Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Maßgebliches und Unmaßgebliches

Boden erhalten können, aus dem sie gewachsen sind. Eine Partei, die um der
Schöpfung des Reichs einen so bedeutenden Anteil hatte, durfte sich nicht liberalen
Theorien zuliebe in einen Gegensatz zu den auf die Stärkung des Reichs und
seiner Lebenskraft gerichteten Maßnahmen drängen lassen, leider hat auch das
Mr clöxit der persönlichen Verstimmung dabei eine große Rolle gespielt. Auch hier
heißt es: "Was du dem Augenblicke ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit Zurück."
Die nationalliberale Partei krankt fort und fort an den Folgen ihrer damaligen
Haltung und wird einen Aufschwung nur von bewegter" Zeitläuften erwarten
dürfen, vorausgesetzt, daß dann ihr Auftreten den Anforderungen männlicher Ent¬
schlossenheit und weitschauender, von Theorien unbeeinflußter Staatsklugheit ent¬
spricht. Wenn heute aus ihren Reihen und in ihren Blättern so lebhaft darüber
geklagt wird, daß das Zentrum die regierende Partei geworden sei, so geben die
Lehren der Geschichte die Antwort: I'na maxima, oulxa!




Urväterhort. Die Heldensagen der Germanen.


Unter diesem Titel
ist soeben im Verlage von Martin Oldenbourg in Berlin ein Gegenstück zu dein
seinerzeit anch in diesen Blättern ^s. Grenzboten 1900, IV, S. 484) angezeigten
Prachtwerk "Walhall" erschienen. Die an diesem gerügten Mängel in der künstle¬
rischen Ausführung lassen sich dem neuen Werke nicht nachsagen; vielmehr dürfen
wir von dem ebenso reich und glänzend ausgestatteten Werke rühmen, daß die in
Dreifarbendruck wiedcrgegebnen Bilder von Professor Max Koch, die das Sagen¬
buch schmücken und den Text sollen erläutern helfen, einfacher, ruhiger und vor¬
nehmer gehalten sind als die großspurigen Darstellungen aus der Göttersage, die
keineswegs auf einer Höhe standen mit dem durch seine Schlichtheit viel ein¬
drücklicher wirkenden Wort des Erzählers. Kochs Illustrationen sind nicht bloß
"farbenprächtig," sondern zumeist anch, und besonders im Landschaftlichen,
"stimmungsvoll und sprühen dramatisches Leben." Diesen Vorzug hebt Professor
Dr. A. Heusler, dessen Text der Maler verständnisvoll begleitet hat, im Vorwort
mit Recht hervor; denn ohne Zweifel ist eine Sagenwelt wie die altgermanische,
die so entschieden "das Dramatische dem Malerischen überordnet, den leidenschaft¬
lichen Ausspruch dem sinnlichen Bilde," für den Pinsel des Künstlers ein spröder
Stoff. Aber hier ist es dem Maler geglückt, besonders sprechende, inhaltvolle
Augenblicke der leidenschaftlich bewegten Handlung im Bilde festzubannen. Daß er
sich dem überliefernden Denkmal anzuschmiegen und auch im Bilde, wie der Er¬
zähler in seinen Berichten, das Kostüm zu wechseln verstanden hat, ist wohl auch
mit das Verdienst des gelehrten Führers; denn einen kundigern Dolmetsch, einen
geschickter" Ordner des überlieferten Stoffs und geschmackvollem Nacherzähler, der
sich freilich nicht an Knaben, sondern an reifere Leser wendet, hat unsre alte Sage
bisher schwerlich gesunden. Nachdem so mancher Unberufne die markigen Helden¬
geschichten der Vorzeit durch VerWässerung einer zum Teil ohnehin allzu wort¬
reichen Überlieferung ihres männlich herben, heroischen Charakters beraubt oder
durch allerlei Aufputz dem natürlichen Geschmack unbefangner Leser verleidet hat,
gibt hier ein gründlicher Kenner des germanischen Volksgeistes, der aus den
Quellen schöpft und diese sinnig zu deuten weiß, zugleich ein Gelehrter von feinem
dichterischen Anempfinder, die von der Poesie verklärten Heldengeschicke unsrer ger¬
manischen Vorfahren in schlichter aber fesselnder Nacherzählung wieder.

Heuslers Werk wiederholt nicht den oft gemachten Versuch, das Nibelungen¬
lied, die Gudrundichtung und die andern Sagen gleichsam mit Haut und Haaren
in halbdichterischer Prosa aufzulösen, er hat vielmehr den Inhalt von mehr als
dreißig Sagen, die in ihrem Werte so verschiedne Überlieferung sichtend, fäubernd
und ordnend, "in reinen Linien, in gedrungner Sprache und so die künstlerische
Größe dieser Sagen zur Geltung gebracht.!' Auch den erträglichsten unter den
bisher verbreiteten Prosawiedergaben ist eine gewisse Eintönigkeit des Vortrags


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Boden erhalten können, aus dem sie gewachsen sind. Eine Partei, die um der
Schöpfung des Reichs einen so bedeutenden Anteil hatte, durfte sich nicht liberalen
Theorien zuliebe in einen Gegensatz zu den auf die Stärkung des Reichs und
seiner Lebenskraft gerichteten Maßnahmen drängen lassen, leider hat auch das
Mr clöxit der persönlichen Verstimmung dabei eine große Rolle gespielt. Auch hier
heißt es: „Was du dem Augenblicke ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit Zurück."
Die nationalliberale Partei krankt fort und fort an den Folgen ihrer damaligen
Haltung und wird einen Aufschwung nur von bewegter» Zeitläuften erwarten
dürfen, vorausgesetzt, daß dann ihr Auftreten den Anforderungen männlicher Ent¬
schlossenheit und weitschauender, von Theorien unbeeinflußter Staatsklugheit ent¬
spricht. Wenn heute aus ihren Reihen und in ihren Blättern so lebhaft darüber
geklagt wird, daß das Zentrum die regierende Partei geworden sei, so geben die
Lehren der Geschichte die Antwort: I'na maxima, oulxa!




Urväterhort. Die Heldensagen der Germanen.


Unter diesem Titel
ist soeben im Verlage von Martin Oldenbourg in Berlin ein Gegenstück zu dein
seinerzeit anch in diesen Blättern ^s. Grenzboten 1900, IV, S. 484) angezeigten
Prachtwerk „Walhall" erschienen. Die an diesem gerügten Mängel in der künstle¬
rischen Ausführung lassen sich dem neuen Werke nicht nachsagen; vielmehr dürfen
wir von dem ebenso reich und glänzend ausgestatteten Werke rühmen, daß die in
Dreifarbendruck wiedcrgegebnen Bilder von Professor Max Koch, die das Sagen¬
buch schmücken und den Text sollen erläutern helfen, einfacher, ruhiger und vor¬
nehmer gehalten sind als die großspurigen Darstellungen aus der Göttersage, die
keineswegs auf einer Höhe standen mit dem durch seine Schlichtheit viel ein¬
drücklicher wirkenden Wort des Erzählers. Kochs Illustrationen sind nicht bloß
„farbenprächtig," sondern zumeist anch, und besonders im Landschaftlichen,
„stimmungsvoll und sprühen dramatisches Leben." Diesen Vorzug hebt Professor
Dr. A. Heusler, dessen Text der Maler verständnisvoll begleitet hat, im Vorwort
mit Recht hervor; denn ohne Zweifel ist eine Sagenwelt wie die altgermanische,
die so entschieden „das Dramatische dem Malerischen überordnet, den leidenschaft¬
lichen Ausspruch dem sinnlichen Bilde," für den Pinsel des Künstlers ein spröder
Stoff. Aber hier ist es dem Maler geglückt, besonders sprechende, inhaltvolle
Augenblicke der leidenschaftlich bewegten Handlung im Bilde festzubannen. Daß er
sich dem überliefernden Denkmal anzuschmiegen und auch im Bilde, wie der Er¬
zähler in seinen Berichten, das Kostüm zu wechseln verstanden hat, ist wohl auch
mit das Verdienst des gelehrten Führers; denn einen kundigern Dolmetsch, einen
geschickter» Ordner des überlieferten Stoffs und geschmackvollem Nacherzähler, der
sich freilich nicht an Knaben, sondern an reifere Leser wendet, hat unsre alte Sage
bisher schwerlich gesunden. Nachdem so mancher Unberufne die markigen Helden¬
geschichten der Vorzeit durch VerWässerung einer zum Teil ohnehin allzu wort¬
reichen Überlieferung ihres männlich herben, heroischen Charakters beraubt oder
durch allerlei Aufputz dem natürlichen Geschmack unbefangner Leser verleidet hat,
gibt hier ein gründlicher Kenner des germanischen Volksgeistes, der aus den
Quellen schöpft und diese sinnig zu deuten weiß, zugleich ein Gelehrter von feinem
dichterischen Anempfinder, die von der Poesie verklärten Heldengeschicke unsrer ger¬
manischen Vorfahren in schlichter aber fesselnder Nacherzählung wieder.

Heuslers Werk wiederholt nicht den oft gemachten Versuch, das Nibelungen¬
lied, die Gudrundichtung und die andern Sagen gleichsam mit Haut und Haaren
in halbdichterischer Prosa aufzulösen, er hat vielmehr den Inhalt von mehr als
dreißig Sagen, die in ihrem Werte so verschiedne Überlieferung sichtend, fäubernd
und ordnend, „in reinen Linien, in gedrungner Sprache und so die künstlerische
Größe dieser Sagen zur Geltung gebracht.!' Auch den erträglichsten unter den
bisher verbreiteten Prosawiedergaben ist eine gewisse Eintönigkeit des Vortrags


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0658" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295877"/>
            <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_3382" prev="#ID_3381"> Boden erhalten können, aus dem sie gewachsen sind. Eine Partei, die um der<lb/>
Schöpfung des Reichs einen so bedeutenden Anteil hatte, durfte sich nicht liberalen<lb/>
Theorien zuliebe in einen Gegensatz zu den auf die Stärkung des Reichs und<lb/>
seiner Lebenskraft gerichteten Maßnahmen drängen lassen, leider hat auch das<lb/>
Mr clöxit der persönlichen Verstimmung dabei eine große Rolle gespielt. Auch hier<lb/>
heißt es: &#x201E;Was du dem Augenblicke ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit Zurück."<lb/>
Die nationalliberale Partei krankt fort und fort an den Folgen ihrer damaligen<lb/>
Haltung und wird einen Aufschwung nur von bewegter» Zeitläuften erwarten<lb/>
dürfen, vorausgesetzt, daß dann ihr Auftreten den Anforderungen männlicher Ent¬<lb/>
schlossenheit und weitschauender, von Theorien unbeeinflußter Staatsklugheit ent¬<lb/>
spricht. Wenn heute aus ihren Reihen und in ihren Blättern so lebhaft darüber<lb/>
geklagt wird, daß das Zentrum die regierende Partei geworden sei, so geben die<lb/><note type="byline"/> Lehren der Geschichte die Antwort: I'na maxima, oulxa!</p><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> Urväterhort. Die Heldensagen der Germanen.</head>
            <p xml:id="ID_3383"><lb/>
Unter diesem Titel<lb/>
ist soeben im Verlage von Martin Oldenbourg in Berlin ein Gegenstück zu dein<lb/>
seinerzeit anch in diesen Blättern ^s. Grenzboten 1900, IV, S. 484) angezeigten<lb/>
Prachtwerk &#x201E;Walhall" erschienen. Die an diesem gerügten Mängel in der künstle¬<lb/>
rischen Ausführung lassen sich dem neuen Werke nicht nachsagen; vielmehr dürfen<lb/>
wir von dem ebenso reich und glänzend ausgestatteten Werke rühmen, daß die in<lb/>
Dreifarbendruck wiedcrgegebnen Bilder von Professor Max Koch, die das Sagen¬<lb/>
buch schmücken und den Text sollen erläutern helfen, einfacher, ruhiger und vor¬<lb/>
nehmer gehalten sind als die großspurigen Darstellungen aus der Göttersage, die<lb/>
keineswegs auf einer Höhe standen mit dem durch seine Schlichtheit viel ein¬<lb/>
drücklicher wirkenden Wort des Erzählers. Kochs Illustrationen sind nicht bloß<lb/>
&#x201E;farbenprächtig," sondern zumeist anch, und besonders im Landschaftlichen,<lb/>
&#x201E;stimmungsvoll und sprühen dramatisches Leben." Diesen Vorzug hebt Professor<lb/>
Dr. A. Heusler, dessen Text der Maler verständnisvoll begleitet hat, im Vorwort<lb/>
mit Recht hervor; denn ohne Zweifel ist eine Sagenwelt wie die altgermanische,<lb/>
die so entschieden &#x201E;das Dramatische dem Malerischen überordnet, den leidenschaft¬<lb/>
lichen Ausspruch dem sinnlichen Bilde," für den Pinsel des Künstlers ein spröder<lb/>
Stoff. Aber hier ist es dem Maler geglückt, besonders sprechende, inhaltvolle<lb/>
Augenblicke der leidenschaftlich bewegten Handlung im Bilde festzubannen. Daß er<lb/>
sich dem überliefernden Denkmal anzuschmiegen und auch im Bilde, wie der Er¬<lb/>
zähler in seinen Berichten, das Kostüm zu wechseln verstanden hat, ist wohl auch<lb/>
mit das Verdienst des gelehrten Führers; denn einen kundigern Dolmetsch, einen<lb/>
geschickter» Ordner des überlieferten Stoffs und geschmackvollem Nacherzähler, der<lb/>
sich freilich nicht an Knaben, sondern an reifere Leser wendet, hat unsre alte Sage<lb/>
bisher schwerlich gesunden. Nachdem so mancher Unberufne die markigen Helden¬<lb/>
geschichten der Vorzeit durch VerWässerung einer zum Teil ohnehin allzu wort¬<lb/>
reichen Überlieferung ihres männlich herben, heroischen Charakters beraubt oder<lb/>
durch allerlei Aufputz dem natürlichen Geschmack unbefangner Leser verleidet hat,<lb/>
gibt hier ein gründlicher Kenner des germanischen Volksgeistes, der aus den<lb/>
Quellen schöpft und diese sinnig zu deuten weiß, zugleich ein Gelehrter von feinem<lb/>
dichterischen Anempfinder, die von der Poesie verklärten Heldengeschicke unsrer ger¬<lb/>
manischen Vorfahren in schlichter aber fesselnder Nacherzählung wieder.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_3384" next="#ID_3385"> Heuslers Werk wiederholt nicht den oft gemachten Versuch, das Nibelungen¬<lb/>
lied, die Gudrundichtung und die andern Sagen gleichsam mit Haut und Haaren<lb/>
in halbdichterischer Prosa aufzulösen, er hat vielmehr den Inhalt von mehr als<lb/>
dreißig Sagen, die in ihrem Werte so verschiedne Überlieferung sichtend, fäubernd<lb/>
und ordnend, &#x201E;in reinen Linien, in gedrungner Sprache und so die künstlerische<lb/>
Größe dieser Sagen zur Geltung gebracht.!' Auch den erträglichsten unter den<lb/>
bisher verbreiteten Prosawiedergaben ist eine gewisse Eintönigkeit des Vortrags</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0658] Maßgebliches und Unmaßgebliches Boden erhalten können, aus dem sie gewachsen sind. Eine Partei, die um der Schöpfung des Reichs einen so bedeutenden Anteil hatte, durfte sich nicht liberalen Theorien zuliebe in einen Gegensatz zu den auf die Stärkung des Reichs und seiner Lebenskraft gerichteten Maßnahmen drängen lassen, leider hat auch das Mr clöxit der persönlichen Verstimmung dabei eine große Rolle gespielt. Auch hier heißt es: „Was du dem Augenblicke ausgeschlagen, bringt keine Ewigkeit Zurück." Die nationalliberale Partei krankt fort und fort an den Folgen ihrer damaligen Haltung und wird einen Aufschwung nur von bewegter» Zeitläuften erwarten dürfen, vorausgesetzt, daß dann ihr Auftreten den Anforderungen männlicher Ent¬ schlossenheit und weitschauender, von Theorien unbeeinflußter Staatsklugheit ent¬ spricht. Wenn heute aus ihren Reihen und in ihren Blättern so lebhaft darüber geklagt wird, daß das Zentrum die regierende Partei geworden sei, so geben die Lehren der Geschichte die Antwort: I'na maxima, oulxa! Urväterhort. Die Heldensagen der Germanen. Unter diesem Titel ist soeben im Verlage von Martin Oldenbourg in Berlin ein Gegenstück zu dein seinerzeit anch in diesen Blättern ^s. Grenzboten 1900, IV, S. 484) angezeigten Prachtwerk „Walhall" erschienen. Die an diesem gerügten Mängel in der künstle¬ rischen Ausführung lassen sich dem neuen Werke nicht nachsagen; vielmehr dürfen wir von dem ebenso reich und glänzend ausgestatteten Werke rühmen, daß die in Dreifarbendruck wiedcrgegebnen Bilder von Professor Max Koch, die das Sagen¬ buch schmücken und den Text sollen erläutern helfen, einfacher, ruhiger und vor¬ nehmer gehalten sind als die großspurigen Darstellungen aus der Göttersage, die keineswegs auf einer Höhe standen mit dem durch seine Schlichtheit viel ein¬ drücklicher wirkenden Wort des Erzählers. Kochs Illustrationen sind nicht bloß „farbenprächtig," sondern zumeist anch, und besonders im Landschaftlichen, „stimmungsvoll und sprühen dramatisches Leben." Diesen Vorzug hebt Professor Dr. A. Heusler, dessen Text der Maler verständnisvoll begleitet hat, im Vorwort mit Recht hervor; denn ohne Zweifel ist eine Sagenwelt wie die altgermanische, die so entschieden „das Dramatische dem Malerischen überordnet, den leidenschaft¬ lichen Ausspruch dem sinnlichen Bilde," für den Pinsel des Künstlers ein spröder Stoff. Aber hier ist es dem Maler geglückt, besonders sprechende, inhaltvolle Augenblicke der leidenschaftlich bewegten Handlung im Bilde festzubannen. Daß er sich dem überliefernden Denkmal anzuschmiegen und auch im Bilde, wie der Er¬ zähler in seinen Berichten, das Kostüm zu wechseln verstanden hat, ist wohl auch mit das Verdienst des gelehrten Führers; denn einen kundigern Dolmetsch, einen geschickter» Ordner des überlieferten Stoffs und geschmackvollem Nacherzähler, der sich freilich nicht an Knaben, sondern an reifere Leser wendet, hat unsre alte Sage bisher schwerlich gesunden. Nachdem so mancher Unberufne die markigen Helden¬ geschichten der Vorzeit durch VerWässerung einer zum Teil ohnehin allzu wort¬ reichen Überlieferung ihres männlich herben, heroischen Charakters beraubt oder durch allerlei Aufputz dem natürlichen Geschmack unbefangner Leser verleidet hat, gibt hier ein gründlicher Kenner des germanischen Volksgeistes, der aus den Quellen schöpft und diese sinnig zu deuten weiß, zugleich ein Gelehrter von feinem dichterischen Anempfinder, die von der Poesie verklärten Heldengeschicke unsrer ger¬ manischen Vorfahren in schlichter aber fesselnder Nacherzählung wieder. Heuslers Werk wiederholt nicht den oft gemachten Versuch, das Nibelungen¬ lied, die Gudrundichtung und die andern Sagen gleichsam mit Haut und Haaren in halbdichterischer Prosa aufzulösen, er hat vielmehr den Inhalt von mehr als dreißig Sagen, die in ihrem Werte so verschiedne Überlieferung sichtend, fäubernd und ordnend, „in reinen Linien, in gedrungner Sprache und so die künstlerische Größe dieser Sagen zur Geltung gebracht.!' Auch den erträglichsten unter den bisher verbreiteten Prosawiedergaben ist eine gewisse Eintönigkeit des Vortrags

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/658
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/658>, abgerufen am 26.06.2024.