Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.Die Damen auf Markby Mathilde Mailing von (Fortsetzung) 14 nlle saß in der grünen Stube und las in einem Buche. "Die Ein Stück weit vom Ofen entfernt in einem der dünnbeinigen Lehnsessel, die Da ging jemand durch die Bibliothek -- Mamsell wedelte trug mit dem Guten Tag. Julie. . . . Gut gut. Mamsell! . . . Pfui, schäme dich, alter Wie bist du hereingekommen? fragte sie. Auf die einfachste Weise, die Treppe herauf, durch die Flur und die Biblio¬ Erik, sagte Julie, ohne aufzusehen, aber sie wußte, daß sie sich Mühe gab, Die Damen auf Markby Mathilde Mailing von (Fortsetzung) 14 nlle saß in der grünen Stube und las in einem Buche. „Die Ein Stück weit vom Ofen entfernt in einem der dünnbeinigen Lehnsessel, die Da ging jemand durch die Bibliothek — Mamsell wedelte trug mit dem Guten Tag. Julie. . . . Gut gut. Mamsell! . . . Pfui, schäme dich, alter Wie bist du hereingekommen? fragte sie. Auf die einfachste Weise, die Treppe herauf, durch die Flur und die Biblio¬ Erik, sagte Julie, ohne aufzusehen, aber sie wußte, daß sie sich Mühe gab, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0464" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295683"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341879_295218/figures/grenzboten_341879_295218_295683_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Damen auf Markby<lb/><note type="byline"> Mathilde Mailing</note> von (Fortsetzung)</head><lb/> <div n="2"> <head> 14</head><lb/> <p xml:id="ID_2250"> nlle saß in der grünen Stube und las in einem Buche. „Die<lb/> grüne Stube," die schon in der Kinderzeit ihr Eldorado und ihre<lb/> Freistatt gewesen war, lag rechts von der Flur hinter der Bibliothek<lb/> und war in Wirklichkeit eins der ältesten und eigentümlichsten Ge¬<lb/> mächer des ganzen alten Markbyhofes. Es war groß und niedrig<lb/> wie all die andern auch und hatte einen riesigen Alkoven, worin<lb/> ein großes Himmelbett mit mächtigen vergoldeten Pfosten stand, das weiß lackiert<lb/> und fast ebenso breit wie lang war. Die Fenster, die freilich etwas sehr hoch über<lb/> dem Boden saßen, waren klein und breit, fast quadratisch, sodaß die Vorhänge nur<lb/> aus weißen, in Falten gelegten „Wolken" bestanden. Die Möbel, die seinerzeit<lb/> — vor hundert Jahren — direkt aus Frankreich verschrieben worden waren,<lb/> hatten Überzüge von gestreiftem seidnen VIsu-eÄsstg-Damast. Sie waren nun nach<lb/> moderner Art geschmackvoll gruppiert, und wegen des kalten Fußbodens war in der<lb/> letzten Zeit das ganze Zimmer mit einem hellen Brüsseler Teppich belegt worden.<lb/> Auf dem breiten Gesims des altmodischen grünen Tonofens stand eine Menge<lb/> Raritäten: Figuren aus Sevres und Meißen, kleine seltene Dosen und böhmische<lb/> Gläser sowie verschiedne Photographien von jungen Mädchen in modernen Rahmen.<lb/> Ein Relief, das eine Hirtin mit einem Lamm vorstellte, die vor einem pausbäckigen<lb/> Amor floh, schmückte die Vorderseite des Ofens. Darunter hatte ein Bruder Lustig<lb/> aus dem vorigen Jahrhundert, der es vielleicht auch verstanden hatte, einen Pinsel<lb/> zu führen, mit zolllangen schwarzen Buchstaben geschrieben:</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_7" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_2251"> Ein Stück weit vom Ofen entfernt in einem der dünnbeinigen Lehnsessel, die<lb/> im Rücken ein medaillonförmiges Polster hatten, saß nun Julie mit ihrem Buch.<lb/> Und mitten in dem schrägen, winterlich bleichen Sonnenstreifen vor ihren Füßen<lb/> lag wie gewöhnlich „Mamsell," der alte Jagdhund ihres Vaters.</p><lb/> <p xml:id="ID_2252"> Da ging jemand durch die Bibliothek — Mamsell wedelte trug mit dem<lb/> Schwänze, und Julie fuhr zusammen. Die Tür öffnete sich, und nun stand Julie<lb/> rasch auf,' es war Erik Briare in höchsteigner Person.</p><lb/> <p xml:id="ID_2253"> Guten Tag. Julie. . . . Gut gut. Mamsell! . . . Pfui, schäme dich, alter<lb/> Kerl! Er beugte sich über den Hund und streichelte ihn, kraute ihm freundlich<lb/> den Hals und sah Julie nicht recht an, die sich still, aber sehr blaß wieder ge¬<lb/> setzt hatte.</p><lb/> <p xml:id="ID_2254"> Wie bist du hereingekommen? fragte sie.</p><lb/> <p xml:id="ID_2255"> Auf die einfachste Weise, die Treppe herauf, durch die Flur und die Biblio¬<lb/> thek. Nirgends war ein Mensch zu entdecken, und da dachte ich mir . . . daß du<lb/> hier sein werdest.</p><lb/> <p xml:id="ID_2256"> Erik, sagte Julie, ohne aufzusehen, aber sie wußte, daß sie sich Mühe gab,<lb/> mit einer gewissen Würde zu sprechen, ich bin noch nie böse auf dich gewesen,<lb/> obgleich du es bei Gott oft verdient hättest! Aber jetzt . . .</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0464]
[Abbildung]
Die Damen auf Markby
Mathilde Mailing von (Fortsetzung)
14
nlle saß in der grünen Stube und las in einem Buche. „Die
grüne Stube," die schon in der Kinderzeit ihr Eldorado und ihre
Freistatt gewesen war, lag rechts von der Flur hinter der Bibliothek
und war in Wirklichkeit eins der ältesten und eigentümlichsten Ge¬
mächer des ganzen alten Markbyhofes. Es war groß und niedrig
wie all die andern auch und hatte einen riesigen Alkoven, worin
ein großes Himmelbett mit mächtigen vergoldeten Pfosten stand, das weiß lackiert
und fast ebenso breit wie lang war. Die Fenster, die freilich etwas sehr hoch über
dem Boden saßen, waren klein und breit, fast quadratisch, sodaß die Vorhänge nur
aus weißen, in Falten gelegten „Wolken" bestanden. Die Möbel, die seinerzeit
— vor hundert Jahren — direkt aus Frankreich verschrieben worden waren,
hatten Überzüge von gestreiftem seidnen VIsu-eÄsstg-Damast. Sie waren nun nach
moderner Art geschmackvoll gruppiert, und wegen des kalten Fußbodens war in der
letzten Zeit das ganze Zimmer mit einem hellen Brüsseler Teppich belegt worden.
Auf dem breiten Gesims des altmodischen grünen Tonofens stand eine Menge
Raritäten: Figuren aus Sevres und Meißen, kleine seltene Dosen und böhmische
Gläser sowie verschiedne Photographien von jungen Mädchen in modernen Rahmen.
Ein Relief, das eine Hirtin mit einem Lamm vorstellte, die vor einem pausbäckigen
Amor floh, schmückte die Vorderseite des Ofens. Darunter hatte ein Bruder Lustig
aus dem vorigen Jahrhundert, der es vielleicht auch verstanden hatte, einen Pinsel
zu führen, mit zolllangen schwarzen Buchstaben geschrieben:
Ein Stück weit vom Ofen entfernt in einem der dünnbeinigen Lehnsessel, die
im Rücken ein medaillonförmiges Polster hatten, saß nun Julie mit ihrem Buch.
Und mitten in dem schrägen, winterlich bleichen Sonnenstreifen vor ihren Füßen
lag wie gewöhnlich „Mamsell," der alte Jagdhund ihres Vaters.
Da ging jemand durch die Bibliothek — Mamsell wedelte trug mit dem
Schwänze, und Julie fuhr zusammen. Die Tür öffnete sich, und nun stand Julie
rasch auf,' es war Erik Briare in höchsteigner Person.
Guten Tag. Julie. . . . Gut gut. Mamsell! . . . Pfui, schäme dich, alter
Kerl! Er beugte sich über den Hund und streichelte ihn, kraute ihm freundlich
den Hals und sah Julie nicht recht an, die sich still, aber sehr blaß wieder ge¬
setzt hatte.
Wie bist du hereingekommen? fragte sie.
Auf die einfachste Weise, die Treppe herauf, durch die Flur und die Biblio¬
thek. Nirgends war ein Mensch zu entdecken, und da dachte ich mir . . . daß du
hier sein werdest.
Erik, sagte Julie, ohne aufzusehen, aber sie wußte, daß sie sich Mühe gab,
mit einer gewissen Würde zu sprechen, ich bin noch nie böse auf dich gewesen,
obgleich du es bei Gott oft verdient hättest! Aber jetzt . . .
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