Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.offiziere in der ungünstigen Lage jeder Minorität, Auch ist ihre "Rückständigkeit" Glücksinseln und Träume Friedrich Ratzel von (Fortsetzung) ^. Mit Aressensamen, der es schnell verrät . . . el den jungen Bäumen kommt es vor, daß sie auf eine harte Boden¬ offiziere in der ungünstigen Lage jeder Minorität, Auch ist ihre „Rückständigkeit" Glücksinseln und Träume Friedrich Ratzel von (Fortsetzung) ^. Mit Aressensamen, der es schnell verrät . . . el den jungen Bäumen kommt es vor, daß sie auf eine harte Boden¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0220" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/295439"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_983" prev="#ID_982"> offiziere in der ungünstigen Lage jeder Minorität, Auch ist ihre „Rückständigkeit"<lb/> gegenüber den übrigen Offizieren eine Folge der geschichtlichen Entwicklung aus<lb/> der Zeit, wo die Militärärzte zu den höhern Militürbeamten zählten, und unter<lb/> ihnen noch Leute von geringerer wissenschaftlicher Vorbildung angetroffen wurden.<lb/> Da solche längst aus ihren Reihen verschwunden sind, und nachdem durch Aller¬<lb/> höchste Entschließung nunmehr der Militärarzt seinen Funktionen entsprechend<lb/> vollberechtigt neben den übrigen Offizieren der Armee als Sanitätsoffizier<lb/> rangiert, ist kein erkennbarer Grund vorhanden, ihm ferner den vollen Genus;<lb/> derselben wirtschaftlichen Stellung und der berechtigt erscheinenden Prärogativen<lb/> seines Ranges vorzuenthalten.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Glücksinseln und Träume<lb/><note type="byline"> Friedrich Ratzel</note> von (Fortsetzung)<lb/> ^. Mit Aressensamen, der es schnell verrät . . .</head><lb/> <p xml:id="ID_984" next="#ID_985"> el den jungen Bäumen kommt es vor, daß sie auf eine harte Boden¬<lb/> schicht stoßen, die ihre Wurzeln nicht zu durchdringen vermögen, da<lb/> sieht man, wie plötzlich ihr Wachstum stockt; sie sterben nicht ab,<lb/> aber sie machen auch keine Fortschritte, denn es geht gegen ihre<lb/> Natur, die Nahrung in der Breite zu suchen. Wozu haben sie ihre<lb/> starken Wurzeln, als das; sie damit in die Tiefe gehn? Sie sollen sich<lb/> nicht bloß damit festhalten, sondern auch die Nahrung und die Feuchtigkeit in tiefern<lb/> Schichten erreichen. So werden nun ihre Schosse jeden Frühling dünner, ihre<lb/> Blätter bleiben klein, ihrer Blüten sind weniger, als es sein sollten, und die Früchte,<lb/> die sich daraus entwickeln, fallen zum größten Teil vor der Reife ab. Man sagt:<lb/> Das Bäumchen hat keinen Trieb. Da plötzlich ändert sich das alles: in einem<lb/> Frühling sproßt es stärker, sein Laub wird mehr und dunkler, seine Blütenfülle ist<lb/> unerhört und gibt die schönsten Hoffnungen für die Zeit der Reife. Es ist, wie<lb/> wenn eine Lust und Freude zu leben über das Vcinmchen gekommen Ware. Man<lb/> sagt jetzt: Es ist in den Schuß gekommen. Wie kam das? Seine eifrig suchenden<lb/> Wurzclfnsern haben eine Spalte in der Steinschicht des Bodens gefunden, sind<lb/> durchgedrungen, und nun erweitern fie die Spalte in fröhlichem Wachstuni und<lb/> speisen die letzten Zweige aus der frischen, inhaltreichen Nahrungsquelle, die sie<lb/> da unten erschlossen haben. So war es mir nach meinem gewagten Blausttnre-<lb/> experiment gegangen: es war da eine harte Zwischenschicht über meinen Lebens-<lb/> quellen gewesen, ich glaubte innerlichem Verschmachten nahe gekommen zu sein, und<lb/> nun plötzlich hatte sich in einer starken Krisis des Körpers und der Seele die Ver¬<lb/> bindung wiedergefunden. Und da in der Zeit des heftigsten Heimwehs die Seele in<lb/> sich zurückgescheucht worden war, streckte sie nun mit Wonne alle Fühler in die Welt<lb/> hinaus und suchte Anschluß an Licht und Luft, Fels und Baum, Blume und Biene,<lb/> und der Reichtum des Lebens übergrünte wie in einer fruchtbaren Sturmnacht<lb/> den Riß meines Innern. Ich wäre aber wohl nicht so rasch meiner harten, steinernen<lb/> Winterschale ganz ledig geworden, wenn ich nicht gerade in diesem Vorfrühling<lb/> Adalbert Stifter entdeckt hätte. Wie jeder Mensch von Gemüt lag ich nun an den<lb/> Bänden der „Studien," einem durstigen Wandrer an Quellen gleichend, und konnte<lb/> mich nicht satt trinken an dem klaren, frischen Tau ihrer schönen Worte. Ich schlug<lb/> zufällig im „Abdias" auf: ungewiß ist, ob sein Schicksal ein seltsameres Ding war</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0220]
offiziere in der ungünstigen Lage jeder Minorität, Auch ist ihre „Rückständigkeit"
gegenüber den übrigen Offizieren eine Folge der geschichtlichen Entwicklung aus
der Zeit, wo die Militärärzte zu den höhern Militürbeamten zählten, und unter
ihnen noch Leute von geringerer wissenschaftlicher Vorbildung angetroffen wurden.
Da solche längst aus ihren Reihen verschwunden sind, und nachdem durch Aller¬
höchste Entschließung nunmehr der Militärarzt seinen Funktionen entsprechend
vollberechtigt neben den übrigen Offizieren der Armee als Sanitätsoffizier
rangiert, ist kein erkennbarer Grund vorhanden, ihm ferner den vollen Genus;
derselben wirtschaftlichen Stellung und der berechtigt erscheinenden Prärogativen
seines Ranges vorzuenthalten.
Glücksinseln und Träume
Friedrich Ratzel von (Fortsetzung)
^. Mit Aressensamen, der es schnell verrät . . .
el den jungen Bäumen kommt es vor, daß sie auf eine harte Boden¬
schicht stoßen, die ihre Wurzeln nicht zu durchdringen vermögen, da
sieht man, wie plötzlich ihr Wachstum stockt; sie sterben nicht ab,
aber sie machen auch keine Fortschritte, denn es geht gegen ihre
Natur, die Nahrung in der Breite zu suchen. Wozu haben sie ihre
starken Wurzeln, als das; sie damit in die Tiefe gehn? Sie sollen sich
nicht bloß damit festhalten, sondern auch die Nahrung und die Feuchtigkeit in tiefern
Schichten erreichen. So werden nun ihre Schosse jeden Frühling dünner, ihre
Blätter bleiben klein, ihrer Blüten sind weniger, als es sein sollten, und die Früchte,
die sich daraus entwickeln, fallen zum größten Teil vor der Reife ab. Man sagt:
Das Bäumchen hat keinen Trieb. Da plötzlich ändert sich das alles: in einem
Frühling sproßt es stärker, sein Laub wird mehr und dunkler, seine Blütenfülle ist
unerhört und gibt die schönsten Hoffnungen für die Zeit der Reife. Es ist, wie
wenn eine Lust und Freude zu leben über das Vcinmchen gekommen Ware. Man
sagt jetzt: Es ist in den Schuß gekommen. Wie kam das? Seine eifrig suchenden
Wurzclfnsern haben eine Spalte in der Steinschicht des Bodens gefunden, sind
durchgedrungen, und nun erweitern fie die Spalte in fröhlichem Wachstuni und
speisen die letzten Zweige aus der frischen, inhaltreichen Nahrungsquelle, die sie
da unten erschlossen haben. So war es mir nach meinem gewagten Blausttnre-
experiment gegangen: es war da eine harte Zwischenschicht über meinen Lebens-
quellen gewesen, ich glaubte innerlichem Verschmachten nahe gekommen zu sein, und
nun plötzlich hatte sich in einer starken Krisis des Körpers und der Seele die Ver¬
bindung wiedergefunden. Und da in der Zeit des heftigsten Heimwehs die Seele in
sich zurückgescheucht worden war, streckte sie nun mit Wonne alle Fühler in die Welt
hinaus und suchte Anschluß an Licht und Luft, Fels und Baum, Blume und Biene,
und der Reichtum des Lebens übergrünte wie in einer fruchtbaren Sturmnacht
den Riß meines Innern. Ich wäre aber wohl nicht so rasch meiner harten, steinernen
Winterschale ganz ledig geworden, wenn ich nicht gerade in diesem Vorfrühling
Adalbert Stifter entdeckt hätte. Wie jeder Mensch von Gemüt lag ich nun an den
Bänden der „Studien," einem durstigen Wandrer an Quellen gleichend, und konnte
mich nicht satt trinken an dem klaren, frischen Tau ihrer schönen Worte. Ich schlug
zufällig im „Abdias" auf: ungewiß ist, ob sein Schicksal ein seltsameres Ding war
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