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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Damen auf Narkby

zwischen den Reihen treibt sich allerlei müßiges oder kauflustiges Volk herum, und
eine Gruppe grünbeturbanter Sofias steht an einer Ecke, während ein Imam oder
Otja mit weißem Turban und schwarzem Talar durch die Menge reitet, indem er
einen aufgespannten Sonnenschirm über sein ehrwürdiges Haupt hält. Selbstver¬
ständlich wimmelt es überall von Hunden.

(Fortsetzung folgt)




Die Dame?: auf Markby
Mathilde Mailing von (Fortsetzung)
16

lieber Gott, wie es aber jetzt schneit!

Elu stand, ratlos auf ihren Schlittschuhen balaneierend, mitten
! auf dem Teich. Auf den Knien vor ihr lag Hauptmann Arvid und
versuchte, den Riemen fester um ihre" Fuß zu schnallen. Er hatte
die Pelzmütze weit zurückgeschoben und schaute nun auf. Der Schnee
'wurde ihnen in großen losen Flocken gerade ins Gesicht geweht;
das Eis war schon ganz weiß.

Ja, man kann beinahe die Hand nicht vor den Augen sehen.
Und wo sind denn die andern? -- Elu stieß prüfend mit der Ferse auf das
Eis, ob der dumme Schlittschuh nun endlich einigermaßen festsitze.

Fort! antwortete er lakonisch. Bei so rasendem Wind im Rücken kommt man
in ein paar Minuten weit.

Können Sie gnr nichts mehr sehen? fragte Elu nervös.

Nicht einen Schein von ihnen. Das ist ja kein Schnee mehr -- es ist das
reine Wasser! Und, fügte er etwas langsamer, in seiner eigentümlich trägen Weise
hinzu, sie können wahrscheinlich auch uns nicht sehen.

Mit beiden Händen im Muff machte Elu versuchsweise ein paar gleitende
Züge. Es schneite auf einmal noch dichter.

Wäre es nicht am besten, wenn wir den Heimweg einschlugen, gnädiges
Frciuleiu? fragte er ruhig, nachdem sie beide einige Sekunden geschwiegen hatten.

Aber die andern? ... Julie tuum doch nicht gut ohne Sie nach dem Hof gehn!

Sie läuft ja mit Robert, warf er leicht hin, der wird sie schon heimbringen.

Nein, sie lief mit Erik, verbesserte Elu schnell, mit erregter Betonung.

Nun ja, dann war es eben Erik; das kommt auf eins heraus.

Elu erwiderte zuerst nichts darauf, aber dann sagte sie langsam, wie gegen
ihren Willen: Kommt es wirklich auf eins heraus?

Ja, antwortete er ruhig und bestimmt, aber in einem Tone, den sie nicht
ganz verstand.

Sie hatten nun -- gegen den Wind kreuzend -- den "Distelholm" erreicht,
eine kleine Felseninsel, wo im Sommer eine Menge Disteln wuchsen. Elu ergriff
einen langen abgebrochnen Ast, mit dessen Hilfe sie sich auf einen hervorspringenden
Felsblock schwang; hier setzte sie sich nieder.

Ich bin furchtbar müde, entschuldigte sie sich, nach Atem ringend, und der
elende Schlittschuh will gar nicht festsitzen.

Auch er stand nach einiger Anstrengung auf dem festen Boden und ließ sich


Die Damen auf Narkby

zwischen den Reihen treibt sich allerlei müßiges oder kauflustiges Volk herum, und
eine Gruppe grünbeturbanter Sofias steht an einer Ecke, während ein Imam oder
Otja mit weißem Turban und schwarzem Talar durch die Menge reitet, indem er
einen aufgespannten Sonnenschirm über sein ehrwürdiges Haupt hält. Selbstver¬
ständlich wimmelt es überall von Hunden.

(Fortsetzung folgt)




Die Dame?: auf Markby
Mathilde Mailing von (Fortsetzung)
16

lieber Gott, wie es aber jetzt schneit!

Elu stand, ratlos auf ihren Schlittschuhen balaneierend, mitten
! auf dem Teich. Auf den Knien vor ihr lag Hauptmann Arvid und
versuchte, den Riemen fester um ihre» Fuß zu schnallen. Er hatte
die Pelzmütze weit zurückgeschoben und schaute nun auf. Der Schnee
'wurde ihnen in großen losen Flocken gerade ins Gesicht geweht;
das Eis war schon ganz weiß.

Ja, man kann beinahe die Hand nicht vor den Augen sehen.
Und wo sind denn die andern? — Elu stieß prüfend mit der Ferse auf das
Eis, ob der dumme Schlittschuh nun endlich einigermaßen festsitze.

Fort! antwortete er lakonisch. Bei so rasendem Wind im Rücken kommt man
in ein paar Minuten weit.

Können Sie gnr nichts mehr sehen? fragte Elu nervös.

Nicht einen Schein von ihnen. Das ist ja kein Schnee mehr — es ist das
reine Wasser! Und, fügte er etwas langsamer, in seiner eigentümlich trägen Weise
hinzu, sie können wahrscheinlich auch uns nicht sehen.

Mit beiden Händen im Muff machte Elu versuchsweise ein paar gleitende
Züge. Es schneite auf einmal noch dichter.

Wäre es nicht am besten, wenn wir den Heimweg einschlugen, gnädiges
Frciuleiu? fragte er ruhig, nachdem sie beide einige Sekunden geschwiegen hatten.

Aber die andern? ... Julie tuum doch nicht gut ohne Sie nach dem Hof gehn!

Sie läuft ja mit Robert, warf er leicht hin, der wird sie schon heimbringen.

Nein, sie lief mit Erik, verbesserte Elu schnell, mit erregter Betonung.

Nun ja, dann war es eben Erik; das kommt auf eins heraus.

Elu erwiderte zuerst nichts darauf, aber dann sagte sie langsam, wie gegen
ihren Willen: Kommt es wirklich auf eins heraus?

Ja, antwortete er ruhig und bestimmt, aber in einem Tone, den sie nicht
ganz verstand.

Sie hatten nun — gegen den Wind kreuzend — den „Distelholm" erreicht,
eine kleine Felseninsel, wo im Sommer eine Menge Disteln wuchsen. Elu ergriff
einen langen abgebrochnen Ast, mit dessen Hilfe sie sich auf einen hervorspringenden
Felsblock schwang; hier setzte sie sich nieder.

Ich bin furchtbar müde, entschuldigte sie sich, nach Atem ringend, und der
elende Schlittschuh will gar nicht festsitzen.

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[0526] Die Damen auf Narkby zwischen den Reihen treibt sich allerlei müßiges oder kauflustiges Volk herum, und eine Gruppe grünbeturbanter Sofias steht an einer Ecke, während ein Imam oder Otja mit weißem Turban und schwarzem Talar durch die Menge reitet, indem er einen aufgespannten Sonnenschirm über sein ehrwürdiges Haupt hält. Selbstver¬ ständlich wimmelt es überall von Hunden. (Fortsetzung folgt) Die Dame?: auf Markby Mathilde Mailing von (Fortsetzung) 16 lieber Gott, wie es aber jetzt schneit! Elu stand, ratlos auf ihren Schlittschuhen balaneierend, mitten ! auf dem Teich. Auf den Knien vor ihr lag Hauptmann Arvid und versuchte, den Riemen fester um ihre» Fuß zu schnallen. Er hatte die Pelzmütze weit zurückgeschoben und schaute nun auf. Der Schnee 'wurde ihnen in großen losen Flocken gerade ins Gesicht geweht; das Eis war schon ganz weiß. Ja, man kann beinahe die Hand nicht vor den Augen sehen. Und wo sind denn die andern? — Elu stieß prüfend mit der Ferse auf das Eis, ob der dumme Schlittschuh nun endlich einigermaßen festsitze. Fort! antwortete er lakonisch. Bei so rasendem Wind im Rücken kommt man in ein paar Minuten weit. Können Sie gnr nichts mehr sehen? fragte Elu nervös. Nicht einen Schein von ihnen. Das ist ja kein Schnee mehr — es ist das reine Wasser! Und, fügte er etwas langsamer, in seiner eigentümlich trägen Weise hinzu, sie können wahrscheinlich auch uns nicht sehen. Mit beiden Händen im Muff machte Elu versuchsweise ein paar gleitende Züge. Es schneite auf einmal noch dichter. Wäre es nicht am besten, wenn wir den Heimweg einschlugen, gnädiges Frciuleiu? fragte er ruhig, nachdem sie beide einige Sekunden geschwiegen hatten. Aber die andern? ... Julie tuum doch nicht gut ohne Sie nach dem Hof gehn! Sie läuft ja mit Robert, warf er leicht hin, der wird sie schon heimbringen. Nein, sie lief mit Erik, verbesserte Elu schnell, mit erregter Betonung. Nun ja, dann war es eben Erik; das kommt auf eins heraus. Elu erwiderte zuerst nichts darauf, aber dann sagte sie langsam, wie gegen ihren Willen: Kommt es wirklich auf eins heraus? Ja, antwortete er ruhig und bestimmt, aber in einem Tone, den sie nicht ganz verstand. Sie hatten nun — gegen den Wind kreuzend — den „Distelholm" erreicht, eine kleine Felseninsel, wo im Sommer eine Menge Disteln wuchsen. Elu ergriff einen langen abgebrochnen Ast, mit dessen Hilfe sie sich auf einen hervorspringenden Felsblock schwang; hier setzte sie sich nieder. Ich bin furchtbar müde, entschuldigte sie sich, nach Atem ringend, und der elende Schlittschuh will gar nicht festsitzen. Auch er stand nach einiger Anstrengung auf dem festen Boden und ließ sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/526>, abgerufen am 23.07.2024.