Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Drittes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches Regimenter fehlen, außerdem weist die Infanterie gegenwartig schon ein Manko von Gesetzgebung und Richteramt. Es freut uns, daß unsre Ausführungen Maßgebliches und Unmaßgebliches Regimenter fehlen, außerdem weist die Infanterie gegenwartig schon ein Manko von Gesetzgebung und Richteramt. Es freut uns, daß unsre Ausführungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0126" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294543"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_531" prev="#ID_530"> Regimenter fehlen, außerdem weist die Infanterie gegenwartig schon ein Manko von<lb/> sechs- bis siebenhundert Leutnants bei dem ohnehin sehr knappen Etat von drei<lb/> statt vier Kompagnieoffizieren auf. Um diese Lücken zu füllen, wird man sich zu einer<lb/> Aufbesserung der Leutnantsgehalte entschließen müssen. Die in den Hamburger<lb/> Nachrichten befürwortete Erhöhung der Königszulage an unbemittelte, d. h. ohne<lb/> Zuschuß von den Eltern lebende Leutnants von zwanzig ans fünfundvierzig Mark<lb/> scheint kein genügendes Auskunftsmittel. Auch wird im Reichstage die Neigung,<lb/> die Gehälter zu erhöhen, größer sein als die Bereitwilligkeit, einen Unterstützungs¬<lb/> fonds zu schaffen. Dann wird sich auch der Zugang wieder vermehren, sodaß<lb/> vielleicht innerhalb fünf Jahren jede Kompagnie vier Leutnants ohne Abkommandierte<lb/> haben kann. Jetzt hat einen solchen Offizieretat mir das 1. Garderegiment (52).<lb/> Hat man diese Zahl erreicht, dann wird ebenso ein reichlicherer Urlaub wie eine<lb/> geringere geistige und körperliche Inanspruchnahme der durch die Einführung der<lb/> zweijährigen Dienstzeit aufs äußerste angespannten Hauptleute zu ermöglichen sein.<lb/> Gegen einen gesetzlichen Urlaub aber sollte sich eine verständige Reichstagsmehrheit<lb/> schon deshalb aussprechen, weil die Beurlaubungen im Heere wie in der Flotte von<lb/> den dienstlichen Erfordernissen abhängig sein müssen, und diese wiederum in nicht<lb/> geringem Grade von der politischen Lage beeinflußt werden. Die Truppen in den<lb/> Grenzprovinzen müssen binnen einer oft nur nach Stunden bemessenen Frist marsch¬<lb/> fertig sein, die Flotte kann binnen vierundzwanzig Stunden oder noch weniger dein<lb/> Feinde gegenüber sein. Wer sich der Offizierslaufbahn widmet, hat damit seine persön¬<lb/> lichen Interessen denen des Dienstes zum Opfer gebracht und weiß, daß er sich dieser<lb/> Notwendigkeit rücksichtslos unterordnen muß. Den Gegenwert dafür empfängt er<lb/> in den Ehrenrechten und Vorrechten, in dem Ansehen, deren sich der Offizierstand<lb/> in Deutschland erfreut. Mit einer gesetzlichen Festlegung des Urlaubs, die für die<lb/> Armee absolut unmöglich ist, würde der Offizier einfach in die Beamtenkategorien<lb/> eingereiht werden, die Offizierkorps würden die ersten sein, das abzulehnen. Zu<lb/> Zeiten Kaiser Wilhelms des Ersten und des alten Roous würde ein solcher Antrag<lb/> einer runden Absage begegnet sein, die heutige Armeeverwaltung wird dazu keine<lb/><note type="byline"> *H5</note> andre Stellung einnehmen</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> Gesetzgebung und Richteramt.</head> <p xml:id="ID_532" next="#ID_533"> Es freut uns, daß unsre Ausführungen<lb/> über Gesetzgebung und Richteramt in den Grenzboten vom 7. April an zuständiger<lb/> Stelle Beachtung gefunden haben (Schneider im „Recht" Ur. 11). Aber die<lb/> Kritik, die dort an einem Satze meiner Darlegung geübt wird, nötigt mich, den bean¬<lb/> standeten Gedanken näher zu entwickeln. Wie der Zusammenhang zeigt, lag es<lb/> nicht in unsrer Absicht, unser neues Bürgerliches Gesetzbuch, überhaupt unser<lb/> heutiges Recht, zu kritisieren, wohl aber die Schwerfälligkeit unsrer Gesetzgebung,<lb/> sobald es sich nicht um soziale oder politische, sondern um rein juristische, sozusagen<lb/> technische Materien handelt. Wir stellten unsern gesetzgebenden Orgarien die Nechts-<lb/> schöpfung gegenüber, die der römische Prtitvr durch sein Edikt vornahm, und von<lb/> der Sohm treffend sagt: „Es war ein Gesetzbuch, welches zugleich konservativ und<lb/> leicht veränderlich war, welches darum zugleich in den Erfahrungen der Vergangen¬<lb/> heit und in der lebendigen Bewegung der Gegenwart wurzelte" (Institutionen<lb/> S. 77). Daß einer solchen fortwährend fließenden Reformarbeit gegenüber die<lb/> verfassungsmäßige moderne Gesetzgebungsmaschine schwerfällig und oft unzulänglich<lb/> erscheint, das bedarf doch eigentlich keiner Darlegung. Die Folgen treten klar<lb/> zutage. Alles fließt; die Lebensverhältnisse, die sozialen und die sittlichen An¬<lb/> schauungen erleben Wandlungen, nur die Paragraphen bleiben stet. Unsre Zivil¬<lb/> prozeßordnung ist schon lange als reformbedürftig erkannt; gleichwohl entschließt<lb/> sich der Gesetzgeber nicht, sie zeitgemäß abzuändern; lieber werden dem ordentlichen<lb/> Richter wichtige Materien ganz entzogen und den politischen Parteien als Zank¬<lb/> apfel vorgeworfen. Unser Handelsgesetzbuch war lange Jahre rückständig, ehe es<lb/> im Jahre 1897 zur Umarbeitung kam. Schon im Jahre 1879 schrieb Heinrich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0126]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
Regimenter fehlen, außerdem weist die Infanterie gegenwartig schon ein Manko von
sechs- bis siebenhundert Leutnants bei dem ohnehin sehr knappen Etat von drei
statt vier Kompagnieoffizieren auf. Um diese Lücken zu füllen, wird man sich zu einer
Aufbesserung der Leutnantsgehalte entschließen müssen. Die in den Hamburger
Nachrichten befürwortete Erhöhung der Königszulage an unbemittelte, d. h. ohne
Zuschuß von den Eltern lebende Leutnants von zwanzig ans fünfundvierzig Mark
scheint kein genügendes Auskunftsmittel. Auch wird im Reichstage die Neigung,
die Gehälter zu erhöhen, größer sein als die Bereitwilligkeit, einen Unterstützungs¬
fonds zu schaffen. Dann wird sich auch der Zugang wieder vermehren, sodaß
vielleicht innerhalb fünf Jahren jede Kompagnie vier Leutnants ohne Abkommandierte
haben kann. Jetzt hat einen solchen Offizieretat mir das 1. Garderegiment (52).
Hat man diese Zahl erreicht, dann wird ebenso ein reichlicherer Urlaub wie eine
geringere geistige und körperliche Inanspruchnahme der durch die Einführung der
zweijährigen Dienstzeit aufs äußerste angespannten Hauptleute zu ermöglichen sein.
Gegen einen gesetzlichen Urlaub aber sollte sich eine verständige Reichstagsmehrheit
schon deshalb aussprechen, weil die Beurlaubungen im Heere wie in der Flotte von
den dienstlichen Erfordernissen abhängig sein müssen, und diese wiederum in nicht
geringem Grade von der politischen Lage beeinflußt werden. Die Truppen in den
Grenzprovinzen müssen binnen einer oft nur nach Stunden bemessenen Frist marsch¬
fertig sein, die Flotte kann binnen vierundzwanzig Stunden oder noch weniger dein
Feinde gegenüber sein. Wer sich der Offizierslaufbahn widmet, hat damit seine persön¬
lichen Interessen denen des Dienstes zum Opfer gebracht und weiß, daß er sich dieser
Notwendigkeit rücksichtslos unterordnen muß. Den Gegenwert dafür empfängt er
in den Ehrenrechten und Vorrechten, in dem Ansehen, deren sich der Offizierstand
in Deutschland erfreut. Mit einer gesetzlichen Festlegung des Urlaubs, die für die
Armee absolut unmöglich ist, würde der Offizier einfach in die Beamtenkategorien
eingereiht werden, die Offizierkorps würden die ersten sein, das abzulehnen. Zu
Zeiten Kaiser Wilhelms des Ersten und des alten Roous würde ein solcher Antrag
einer runden Absage begegnet sein, die heutige Armeeverwaltung wird dazu keine
*H5 andre Stellung einnehmen
Gesetzgebung und Richteramt. Es freut uns, daß unsre Ausführungen
über Gesetzgebung und Richteramt in den Grenzboten vom 7. April an zuständiger
Stelle Beachtung gefunden haben (Schneider im „Recht" Ur. 11). Aber die
Kritik, die dort an einem Satze meiner Darlegung geübt wird, nötigt mich, den bean¬
standeten Gedanken näher zu entwickeln. Wie der Zusammenhang zeigt, lag es
nicht in unsrer Absicht, unser neues Bürgerliches Gesetzbuch, überhaupt unser
heutiges Recht, zu kritisieren, wohl aber die Schwerfälligkeit unsrer Gesetzgebung,
sobald es sich nicht um soziale oder politische, sondern um rein juristische, sozusagen
technische Materien handelt. Wir stellten unsern gesetzgebenden Orgarien die Nechts-
schöpfung gegenüber, die der römische Prtitvr durch sein Edikt vornahm, und von
der Sohm treffend sagt: „Es war ein Gesetzbuch, welches zugleich konservativ und
leicht veränderlich war, welches darum zugleich in den Erfahrungen der Vergangen¬
heit und in der lebendigen Bewegung der Gegenwart wurzelte" (Institutionen
S. 77). Daß einer solchen fortwährend fließenden Reformarbeit gegenüber die
verfassungsmäßige moderne Gesetzgebungsmaschine schwerfällig und oft unzulänglich
erscheint, das bedarf doch eigentlich keiner Darlegung. Die Folgen treten klar
zutage. Alles fließt; die Lebensverhältnisse, die sozialen und die sittlichen An¬
schauungen erleben Wandlungen, nur die Paragraphen bleiben stet. Unsre Zivil¬
prozeßordnung ist schon lange als reformbedürftig erkannt; gleichwohl entschließt
sich der Gesetzgeber nicht, sie zeitgemäß abzuändern; lieber werden dem ordentlichen
Richter wichtige Materien ganz entzogen und den politischen Parteien als Zank¬
apfel vorgeworfen. Unser Handelsgesetzbuch war lange Jahre rückständig, ehe es
im Jahre 1897 zur Umarbeitung kam. Schon im Jahre 1879 schrieb Heinrich
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