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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Mein war jetzt kurz vor Nyborg, der Kellner machte die Runde um den
Tisch und nahm die Zahlung entgegen, und Blom erkundigte sich, wann die nächste
Fähre nach Korsör zurückgehe



Am Morgen nach Bloms Abreise erhielt Pardo eine Postkarte, auf der ge¬
schrieben stand:

Nachdem Ihr archäologischer Freund falschen Stand vor Stubberup genommen
hatte, ist er jetzt im Begriff, auf Rörvig anzuziehn, wo er -- nach zuvor einge-
zogner Erkundigung -- nachweisen zu können hofft, daß die Platte mit dem Kreuz
ein Bruchstück von Marsk Stigs Grabstein ist.

Pardo wollte seinen Augen nicht trauen. Vou einer bloßen Mystifikation
konnte ja nicht gut die Rede sein -- um allerwenigsten von Bloms Seite, da jn
Blom von der Annahme ausgehn mußte, daß Pardo ihn in der Vordingbvrger
Gegend glaubte --, was aber hatte Blom bewogen, Stubberup aufzugeben und
sich für Rörvig zu entscheiden, wer schickte ihm Nachricht hierüber, und woher wußte
der Unbekannte überhaupt von seiner Existenz?

Pardo sah nach dem Poststempel: Nyborg. Er betrachtete die Schrift: eine
feste und klare Hand, offenbar eine Damenhand, aber welcher Dame?

Plötzlich stand eine Erinnerung, der er bisher keinen weitern Gedanken ge¬
schenkt hatte, vor ihm auf -- ja, das war die einzige Erklärung!

Er ging spornstreichs zu Hessel und begann damit, ihn zu fragen, ob er
etwas von Blom gehört habe.

Nein, er hatte nichts gehört.

Was ist falschen Stand haben? fragte er weiter.

Wie kommst du darauf! -- Ein Hund hat falschen Stand, wenn er an solchen
Orten sucht, wo kein Wild ist.

Gut! Und daß er anzieht -- was bedeutet das?

Das heißt, daß er im Begriff ist, Fährte von etwas zu haben. Aber willst
du denn auf die Jagd, Mensch?

Nein, aber mich hat jemand nach den beiden Ausdrücken gefragt. Übrigens
verreise ich morgen.

Dn! Willst du auch nach Stubberup?

Nein, das gerade nicht, aber vorläufig kann ich dir nicht sagen, wohin ich gehe.

Weißt du, was ich glaube, Pardo? Ich glaube, du triffst schließlich doch
irgendwo mit Blom zusammen!

Ja, das will ich nicht verschwören!

Und dabei habe ich die ganze Zeit ein Gefühl, als reistet ihr beide in einer
heimlichen Mission für mich!

Das ist ja Unsinn!

Ja, das ist es gewissermaßen auch. Wann kommst du wieder?

Jn ein paar Tage", denke ich! Auf Wiedersehen, Ricks!

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Der Reichstag ist in die Ferien gegangen, Zeitungleser wie
Zeitungschreiber atmen tief auf. Die diesjährige Etatsdebatte hat uns so wenig
Nile d:e vorjährige aus dem Hause irgend eine Bereicherung der politischen Er-
k^ir,?' ^ "Weistümer" der Nation, gebracht. Von Bedeutung waren ans-
MieMch die Reden des Reichskanzlers und -- die vom Schatzsekretär geblasne


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Mein war jetzt kurz vor Nyborg, der Kellner machte die Runde um den
Tisch und nahm die Zahlung entgegen, und Blom erkundigte sich, wann die nächste
Fähre nach Korsör zurückgehe



Am Morgen nach Bloms Abreise erhielt Pardo eine Postkarte, auf der ge¬
schrieben stand:

Nachdem Ihr archäologischer Freund falschen Stand vor Stubberup genommen
hatte, ist er jetzt im Begriff, auf Rörvig anzuziehn, wo er — nach zuvor einge-
zogner Erkundigung — nachweisen zu können hofft, daß die Platte mit dem Kreuz
ein Bruchstück von Marsk Stigs Grabstein ist.

Pardo wollte seinen Augen nicht trauen. Vou einer bloßen Mystifikation
konnte ja nicht gut die Rede sein — um allerwenigsten von Bloms Seite, da jn
Blom von der Annahme ausgehn mußte, daß Pardo ihn in der Vordingbvrger
Gegend glaubte —, was aber hatte Blom bewogen, Stubberup aufzugeben und
sich für Rörvig zu entscheiden, wer schickte ihm Nachricht hierüber, und woher wußte
der Unbekannte überhaupt von seiner Existenz?

Pardo sah nach dem Poststempel: Nyborg. Er betrachtete die Schrift: eine
feste und klare Hand, offenbar eine Damenhand, aber welcher Dame?

Plötzlich stand eine Erinnerung, der er bisher keinen weitern Gedanken ge¬
schenkt hatte, vor ihm auf — ja, das war die einzige Erklärung!

Er ging spornstreichs zu Hessel und begann damit, ihn zu fragen, ob er
etwas von Blom gehört habe.

Nein, er hatte nichts gehört.

Was ist falschen Stand haben? fragte er weiter.

Wie kommst du darauf! — Ein Hund hat falschen Stand, wenn er an solchen
Orten sucht, wo kein Wild ist.

Gut! Und daß er anzieht — was bedeutet das?

Das heißt, daß er im Begriff ist, Fährte von etwas zu haben. Aber willst
du denn auf die Jagd, Mensch?

Nein, aber mich hat jemand nach den beiden Ausdrücken gefragt. Übrigens
verreise ich morgen.

Dn! Willst du auch nach Stubberup?

Nein, das gerade nicht, aber vorläufig kann ich dir nicht sagen, wohin ich gehe.

Weißt du, was ich glaube, Pardo? Ich glaube, du triffst schließlich doch
irgendwo mit Blom zusammen!

Ja, das will ich nicht verschwören!

Und dabei habe ich die ganze Zeit ein Gefühl, als reistet ihr beide in einer
heimlichen Mission für mich!

Das ist ja Unsinn!

Ja, das ist es gewissermaßen auch. Wann kommst du wieder?

Jn ein paar Tage», denke ich! Auf Wiedersehen, Ricks!

(Schluß folgt)




Maßgebliches und Unmaßgebliches
Reichsspiegel.

Der Reichstag ist in die Ferien gegangen, Zeitungleser wie
Zeitungschreiber atmen tief auf. Die diesjährige Etatsdebatte hat uns so wenig
Nile d:e vorjährige aus dem Hause irgend eine Bereicherung der politischen Er-
k^ir,?' ^ "Weistümer" der Nation, gebracht. Von Bedeutung waren ans-
MieMch die Reden des Reichskanzlers und — die vom Schatzsekretär geblasne


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[0654] Maßgebliches und Unmaßgebliches Mein war jetzt kurz vor Nyborg, der Kellner machte die Runde um den Tisch und nahm die Zahlung entgegen, und Blom erkundigte sich, wann die nächste Fähre nach Korsör zurückgehe Am Morgen nach Bloms Abreise erhielt Pardo eine Postkarte, auf der ge¬ schrieben stand: Nachdem Ihr archäologischer Freund falschen Stand vor Stubberup genommen hatte, ist er jetzt im Begriff, auf Rörvig anzuziehn, wo er — nach zuvor einge- zogner Erkundigung — nachweisen zu können hofft, daß die Platte mit dem Kreuz ein Bruchstück von Marsk Stigs Grabstein ist. Pardo wollte seinen Augen nicht trauen. Vou einer bloßen Mystifikation konnte ja nicht gut die Rede sein — um allerwenigsten von Bloms Seite, da jn Blom von der Annahme ausgehn mußte, daß Pardo ihn in der Vordingbvrger Gegend glaubte —, was aber hatte Blom bewogen, Stubberup aufzugeben und sich für Rörvig zu entscheiden, wer schickte ihm Nachricht hierüber, und woher wußte der Unbekannte überhaupt von seiner Existenz? Pardo sah nach dem Poststempel: Nyborg. Er betrachtete die Schrift: eine feste und klare Hand, offenbar eine Damenhand, aber welcher Dame? Plötzlich stand eine Erinnerung, der er bisher keinen weitern Gedanken ge¬ schenkt hatte, vor ihm auf — ja, das war die einzige Erklärung! Er ging spornstreichs zu Hessel und begann damit, ihn zu fragen, ob er etwas von Blom gehört habe. Nein, er hatte nichts gehört. Was ist falschen Stand haben? fragte er weiter. Wie kommst du darauf! — Ein Hund hat falschen Stand, wenn er an solchen Orten sucht, wo kein Wild ist. Gut! Und daß er anzieht — was bedeutet das? Das heißt, daß er im Begriff ist, Fährte von etwas zu haben. Aber willst du denn auf die Jagd, Mensch? Nein, aber mich hat jemand nach den beiden Ausdrücken gefragt. Übrigens verreise ich morgen. Dn! Willst du auch nach Stubberup? Nein, das gerade nicht, aber vorläufig kann ich dir nicht sagen, wohin ich gehe. Weißt du, was ich glaube, Pardo? Ich glaube, du triffst schließlich doch irgendwo mit Blom zusammen! Ja, das will ich nicht verschwören! Und dabei habe ich die ganze Zeit ein Gefühl, als reistet ihr beide in einer heimlichen Mission für mich! Das ist ja Unsinn! Ja, das ist es gewissermaßen auch. Wann kommst du wieder? Jn ein paar Tage», denke ich! Auf Wiedersehen, Ricks! (Schluß folgt) Maßgebliches und Unmaßgebliches Reichsspiegel. Der Reichstag ist in die Ferien gegangen, Zeitungleser wie Zeitungschreiber atmen tief auf. Die diesjährige Etatsdebatte hat uns so wenig Nile d:e vorjährige aus dem Hause irgend eine Bereicherung der politischen Er- k^ir,?' ^ "Weistümer" der Nation, gebracht. Von Bedeutung waren ans- MieMch die Reden des Reichskanzlers und — die vom Schatzsekretär geblasne

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/654>, abgerufen am 23.07.2024.