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Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr.

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gemeinschcift dafür ein; bei den besten deutsch-katholischen Theologen wohltuende
Wärme und Innerlichkeit, Wahrheitsliebe und Geistesfreiheit, die so leicht
Brücken zu dauernder, gegenseitiger Verständigung hätten abgebe" können.
Standen früher schon Claudius, Hnmaun und Jacobi auf das herzlichste mit
katholischen Freunden in Münster, predigte Goßner, als katholischer Pfarrer
den Rhein hinabziehend, bald in einer katholischen, bald in einer evangelischen
Kirche, so lebt heute noch in vieler Mund der ehrwürdige Bischof Samier von
Regensburg, der, der Vertreter einer milden, christlichfrommen, evangelisch¬
katholischen Gesinnung, ein zweiter Fenelon an Gewissenhaftigkeit, Erlösungs¬
verlaugen, Liebe und Leben in Gott, sich über jede Erscheinung wahrhaft
christlicher Frömmigkeit und praktischen Christentums herzlich freute, wo er ihr
begegnete, und auch jenseits der Schranken der eignen Konfession ihr gern die
Hand reichte. In der Nähe und in der Ferne pflegte er mit Protestanten
vielfach schriftlichen und persönlichen Verkehr, und so bahnte sich durch ihn ein
näheres Verhältnis zwischen Gliedern beider Kirchen an. Noch ist die Sailersche
Schule nicht völlig ausgestorben; aber argwöhnisch werden ihre Vertreter be¬
obachtet, und man liebt diese Art nicht mehr.

Welches frische theologische Geistesleben bei dem edeln katholischen Münchner
Philosophen Johannes Huber bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts
hinein! Welches edle hochherzige Streben nach Erkenntnis der Wahrheit, nach
Versöhnung von Christentum und Kultur, nach Reform, sogar nach einer kirch¬
lichen Wiedervereinigung, wovon der außerdeutsche Katholizismus nichts wußte!
Man glaubte, man hoffte, daß diese Keime einer Wiedersmnmlnug der deutscheu
Geister die Verheißung der schönsten Zukunft in sich trügen! Aber wie hatte
man sich getäuscht! Ist alles umsonst gewesen? Ist es zu spät? Wir glauben
nicht. Weg mit den pessimistischen Klagen! Eine Kirche, die Leute wie Tauler
und Thomas a Kempis, Fenelon und Pascal, Sedlnitzly, Amalie von Lasaulx
hat hervorbringen können, darf nicht als des göttlichen Geistes bar hingestellt
werden. Noch fehlt es nicht an Geistesverwandte" in beiden Konfessionen.

Viäoant oousuliz", n"z Min! rvspudlio-r clötriiusuti vÄpmt,! Nach unsrer
heutigen Rechtsverfassung besteht aber diese Verpflichtung nicht nnr für die
obersten Führer, sondern für alle, denen des Volkes Wohl für das höchste
Gesetz gilt.




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uf dem von der Sozialdemokratie jüngst abgehaltnen sogenannten
Prenßentag ist zur Abwechslung anch einmal Preußen als der
sozialreaktionärste unter den deutschen Staaten bezeichnet worden.
Visher wurde diese Bezeichnung von der Sozialdemokratie immer
nur Sachsen beigelegt. Es ist daraus erkennbar, daß sichs bei
solchen Behauptungen für die Sozialdemokratie weniger um die Sache als um
den Gegner handelt, den sie jeweilig mit dieser Bezichtigung in der öffentlichen


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gemeinschcift dafür ein; bei den besten deutsch-katholischen Theologen wohltuende
Wärme und Innerlichkeit, Wahrheitsliebe und Geistesfreiheit, die so leicht
Brücken zu dauernder, gegenseitiger Verständigung hätten abgebe» können.
Standen früher schon Claudius, Hnmaun und Jacobi auf das herzlichste mit
katholischen Freunden in Münster, predigte Goßner, als katholischer Pfarrer
den Rhein hinabziehend, bald in einer katholischen, bald in einer evangelischen
Kirche, so lebt heute noch in vieler Mund der ehrwürdige Bischof Samier von
Regensburg, der, der Vertreter einer milden, christlichfrommen, evangelisch¬
katholischen Gesinnung, ein zweiter Fenelon an Gewissenhaftigkeit, Erlösungs¬
verlaugen, Liebe und Leben in Gott, sich über jede Erscheinung wahrhaft
christlicher Frömmigkeit und praktischen Christentums herzlich freute, wo er ihr
begegnete, und auch jenseits der Schranken der eignen Konfession ihr gern die
Hand reichte. In der Nähe und in der Ferne pflegte er mit Protestanten
vielfach schriftlichen und persönlichen Verkehr, und so bahnte sich durch ihn ein
näheres Verhältnis zwischen Gliedern beider Kirchen an. Noch ist die Sailersche
Schule nicht völlig ausgestorben; aber argwöhnisch werden ihre Vertreter be¬
obachtet, und man liebt diese Art nicht mehr.

Welches frische theologische Geistesleben bei dem edeln katholischen Münchner
Philosophen Johannes Huber bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts
hinein! Welches edle hochherzige Streben nach Erkenntnis der Wahrheit, nach
Versöhnung von Christentum und Kultur, nach Reform, sogar nach einer kirch¬
lichen Wiedervereinigung, wovon der außerdeutsche Katholizismus nichts wußte!
Man glaubte, man hoffte, daß diese Keime einer Wiedersmnmlnug der deutscheu
Geister die Verheißung der schönsten Zukunft in sich trügen! Aber wie hatte
man sich getäuscht! Ist alles umsonst gewesen? Ist es zu spät? Wir glauben
nicht. Weg mit den pessimistischen Klagen! Eine Kirche, die Leute wie Tauler
und Thomas a Kempis, Fenelon und Pascal, Sedlnitzly, Amalie von Lasaulx
hat hervorbringen können, darf nicht als des göttlichen Geistes bar hingestellt
werden. Noch fehlt es nicht an Geistesverwandte» in beiden Konfessionen.

Viäoant oousuliz«, n«z Min! rvspudlio-r clötriiusuti vÄpmt,! Nach unsrer
heutigen Rechtsverfassung besteht aber diese Verpflichtung nicht nnr für die
obersten Führer, sondern für alle, denen des Volkes Wohl für das höchste
Gesetz gilt.




Haxonica
4

uf dem von der Sozialdemokratie jüngst abgehaltnen sogenannten
Prenßentag ist zur Abwechslung anch einmal Preußen als der
sozialreaktionärste unter den deutschen Staaten bezeichnet worden.
Visher wurde diese Bezeichnung von der Sozialdemokratie immer
nur Sachsen beigelegt. Es ist daraus erkennbar, daß sichs bei
solchen Behauptungen für die Sozialdemokratie weniger um die Sache als um
den Gegner handelt, den sie jeweilig mit dieser Bezichtigung in der öffentlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 64, 1905, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341881_296764/299>, abgerufen am 05.02.2025.