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Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

länger den Mann mit zugeknöpften Taschen spielen, und er hat die Dicitenvorlage
Zug um Zug über ihr schwierigstes Hindernis, das preußische Staatsministerium,
hinweggebracht. Die Vorlage wird in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung aus¬
drücklich als "Vorlage des Reichskanzlers" bezeichnet, aller Wahrscheinlichkeit nach
kommt sie auch in dieser Form, nicht als Antrag Preußens, an den Bundesrat.
Hat Preußen, das bei dieser Verfassungsänderung am meisten verliert, einmal Ja
gesagt, so wird der Buudesrnt nicht mehr Nein sagen, und der Entwurf wird seinen
Lauf nehmen. Möge es für Deutschland uicht zum Verhängnis werden. Wäre an
den Schluß jedes stenographischen Sitzungsberichts die Reihe der Fehlenden "nament¬
lich" aufgeführt worden, getrennt in die Kategorien: beurlaubt, entschuldigt und un¬
entschuldigt, so würde mau, was den Reichstagsbesuch anlangt, wohl sehr bald dasselbe,
vielleicht sogar ein besseres Resultat erreicht haben als mit den Diäten oder der
"Entschädigung," wie das Ding jetzt offiziell getauft ist. Es soll damit wohl dem
Gedanken Ausdruck verliehen werden, daß es sich nur um Entschädigung für wirkliche
Leistungen handeln soll. Artikel 32 der Verfassung, der sich nun in sein Gegenteil
verwandelt, lautete bisher: "Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine
Besoldung oder Entschädigung beziehen." Aber.... tomxora muwutur se nos
wntÄiimr in illis. Hoffentlich werden die Wähler den "entschädigten" Reichsboten
"Z" eine größere Aufmerksamkeit zuwenden als den bisher nnentschndigten.




Ein neuer See in Westdeutschland.

In der in den Jahren 1900 und
1901 in den Grenzboten veröffentlichten Artikelserie "Herbsttage in der Eifel" ist
auf das gewaltige Werk der Ingenieurkunst hingewiesen worden, das damals gerade
bei dem Eifelstädtchen Gemünd in Angriff genommen worden war. Es handelte
sich um die Urfttalsperre, die größte Talsperre Europas, ein Unternehmen, das den
doppelten Zweck hat, das Gebiet der untern Nur, deren größter Nebenfluß die Urft
ist, gegen Überschwemmungsgefahr zu sichern und die oft sehr großen Wassermassen
der Urft zur Kraftgewinnuug für industrielle Betriebe auszunutzen. Damals war
das neun Kilometer lange, vielfach gewundne und von steilabfallenden Berges¬
hängen eingeschlossene Tal, das heute ein Seebecken ist, auf seiner Sohle noch mit
Wiesen und Wald bedeckt, von den wenigen Gehöften und Mühlen, die in dieser
Einsamkeit verstreut lagen, stieg bläulicher Rauch auf, und dem Wandrer, der sich
in diese entlegne Gegend wagte, verriet nur der sich das nördliche Urftufer entlang
ziehende Schienenstrang der Arbeitsbahn, daß hier ein technisches Werk vorbereitet
wurde. Der Bau der Sperrmauer begaun im Sommer 1901 und wurde, obwohl
täglich dreihundert Kubikmeter Mauerwerk fertiggestellt wurden, im Rohbau erst im
Herbst 1903 vollendet. Diese Mauer, zu der einer der bedeutendsten Spezialisten
für Sperrcmlageu, Professor Dr. Jntze in Aachen, den Plan geliefert hat, weist
insofern eine Abweichung von den bisher üblichen Bauten dieser Art auf, als sie
zur größern Sicherheit gegen den Wasserdruck keine gerade, sondern eine nach einem
Krümmungshalbmesser von zweihundert Metern gebogne Linie bildet. Ihre Höhe
beträgt, von der Fuudameutalsohle bis zur Krone gemessen, 58 Meter, die größte
Sohlenbreite 50,5 Meter, die Kronenbreite 5,5 Meter, der Rauminhalt an Mauer¬
werk 155000 Kubikmeter. Die Krone, die als asphaltierte, durch Brüstungen ge¬
schützte Straße hergerichtet worden ist, hat eine Länge von 226 Metern. An der
Beckenseite ist die Mauer bis zu einer Höhe von 34 Metern durch eine zu dem
Grunde des Stausees abfallende, gepflasterte und von zwei gewölbten Durchlassen
durchbrochne Erdaufschüttung bedeckt. Diese Durchlässe setzen sich in der Mauer als
Entlastuugsstolleu fort; der Wasserabfluß wird von einem turmartig aus dem See
aufsteigenden und mit der Mauerkrone dnrch eine Brücke verbundnen Bedienungs¬
schacht aus durch einen sinnreich konstruierten Schiebermechcmismus geregelt.

Damit das Wasser die Mauerkrone nicht überflute, ist am nördlichen Tal¬
abhang ein Hochwasserüberfall mit Kaskaden gebaut worden, die die hinnuter-
stürzendeu Wassermassen dnrch Gegenstauung brechen und eine Aufwühlung des


Maßgebliches und Unmaßgebliches

länger den Mann mit zugeknöpften Taschen spielen, und er hat die Dicitenvorlage
Zug um Zug über ihr schwierigstes Hindernis, das preußische Staatsministerium,
hinweggebracht. Die Vorlage wird in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung aus¬
drücklich als „Vorlage des Reichskanzlers" bezeichnet, aller Wahrscheinlichkeit nach
kommt sie auch in dieser Form, nicht als Antrag Preußens, an den Bundesrat.
Hat Preußen, das bei dieser Verfassungsänderung am meisten verliert, einmal Ja
gesagt, so wird der Buudesrnt nicht mehr Nein sagen, und der Entwurf wird seinen
Lauf nehmen. Möge es für Deutschland uicht zum Verhängnis werden. Wäre an
den Schluß jedes stenographischen Sitzungsberichts die Reihe der Fehlenden „nament¬
lich" aufgeführt worden, getrennt in die Kategorien: beurlaubt, entschuldigt und un¬
entschuldigt, so würde mau, was den Reichstagsbesuch anlangt, wohl sehr bald dasselbe,
vielleicht sogar ein besseres Resultat erreicht haben als mit den Diäten oder der
„Entschädigung," wie das Ding jetzt offiziell getauft ist. Es soll damit wohl dem
Gedanken Ausdruck verliehen werden, daß es sich nur um Entschädigung für wirkliche
Leistungen handeln soll. Artikel 32 der Verfassung, der sich nun in sein Gegenteil
verwandelt, lautete bisher: „Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine
Besoldung oder Entschädigung beziehen." Aber.... tomxora muwutur se nos
wntÄiimr in illis. Hoffentlich werden die Wähler den „entschädigten" Reichsboten
»Z» eine größere Aufmerksamkeit zuwenden als den bisher nnentschndigten.




Ein neuer See in Westdeutschland.

In der in den Jahren 1900 und
1901 in den Grenzboten veröffentlichten Artikelserie „Herbsttage in der Eifel" ist
auf das gewaltige Werk der Ingenieurkunst hingewiesen worden, das damals gerade
bei dem Eifelstädtchen Gemünd in Angriff genommen worden war. Es handelte
sich um die Urfttalsperre, die größte Talsperre Europas, ein Unternehmen, das den
doppelten Zweck hat, das Gebiet der untern Nur, deren größter Nebenfluß die Urft
ist, gegen Überschwemmungsgefahr zu sichern und die oft sehr großen Wassermassen
der Urft zur Kraftgewinnuug für industrielle Betriebe auszunutzen. Damals war
das neun Kilometer lange, vielfach gewundne und von steilabfallenden Berges¬
hängen eingeschlossene Tal, das heute ein Seebecken ist, auf seiner Sohle noch mit
Wiesen und Wald bedeckt, von den wenigen Gehöften und Mühlen, die in dieser
Einsamkeit verstreut lagen, stieg bläulicher Rauch auf, und dem Wandrer, der sich
in diese entlegne Gegend wagte, verriet nur der sich das nördliche Urftufer entlang
ziehende Schienenstrang der Arbeitsbahn, daß hier ein technisches Werk vorbereitet
wurde. Der Bau der Sperrmauer begaun im Sommer 1901 und wurde, obwohl
täglich dreihundert Kubikmeter Mauerwerk fertiggestellt wurden, im Rohbau erst im
Herbst 1903 vollendet. Diese Mauer, zu der einer der bedeutendsten Spezialisten
für Sperrcmlageu, Professor Dr. Jntze in Aachen, den Plan geliefert hat, weist
insofern eine Abweichung von den bisher üblichen Bauten dieser Art auf, als sie
zur größern Sicherheit gegen den Wasserdruck keine gerade, sondern eine nach einem
Krümmungshalbmesser von zweihundert Metern gebogne Linie bildet. Ihre Höhe
beträgt, von der Fuudameutalsohle bis zur Krone gemessen, 58 Meter, die größte
Sohlenbreite 50,5 Meter, die Kronenbreite 5,5 Meter, der Rauminhalt an Mauer¬
werk 155000 Kubikmeter. Die Krone, die als asphaltierte, durch Brüstungen ge¬
schützte Straße hergerichtet worden ist, hat eine Länge von 226 Metern. An der
Beckenseite ist die Mauer bis zu einer Höhe von 34 Metern durch eine zu dem
Grunde des Stausees abfallende, gepflasterte und von zwei gewölbten Durchlassen
durchbrochne Erdaufschüttung bedeckt. Diese Durchlässe setzen sich in der Mauer als
Entlastuugsstolleu fort; der Wasserabfluß wird von einem turmartig aus dem See
aufsteigenden und mit der Mauerkrone dnrch eine Brücke verbundnen Bedienungs¬
schacht aus durch einen sinnreich konstruierten Schiebermechcmismus geregelt.

Damit das Wasser die Mauerkrone nicht überflute, ist am nördlichen Tal¬
abhang ein Hochwasserüberfall mit Kaskaden gebaut worden, die die hinnuter-
stürzendeu Wassermassen dnrch Gegenstauung brechen und eine Aufwühlung des


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[0065] Maßgebliches und Unmaßgebliches länger den Mann mit zugeknöpften Taschen spielen, und er hat die Dicitenvorlage Zug um Zug über ihr schwierigstes Hindernis, das preußische Staatsministerium, hinweggebracht. Die Vorlage wird in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung aus¬ drücklich als „Vorlage des Reichskanzlers" bezeichnet, aller Wahrscheinlichkeit nach kommt sie auch in dieser Form, nicht als Antrag Preußens, an den Bundesrat. Hat Preußen, das bei dieser Verfassungsänderung am meisten verliert, einmal Ja gesagt, so wird der Buudesrnt nicht mehr Nein sagen, und der Entwurf wird seinen Lauf nehmen. Möge es für Deutschland uicht zum Verhängnis werden. Wäre an den Schluß jedes stenographischen Sitzungsberichts die Reihe der Fehlenden „nament¬ lich" aufgeführt worden, getrennt in die Kategorien: beurlaubt, entschuldigt und un¬ entschuldigt, so würde mau, was den Reichstagsbesuch anlangt, wohl sehr bald dasselbe, vielleicht sogar ein besseres Resultat erreicht haben als mit den Diäten oder der „Entschädigung," wie das Ding jetzt offiziell getauft ist. Es soll damit wohl dem Gedanken Ausdruck verliehen werden, daß es sich nur um Entschädigung für wirkliche Leistungen handeln soll. Artikel 32 der Verfassung, der sich nun in sein Gegenteil verwandelt, lautete bisher: „Die Mitglieder des Reichstags dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen." Aber.... tomxora muwutur se nos wntÄiimr in illis. Hoffentlich werden die Wähler den „entschädigten" Reichsboten »Z» eine größere Aufmerksamkeit zuwenden als den bisher nnentschndigten. Ein neuer See in Westdeutschland. In der in den Jahren 1900 und 1901 in den Grenzboten veröffentlichten Artikelserie „Herbsttage in der Eifel" ist auf das gewaltige Werk der Ingenieurkunst hingewiesen worden, das damals gerade bei dem Eifelstädtchen Gemünd in Angriff genommen worden war. Es handelte sich um die Urfttalsperre, die größte Talsperre Europas, ein Unternehmen, das den doppelten Zweck hat, das Gebiet der untern Nur, deren größter Nebenfluß die Urft ist, gegen Überschwemmungsgefahr zu sichern und die oft sehr großen Wassermassen der Urft zur Kraftgewinnuug für industrielle Betriebe auszunutzen. Damals war das neun Kilometer lange, vielfach gewundne und von steilabfallenden Berges¬ hängen eingeschlossene Tal, das heute ein Seebecken ist, auf seiner Sohle noch mit Wiesen und Wald bedeckt, von den wenigen Gehöften und Mühlen, die in dieser Einsamkeit verstreut lagen, stieg bläulicher Rauch auf, und dem Wandrer, der sich in diese entlegne Gegend wagte, verriet nur der sich das nördliche Urftufer entlang ziehende Schienenstrang der Arbeitsbahn, daß hier ein technisches Werk vorbereitet wurde. Der Bau der Sperrmauer begaun im Sommer 1901 und wurde, obwohl täglich dreihundert Kubikmeter Mauerwerk fertiggestellt wurden, im Rohbau erst im Herbst 1903 vollendet. Diese Mauer, zu der einer der bedeutendsten Spezialisten für Sperrcmlageu, Professor Dr. Jntze in Aachen, den Plan geliefert hat, weist insofern eine Abweichung von den bisher üblichen Bauten dieser Art auf, als sie zur größern Sicherheit gegen den Wasserdruck keine gerade, sondern eine nach einem Krümmungshalbmesser von zweihundert Metern gebogne Linie bildet. Ihre Höhe beträgt, von der Fuudameutalsohle bis zur Krone gemessen, 58 Meter, die größte Sohlenbreite 50,5 Meter, die Kronenbreite 5,5 Meter, der Rauminhalt an Mauer¬ werk 155000 Kubikmeter. Die Krone, die als asphaltierte, durch Brüstungen ge¬ schützte Straße hergerichtet worden ist, hat eine Länge von 226 Metern. An der Beckenseite ist die Mauer bis zu einer Höhe von 34 Metern durch eine zu dem Grunde des Stausees abfallende, gepflasterte und von zwei gewölbten Durchlassen durchbrochne Erdaufschüttung bedeckt. Diese Durchlässe setzen sich in der Mauer als Entlastuugsstolleu fort; der Wasserabfluß wird von einem turmartig aus dem See aufsteigenden und mit der Mauerkrone dnrch eine Brücke verbundnen Bedienungs¬ schacht aus durch einen sinnreich konstruierten Schiebermechcmismus geregelt. Damit das Wasser die Mauerkrone nicht überflute, ist am nördlichen Tal¬ abhang ein Hochwasserüberfall mit Kaskaden gebaut worden, die die hinnuter- stürzendeu Wassermassen dnrch Gegenstauung brechen und eine Aufwühlung des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 65, 1906, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341883_299040/65>, abgerufen am 27.06.2024.