Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Drittes Vierteljahr.Afghanistan Franz Korton Schilderungen und Skizzen von (Fortsetzung) evor ich über die Bevölkerung Afghanistans berichte, will ich die Afghanistan Franz Korton Schilderungen und Skizzen von (Fortsetzung) evor ich über die Bevölkerung Afghanistans berichte, will ich die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/297658"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341881_297518/figures/grenzboten_341881_297518_297658_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Afghanistan<lb/><note type="byline"> Franz Korton</note> Schilderungen und Skizzen von<lb/> (Fortsetzung) </head><lb/> <p xml:id="ID_572"> evor ich über die Bevölkerung Afghanistans berichte, will ich die<lb/> Hauptstadt Kabul, in deren unmittelbarer Nähe ich gewohnt habe,<lb/> zu schildern versuchen. Die Stadt liegt an den Ufern des Kabul¬<lb/> flusses, über den drei Brücken, zwei in der Stadt, geschlagen sind,<lb/> und besteht aus Häusern mit flachen Dächern, wie sie überall im<lb/> Orient gefunden werden. Erbaut sind die Häuser aus rohen Ziegeln oder aus<lb/> Lehm, und manche von ihnen haben zwei Stockwerke. Auf der Gassenseite sind<lb/> Fenster nicht vorhanden, etliche Häuser haben erkerartige Anbauten. Die Fenster<lb/> schauen in die Hofräume, die zumeist mit Maulbeerbüumen bepflanzt sind, sodaß<lb/> die Stadt, wenn sich diese Bäume belauben, in freundlichem Grün zu ver¬<lb/> schwinden scheint. Ein Gewirr kleiner und enger Gassen trennt die Häuserreihen,<lb/> doch ist der allgemeine Verkehr auf die Basar- oder Handelsstraße beschränkt,<lb/> in der die Verkaufsladen liegen. Die Stadt ist zum Teil mit einer Mauer<lb/> umgeben, auf längern Strecken bilden aber Häuser die äußere UmWallung. Vier<lb/> Tore, von denen zwei diese Bezeichnung allerdings nicht verdienen, da sie<lb/> einfache Öffnungen in der Mauer sind, gewähren Durchlaß und Eintritt. Sie<lb/> sind beständig militärisch bewacht. Die Basarstraße, in der ein sehr bedeutender<lb/> Verkehr herrscht, ist mit einem fragwürdigen, aus runden und flachen Steinen<lb/> bestehenden Pflaster versehen. Fußgänger, Kamel- und Maultiertreiber mit ihren<lb/> Tieren sowie Reiter beleben diese Straße täglich mit Ausnahme des Freitags,<lb/> des mohammedanischen Feiertags. Das Gewühl ist so groß, daß man sich nur<lb/> mit Mühe einen Weg bahnen kann. Die Stadt wird von zwei etwa fünfhundert<lb/> und sechshundert Meter hohen Hügeln beherrscht und lehnt sich an die nord¬<lb/> westlich von ihr liegende Erhebung an. Diese Hügel sind befestigt und mit<lb/> militärischen Wachen besetzt. Früher waren sie durch eine teilweise noch erhaltne<lb/> Mauer verbunden, die über ihre Höhen hinzog. Im Südosten der Stadt liegt<lb/> das alte Schloß Baka Hissar, wo jetzt Lagerräume für Kriegsmunition und<lb/> Gefängnisse sind. Gegenwärtig zählt Kabul, das weder eine Beleuchtung noch<lb/> andre dem Verkehr dienende Einrichtungen hat, mit seiner Besatzung von<lb/> 30000 Mann und ungefähr 12000 männlichen und weiblichen Gefangnen<lb/> 150000 Einwohner. Die Angaben, die von 60000 Köpfen sprechen, reichen<lb/> weit zurück und stehn mit der Zunahme der Bevölkerung nicht im Einklange.<lb/> Von den Einwohnern der Stadt sind gegen 10000 Hindu, durchgehends Kauf¬<lb/> leute und Händler. Als Abd-ur-Rahmän zur Herrschaft kam, sollen auch Juden<lb/> und Armenier in Kabul ansässig gewesen sein, sie sind aber jetzt verschwunden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0139]
[Abbildung]
Afghanistan
Franz Korton Schilderungen und Skizzen von
(Fortsetzung)
evor ich über die Bevölkerung Afghanistans berichte, will ich die
Hauptstadt Kabul, in deren unmittelbarer Nähe ich gewohnt habe,
zu schildern versuchen. Die Stadt liegt an den Ufern des Kabul¬
flusses, über den drei Brücken, zwei in der Stadt, geschlagen sind,
und besteht aus Häusern mit flachen Dächern, wie sie überall im
Orient gefunden werden. Erbaut sind die Häuser aus rohen Ziegeln oder aus
Lehm, und manche von ihnen haben zwei Stockwerke. Auf der Gassenseite sind
Fenster nicht vorhanden, etliche Häuser haben erkerartige Anbauten. Die Fenster
schauen in die Hofräume, die zumeist mit Maulbeerbüumen bepflanzt sind, sodaß
die Stadt, wenn sich diese Bäume belauben, in freundlichem Grün zu ver¬
schwinden scheint. Ein Gewirr kleiner und enger Gassen trennt die Häuserreihen,
doch ist der allgemeine Verkehr auf die Basar- oder Handelsstraße beschränkt,
in der die Verkaufsladen liegen. Die Stadt ist zum Teil mit einer Mauer
umgeben, auf längern Strecken bilden aber Häuser die äußere UmWallung. Vier
Tore, von denen zwei diese Bezeichnung allerdings nicht verdienen, da sie
einfache Öffnungen in der Mauer sind, gewähren Durchlaß und Eintritt. Sie
sind beständig militärisch bewacht. Die Basarstraße, in der ein sehr bedeutender
Verkehr herrscht, ist mit einem fragwürdigen, aus runden und flachen Steinen
bestehenden Pflaster versehen. Fußgänger, Kamel- und Maultiertreiber mit ihren
Tieren sowie Reiter beleben diese Straße täglich mit Ausnahme des Freitags,
des mohammedanischen Feiertags. Das Gewühl ist so groß, daß man sich nur
mit Mühe einen Weg bahnen kann. Die Stadt wird von zwei etwa fünfhundert
und sechshundert Meter hohen Hügeln beherrscht und lehnt sich an die nord¬
westlich von ihr liegende Erhebung an. Diese Hügel sind befestigt und mit
militärischen Wachen besetzt. Früher waren sie durch eine teilweise noch erhaltne
Mauer verbunden, die über ihre Höhen hinzog. Im Südosten der Stadt liegt
das alte Schloß Baka Hissar, wo jetzt Lagerräume für Kriegsmunition und
Gefängnisse sind. Gegenwärtig zählt Kabul, das weder eine Beleuchtung noch
andre dem Verkehr dienende Einrichtungen hat, mit seiner Besatzung von
30000 Mann und ungefähr 12000 männlichen und weiblichen Gefangnen
150000 Einwohner. Die Angaben, die von 60000 Köpfen sprechen, reichen
weit zurück und stehn mit der Zunahme der Bevölkerung nicht im Einklange.
Von den Einwohnern der Stadt sind gegen 10000 Hindu, durchgehends Kauf¬
leute und Händler. Als Abd-ur-Rahmän zur Herrschaft kam, sollen auch Juden
und Armenier in Kabul ansässig gewesen sein, sie sind aber jetzt verschwunden.
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