen, beweisen nach Jones die
Ausdrücke für Frieden in den arischen Sprachen, die sämtlich, wie xax von
xanAörs, nur einen auf Vertrag beruhenden Zustand, also einen Ausnahme¬
zustand bezeichnen, eine Unterbrechung des Krieges, der als der Normalzustand
gilt. In den Abschnitten über Kunst und Wissenschaft, Religion und Jenseits¬
glauben haben wir nichts neues gefunden. Nur eines wollen wir anmerken.
Pastor bestreitet sehr lebhaft die hergebrachte Ansicht, daß unsre Schrift aus
der ägyptischen Bilderschrift entstanden und den Griechen durch die Phönizier
vermittelt worden sei; nach ihm stammt die Buchstabenschrift von den germa¬
nischen Runen. Nach Jones hat tatsächlich in Urzeiten ein europäisches
Alphabet bestanden, und die Griechen haben daraus die vier Buchstaben Z", ^5,
S, v bewahrt und dem phönizischen Alphabet angefügt, als sie dieses über¬
nahmen. Keine Verwandtschaft mit dem phönizischen Alphabet zeigen auch die
im Palast von Knossos auf Kreta aufgedeckten Schriftzeichen.




Was bedeuten uns Bachs Kirchenkantaten?

^>u den erfreulichsten Dingen, die wir Heutigen erleben können,
gehört die gegenwärtige Bachbewcgung. Immer mehr kommt es
der Nation und der Menschheit zum Bewußtsein, was für ein
bewundernswerter geistiger Schatz die Kompositionen Bachs sind.
! Immer weitern Kreisen erschließt sich der Segen ihrer Schönheit.
Nicht mehr bloß, wie einst, der Virtuos, der Fugenmeister, der gelehrte Ton¬
setzer — nein, der Wundermann im reichsten Sinne des Worts übt jetzt seinen
Einfluß, und ähnlich wie bei Dürer ist es die ganze Größe einer hehren
Persönlichkeit, die uns nunmehr so anzieht bei dem Thomaskantor, den frühere
Geschlechter bei allem Respekt doch ziemlich philisterhaft beurteilten. Und da
Bach ein Sohn der Kirche ist, so führt der religiöse Drang der Gegenwart
ohne weiteres dazu, in Bach ein auserwähltes Rüstzeug für den Kampf
zwischen Glauben und Unglauben zu schützen. Bekanntlich nimmt dieser Kampf
immer neue Formen an. Bach — so hat man wiederholt gesagt — ist ein
Missionar. Gewiß, wir haben die feste Überzeugung davon. Bach, der so
durchaus Musiker ist, geht in seinen Wirkungen doch auch über das bloße
Musizieren hinaus. Er ist, wie nur irgendein Held oder Heiliger, ein Send¬
bote und Wegbereiter Gottes. Ein Weckrufer, der den Sinn für das Gött¬
liche fördert, von Jahrhundert zu Jahrhundert. Es fragt sich nun, wie wir
seinen Ruf aufnehmen. Wir müssen — soviel ist wohl klar — Bachs
religiöse Gedankenwelt „kennen und bejahen". Wir dürfen Bachs Kirchen¬
musik nicht „voraussetzungslos", „rein ästhetisch" genießen wollen, sondern
müssen nach einem richtigen religiösen Rahmen dafür suchen. Wie geschieht
das aber?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/709>, abgerufen am 26.12.2024.