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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

Schusse, wie in einer eigentlichen ?uAna, Faustschläge anstelle. Was er aber im
Ernstfalle ausrichten würde, wie wenig, sobald Waffen und Geschütze gebraucht
werden, die persönliche Stärke in Betracht kommt, das liegt auf der Hand.

An einem Geschütze hat man offenbar etwas viel besseres als hundert Arme,
und wären sie noch so stark. Über ihre geringe Widerstandskraft ist kein Wort
weiter zu verlieren; es bleibt aber noch etwas andres zu erwägen. Was zunächst
an einem Werkzeug auffällt, ist seine Selbständigkeit. Es muß zwar in die Hand
genommen werden, es gehört aber nicht zur Hand. Ein Werkzeug besteht für sich,
es liegt vor uns wie ein besondres Wesen, wie ein Tier, wie ein Individuum;
es hat deshalb auch oft einen Namen wie ein Individuum, zum Beispiel das
Schwert Cids (Tizona) oder der Hammer Thors (Mjölnir) oder der Hammer
Krupps (Fritz). Die Faust ist ein Stück von uns. Nach der Faust brauchen wir
nicht erst zu greifen, wenn wir zuschlagen wollen, wir haben sie an und bet uns;
das ist ein Vorzug und ein Nachteil. Da sie uns angewachsen ist, können wir sie
nicht wegwerfen wie einen Stein oder eine Kugel; wir können sie nur in nächster
Nähe brauchen. Jede Fernwirkung ist bei den Organen ausgeschlossen, abgesehen
etwa von den Sprachorganen. Darum auch den menschlichen Geist in der Urzeit
nichts so anhaltend beschäftigt hat als die Erfindung von Fernwaffen, deren erste
der Stein gewesen ist. Freilich mag der Schlag oder der Stoß, den wir jemand
mit den Gliedmaßen versetzen, physiologisch betrachtet, auch eine Art Wurfbewegung
sein; man wirft sich ja in einen feindlichen Haufen, an den Kopf oder in die Arme.
Aber mit uns selber werfen wir nicht weit. Wie weit werfen wir denn? So weit
wie mit dem Türklopfer an der Haustür. Aber den Hammer vermögen wir auch
zu schleudern wie Gott Thor oder wie Briareus. Alle unsre Geschosse sind ja
weiter nichts als Hämmer oder Steine, die wir werfen, direkt oder indirekt.

Und wenn heutzutage ein japanischer oder ein russischer Kanonier mit der
Kartätsche oder mit dem Schrapnell hundert Kugeln auf einmal streut so ist er
,
Rudolf Rleinxaul ein moderner Briareus.


Ein italienisches Urteil über deutsche Musik.


Die Mozartfestspiele in
München haben einem Italiener -- Umberto Novati --, der darüber in Nummer 38
des ästig. vomönioa berichtet, nicht unbedingt gefallen. Zwar die Insze¬
nierung der Stücke und die Leistungen des Orchesters erfüllen ihn mit Bewun¬
derung, auch dem Genius Mozarts bringt er seine rückhaltlose Huldigung dar: er
gibt eine feine Charakteristik seiner Tonsprache und vergleicht ihren Eindruck geist¬
voll mit einem Gemälde Watteaus, der Abfahrt nach Cythera (l'ömdai'ouöment xour
VMsrv), wo sich nach dem Feste ein Maskenzug von einer blumigen Anhöhe herab¬
steigend einem Flusse zubewegt, um sich auf einer vergoldeten, blumengeschmückten
und erleuchteten Galeere nach dem unbekannten Cythera einzuschiffen, alle fröhlich
und doch nachdenklich, lächelnd und doch eine Träne im Auge, glücklich und doch
nicht völlig überzeugt von dem verheißnen Glück. Aber mit der Verkörperung des
musikalischen Gedankens des großen Meisters durch die Darsteller auf der Bühne
ist der Berichterstatter keineswegs einverstanden. "Ich bewundre, sagt er, die
Korrektheit ihres Gesanges, ihren gewissenhaften, unermüdlichen Fleiß, infolgedessen
jeder Künstler seine Rolle vollkommen beherrscht, aber ihre Art zu singen kann ich
so wenig bewundern wie ihre Stimme. Die rauhen und heisern Töne (1s roth
asxrs s enioooio), die aus den Kehlen dieser Sänger dringen, sind für ein ita¬
lienisches Ohr kaum erträglich, die Opern Mozarts müssen vielmehr gesungen
werden, wie man in Italien zu singen versteht, wenn der Künstler auf wohlfeile
Effekte verzichtet und sich darauf beschränkt, seine Partie nach den Absichten des
Komponisten wiederzugeben." Er spricht dann den Wunsch aus, die Direktion der
Scala möge ihre Absicht, den Don Juan und die Hochzeit des Figaro aufzuführen,
verwirklichen, und fährt fort: "Vielleicht können wir Italiener, die Wolfgang
Amadeus Mozart so sehr liebte, weil er seine musikalischen Gedanken großenteils


Maßgebliches und Unmaßgebliches

Schusse, wie in einer eigentlichen ?uAna, Faustschläge anstelle. Was er aber im
Ernstfalle ausrichten würde, wie wenig, sobald Waffen und Geschütze gebraucht
werden, die persönliche Stärke in Betracht kommt, das liegt auf der Hand.

An einem Geschütze hat man offenbar etwas viel besseres als hundert Arme,
und wären sie noch so stark. Über ihre geringe Widerstandskraft ist kein Wort
weiter zu verlieren; es bleibt aber noch etwas andres zu erwägen. Was zunächst
an einem Werkzeug auffällt, ist seine Selbständigkeit. Es muß zwar in die Hand
genommen werden, es gehört aber nicht zur Hand. Ein Werkzeug besteht für sich,
es liegt vor uns wie ein besondres Wesen, wie ein Tier, wie ein Individuum;
es hat deshalb auch oft einen Namen wie ein Individuum, zum Beispiel das
Schwert Cids (Tizona) oder der Hammer Thors (Mjölnir) oder der Hammer
Krupps (Fritz). Die Faust ist ein Stück von uns. Nach der Faust brauchen wir
nicht erst zu greifen, wenn wir zuschlagen wollen, wir haben sie an und bet uns;
das ist ein Vorzug und ein Nachteil. Da sie uns angewachsen ist, können wir sie
nicht wegwerfen wie einen Stein oder eine Kugel; wir können sie nur in nächster
Nähe brauchen. Jede Fernwirkung ist bei den Organen ausgeschlossen, abgesehen
etwa von den Sprachorganen. Darum auch den menschlichen Geist in der Urzeit
nichts so anhaltend beschäftigt hat als die Erfindung von Fernwaffen, deren erste
der Stein gewesen ist. Freilich mag der Schlag oder der Stoß, den wir jemand
mit den Gliedmaßen versetzen, physiologisch betrachtet, auch eine Art Wurfbewegung
sein; man wirft sich ja in einen feindlichen Haufen, an den Kopf oder in die Arme.
Aber mit uns selber werfen wir nicht weit. Wie weit werfen wir denn? So weit
wie mit dem Türklopfer an der Haustür. Aber den Hammer vermögen wir auch
zu schleudern wie Gott Thor oder wie Briareus. Alle unsre Geschosse sind ja
weiter nichts als Hämmer oder Steine, die wir werfen, direkt oder indirekt.

Und wenn heutzutage ein japanischer oder ein russischer Kanonier mit der
Kartätsche oder mit dem Schrapnell hundert Kugeln auf einmal streut so ist er
,
Rudolf Rleinxaul ein moderner Briareus.


Ein italienisches Urteil über deutsche Musik.


Die Mozartfestspiele in
München haben einem Italiener — Umberto Novati —, der darüber in Nummer 38
des ästig. vomönioa berichtet, nicht unbedingt gefallen. Zwar die Insze¬
nierung der Stücke und die Leistungen des Orchesters erfüllen ihn mit Bewun¬
derung, auch dem Genius Mozarts bringt er seine rückhaltlose Huldigung dar: er
gibt eine feine Charakteristik seiner Tonsprache und vergleicht ihren Eindruck geist¬
voll mit einem Gemälde Watteaus, der Abfahrt nach Cythera (l'ömdai'ouöment xour
VMsrv), wo sich nach dem Feste ein Maskenzug von einer blumigen Anhöhe herab¬
steigend einem Flusse zubewegt, um sich auf einer vergoldeten, blumengeschmückten
und erleuchteten Galeere nach dem unbekannten Cythera einzuschiffen, alle fröhlich
und doch nachdenklich, lächelnd und doch eine Träne im Auge, glücklich und doch
nicht völlig überzeugt von dem verheißnen Glück. Aber mit der Verkörperung des
musikalischen Gedankens des großen Meisters durch die Darsteller auf der Bühne
ist der Berichterstatter keineswegs einverstanden. „Ich bewundre, sagt er, die
Korrektheit ihres Gesanges, ihren gewissenhaften, unermüdlichen Fleiß, infolgedessen
jeder Künstler seine Rolle vollkommen beherrscht, aber ihre Art zu singen kann ich
so wenig bewundern wie ihre Stimme. Die rauhen und heisern Töne (1s roth
asxrs s enioooio), die aus den Kehlen dieser Sänger dringen, sind für ein ita¬
lienisches Ohr kaum erträglich, die Opern Mozarts müssen vielmehr gesungen
werden, wie man in Italien zu singen versteht, wenn der Künstler auf wohlfeile
Effekte verzichtet und sich darauf beschränkt, seine Partie nach den Absichten des
Komponisten wiederzugeben." Er spricht dann den Wunsch aus, die Direktion der
Scala möge ihre Absicht, den Don Juan und die Hochzeit des Figaro aufzuführen,
verwirklichen, und fährt fort: „Vielleicht können wir Italiener, die Wolfgang
Amadeus Mozart so sehr liebte, weil er seine musikalischen Gedanken großenteils


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[0185] Maßgebliches und Unmaßgebliches Schusse, wie in einer eigentlichen ?uAna, Faustschläge anstelle. Was er aber im Ernstfalle ausrichten würde, wie wenig, sobald Waffen und Geschütze gebraucht werden, die persönliche Stärke in Betracht kommt, das liegt auf der Hand. An einem Geschütze hat man offenbar etwas viel besseres als hundert Arme, und wären sie noch so stark. Über ihre geringe Widerstandskraft ist kein Wort weiter zu verlieren; es bleibt aber noch etwas andres zu erwägen. Was zunächst an einem Werkzeug auffällt, ist seine Selbständigkeit. Es muß zwar in die Hand genommen werden, es gehört aber nicht zur Hand. Ein Werkzeug besteht für sich, es liegt vor uns wie ein besondres Wesen, wie ein Tier, wie ein Individuum; es hat deshalb auch oft einen Namen wie ein Individuum, zum Beispiel das Schwert Cids (Tizona) oder der Hammer Thors (Mjölnir) oder der Hammer Krupps (Fritz). Die Faust ist ein Stück von uns. Nach der Faust brauchen wir nicht erst zu greifen, wenn wir zuschlagen wollen, wir haben sie an und bet uns; das ist ein Vorzug und ein Nachteil. Da sie uns angewachsen ist, können wir sie nicht wegwerfen wie einen Stein oder eine Kugel; wir können sie nur in nächster Nähe brauchen. Jede Fernwirkung ist bei den Organen ausgeschlossen, abgesehen etwa von den Sprachorganen. Darum auch den menschlichen Geist in der Urzeit nichts so anhaltend beschäftigt hat als die Erfindung von Fernwaffen, deren erste der Stein gewesen ist. Freilich mag der Schlag oder der Stoß, den wir jemand mit den Gliedmaßen versetzen, physiologisch betrachtet, auch eine Art Wurfbewegung sein; man wirft sich ja in einen feindlichen Haufen, an den Kopf oder in die Arme. Aber mit uns selber werfen wir nicht weit. Wie weit werfen wir denn? So weit wie mit dem Türklopfer an der Haustür. Aber den Hammer vermögen wir auch zu schleudern wie Gott Thor oder wie Briareus. Alle unsre Geschosse sind ja weiter nichts als Hämmer oder Steine, die wir werfen, direkt oder indirekt. Und wenn heutzutage ein japanischer oder ein russischer Kanonier mit der Kartätsche oder mit dem Schrapnell hundert Kugeln auf einmal streut so ist er , Rudolf Rleinxaul ein moderner Briareus. Ein italienisches Urteil über deutsche Musik. Die Mozartfestspiele in München haben einem Italiener — Umberto Novati —, der darüber in Nummer 38 des ästig. vomönioa berichtet, nicht unbedingt gefallen. Zwar die Insze¬ nierung der Stücke und die Leistungen des Orchesters erfüllen ihn mit Bewun¬ derung, auch dem Genius Mozarts bringt er seine rückhaltlose Huldigung dar: er gibt eine feine Charakteristik seiner Tonsprache und vergleicht ihren Eindruck geist¬ voll mit einem Gemälde Watteaus, der Abfahrt nach Cythera (l'ömdai'ouöment xour VMsrv), wo sich nach dem Feste ein Maskenzug von einer blumigen Anhöhe herab¬ steigend einem Flusse zubewegt, um sich auf einer vergoldeten, blumengeschmückten und erleuchteten Galeere nach dem unbekannten Cythera einzuschiffen, alle fröhlich und doch nachdenklich, lächelnd und doch eine Träne im Auge, glücklich und doch nicht völlig überzeugt von dem verheißnen Glück. Aber mit der Verkörperung des musikalischen Gedankens des großen Meisters durch die Darsteller auf der Bühne ist der Berichterstatter keineswegs einverstanden. „Ich bewundre, sagt er, die Korrektheit ihres Gesanges, ihren gewissenhaften, unermüdlichen Fleiß, infolgedessen jeder Künstler seine Rolle vollkommen beherrscht, aber ihre Art zu singen kann ich so wenig bewundern wie ihre Stimme. Die rauhen und heisern Töne (1s roth asxrs s enioooio), die aus den Kehlen dieser Sänger dringen, sind für ein ita¬ lienisches Ohr kaum erträglich, die Opern Mozarts müssen vielmehr gesungen werden, wie man in Italien zu singen versteht, wenn der Künstler auf wohlfeile Effekte verzichtet und sich darauf beschränkt, seine Partie nach den Absichten des Komponisten wiederzugeben." Er spricht dann den Wunsch aus, die Direktion der Scala möge ihre Absicht, den Don Juan und die Hochzeit des Figaro aufzuführen, verwirklichen, und fährt fort: „Vielleicht können wir Italiener, die Wolfgang Amadeus Mozart so sehr liebte, weil er seine musikalischen Gedanken großenteils

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_295218/185>, abgerufen am 23.07.2024.