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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Die Samen auf Markby

nur Koffer mit doppeltem Boden zu verwenden und besonders große und
wichtige Bücher direkt an die deutschen Konsulate, wo solche bestehn, voraus¬
zuschicken. Denn diese Sendungen dürfen von der türkischen Behörde nicht
geöffnet werden. Man muß eben zu solchen Mitteln greifen, wenn man unbe¬
helligt in der Türkei reisen will. So lange aber diese den freien und schnellen
Verkehr lähmenden mittelalterlichen Zustände noch bestehn, ist nicht daran zu
denken, daß die türkisch-griechische Inselwelt einem lebhafter" Reiseverkehr er¬
schlossen werde. Schluß folgt)



Die Damen auf Markby
Mathilde Matura von(Fortsetzung)
9

nlle war selbst in den Stall hinuntergegangen, um mit dem Pferde¬
knecht Ricks wegen einer bösen Wunde, die Elan am rechten Vorder¬
bein bekommen hatte, zu beratschlagen. Barhäuptig, einen Pelzkragen
um die Schultern und das Kleid ringsum aufgeschürzt, kniete sie in
dem Stande, während Ricks die trübe brennende Laterne fast ganz
auf den Boden hielt.

Es war ein altmodisches Stallgebäude aus Feldsteinen mit ellendicken Mauern
und einer elenden Beleuchtung durch kleine schmutzige, ovale Fenster. Der Boden
war mit runden Feldsteinen gepflastert, und über den breiten Ständen standen
die Namen der Pferde höchst primitiv auf aufgeleimter Pappe. Draußen in dem
Futterraum ging die Futterschneidemaschine ihren gleichmäßigen Gang, und vor
dem weit geöffneten gewölbten Tor hob sich der alte viereckige Brunnen von dem
sternhellen Abendhimmel ab.

In zugeknöpften Überrock, eine alte Dienstmütze aus dem Kopf, trat der Haupt¬
mann, ein Lied vor sich hin summend, aus der Sattelkammer neben dem Futter-
rcmm. Überrascht blieb er an dem Stande stehn, wo Ricks und Julie noch immer
bekümmert die Wunde des Pferdes untersuchten.

Aber liebstes Kind, warf ihr Arvid ein wenig väterlich vor. warum bittest
du denn nicht mich, es zu untersuche"?

Ach, sagte Julie sich aufrichtend und ihr Kleid loslassend. Ich habe zuerst
auch die Absicht gehabt, aber dann . . .

Du hättest ja nur jemand hinunterschicken oder an mein Fenster klopfen
dürfen! Er hatte Juliens Platz eingenommen und hob schon, während er sprach,
das Bein des Pferdes in die Höhe.

Julie hatte ein paar Stücke Zucker in der Tasche, die sie nun dem Tiere gab,
während sie still mit dem Kinn über dessen Mähne strich. Das Pferd rieb dank¬
bar den Kopf an ihrer Brust und Schulter.

Komm uun, Julie, Olga wartet gewiß mit dem Abendbrot auf uns.

Sie gingen über den großen, unregelmäßig gepflasterten Hofplatz. Die langen
Scheunen standen niedrig und dunkel unter dem sternfnnkelnden Herbsthimmel.
Einer der Knechte zog drüben Wasser aus dem Brunnen heraus, sodaß die Eisen¬
ketten an der Winde klirrten. Julie schaute im Vorübergehn durch die offne Tür
in den Kuhstall. Eine schläfrige Lampe hing an einem Nagel neben der Tür und
beleuchtete das Vieh, das in zwei langen Reihen in den Ständen stand oder lag,


Die Samen auf Markby

nur Koffer mit doppeltem Boden zu verwenden und besonders große und
wichtige Bücher direkt an die deutschen Konsulate, wo solche bestehn, voraus¬
zuschicken. Denn diese Sendungen dürfen von der türkischen Behörde nicht
geöffnet werden. Man muß eben zu solchen Mitteln greifen, wenn man unbe¬
helligt in der Türkei reisen will. So lange aber diese den freien und schnellen
Verkehr lähmenden mittelalterlichen Zustände noch bestehn, ist nicht daran zu
denken, daß die türkisch-griechische Inselwelt einem lebhafter» Reiseverkehr er¬
schlossen werde. Schluß folgt)



Die Damen auf Markby
Mathilde Matura von(Fortsetzung)
9

nlle war selbst in den Stall hinuntergegangen, um mit dem Pferde¬
knecht Ricks wegen einer bösen Wunde, die Elan am rechten Vorder¬
bein bekommen hatte, zu beratschlagen. Barhäuptig, einen Pelzkragen
um die Schultern und das Kleid ringsum aufgeschürzt, kniete sie in
dem Stande, während Ricks die trübe brennende Laterne fast ganz
auf den Boden hielt.

Es war ein altmodisches Stallgebäude aus Feldsteinen mit ellendicken Mauern
und einer elenden Beleuchtung durch kleine schmutzige, ovale Fenster. Der Boden
war mit runden Feldsteinen gepflastert, und über den breiten Ständen standen
die Namen der Pferde höchst primitiv auf aufgeleimter Pappe. Draußen in dem
Futterraum ging die Futterschneidemaschine ihren gleichmäßigen Gang, und vor
dem weit geöffneten gewölbten Tor hob sich der alte viereckige Brunnen von dem
sternhellen Abendhimmel ab.

In zugeknöpften Überrock, eine alte Dienstmütze aus dem Kopf, trat der Haupt¬
mann, ein Lied vor sich hin summend, aus der Sattelkammer neben dem Futter-
rcmm. Überrascht blieb er an dem Stande stehn, wo Ricks und Julie noch immer
bekümmert die Wunde des Pferdes untersuchten.

Aber liebstes Kind, warf ihr Arvid ein wenig väterlich vor. warum bittest
du denn nicht mich, es zu untersuche»?

Ach, sagte Julie sich aufrichtend und ihr Kleid loslassend. Ich habe zuerst
auch die Absicht gehabt, aber dann . . .

Du hättest ja nur jemand hinunterschicken oder an mein Fenster klopfen
dürfen! Er hatte Juliens Platz eingenommen und hob schon, während er sprach,
das Bein des Pferdes in die Höhe.

Julie hatte ein paar Stücke Zucker in der Tasche, die sie nun dem Tiere gab,
während sie still mit dem Kinn über dessen Mähne strich. Das Pferd rieb dank¬
bar den Kopf an ihrer Brust und Schulter.

Komm uun, Julie, Olga wartet gewiß mit dem Abendbrot auf uns.

Sie gingen über den großen, unregelmäßig gepflasterten Hofplatz. Die langen
Scheunen standen niedrig und dunkel unter dem sternfnnkelnden Herbsthimmel.
Einer der Knechte zog drüben Wasser aus dem Brunnen heraus, sodaß die Eisen¬
ketten an der Winde klirrten. Julie schaute im Vorübergehn durch die offne Tür
in den Kuhstall. Eine schläfrige Lampe hing an einem Nagel neben der Tür und
beleuchtete das Vieh, das in zwei langen Reihen in den Ständen stand oder lag,


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[0289] Die Samen auf Markby nur Koffer mit doppeltem Boden zu verwenden und besonders große und wichtige Bücher direkt an die deutschen Konsulate, wo solche bestehn, voraus¬ zuschicken. Denn diese Sendungen dürfen von der türkischen Behörde nicht geöffnet werden. Man muß eben zu solchen Mitteln greifen, wenn man unbe¬ helligt in der Türkei reisen will. So lange aber diese den freien und schnellen Verkehr lähmenden mittelalterlichen Zustände noch bestehn, ist nicht daran zu denken, daß die türkisch-griechische Inselwelt einem lebhafter» Reiseverkehr er¬ schlossen werde. Schluß folgt) [Abbildung] Die Damen auf Markby Mathilde Matura von(Fortsetzung) 9 nlle war selbst in den Stall hinuntergegangen, um mit dem Pferde¬ knecht Ricks wegen einer bösen Wunde, die Elan am rechten Vorder¬ bein bekommen hatte, zu beratschlagen. Barhäuptig, einen Pelzkragen um die Schultern und das Kleid ringsum aufgeschürzt, kniete sie in dem Stande, während Ricks die trübe brennende Laterne fast ganz auf den Boden hielt. Es war ein altmodisches Stallgebäude aus Feldsteinen mit ellendicken Mauern und einer elenden Beleuchtung durch kleine schmutzige, ovale Fenster. Der Boden war mit runden Feldsteinen gepflastert, und über den breiten Ständen standen die Namen der Pferde höchst primitiv auf aufgeleimter Pappe. Draußen in dem Futterraum ging die Futterschneidemaschine ihren gleichmäßigen Gang, und vor dem weit geöffneten gewölbten Tor hob sich der alte viereckige Brunnen von dem sternhellen Abendhimmel ab. In zugeknöpften Überrock, eine alte Dienstmütze aus dem Kopf, trat der Haupt¬ mann, ein Lied vor sich hin summend, aus der Sattelkammer neben dem Futter- rcmm. Überrascht blieb er an dem Stande stehn, wo Ricks und Julie noch immer bekümmert die Wunde des Pferdes untersuchten. Aber liebstes Kind, warf ihr Arvid ein wenig väterlich vor. warum bittest du denn nicht mich, es zu untersuche»? Ach, sagte Julie sich aufrichtend und ihr Kleid loslassend. Ich habe zuerst auch die Absicht gehabt, aber dann . . . Du hättest ja nur jemand hinunterschicken oder an mein Fenster klopfen dürfen! Er hatte Juliens Platz eingenommen und hob schon, während er sprach, das Bein des Pferdes in die Höhe. Julie hatte ein paar Stücke Zucker in der Tasche, die sie nun dem Tiere gab, während sie still mit dem Kinn über dessen Mähne strich. Das Pferd rieb dank¬ bar den Kopf an ihrer Brust und Schulter. Komm uun, Julie, Olga wartet gewiß mit dem Abendbrot auf uns. Sie gingen über den großen, unregelmäßig gepflasterten Hofplatz. Die langen Scheunen standen niedrig und dunkel unter dem sternfnnkelnden Herbsthimmel. Einer der Knechte zog drüben Wasser aus dem Brunnen heraus, sodaß die Eisen¬ ketten an der Winde klirrten. Julie schaute im Vorübergehn durch die offne Tür in den Kuhstall. Eine schläfrige Lampe hing an einem Nagel neben der Tür und beleuchtete das Vieh, das in zwei langen Reihen in den Ständen stand oder lag,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/289>, abgerufen am 26.06.2024.