Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.(<^Vielliebe, Werthe und Kaiserwürde und Kaisermacht n den Herbst- und den Wintermonaten des Jahres 1870, als zu Grenzboten II 1904 9
(<^Vielliebe, Werthe und Kaiserwürde und Kaisermacht n den Herbst- und den Wintermonaten des Jahres 1870, als zu Grenzboten II 1904 9
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[Abbildung]
(<^Vielliebe, Werthe und
Getreue^ hierdurch; thun
icvir Guck allen kund und zu
wissen: es ist unser ernster
rvunsch und N?ille, daß Ihr
Ü5und allezeit cyrch reynen LNundes und gesunder
Zahne befleyßiget, denn selbe synd gleichsam die
Grundveste von des Körpers und Geistes gedey-
licher VOohlfahrr, — daß Ihr insonderheit jeglichen Abend
vor Schlafengehen die Zahne seyn säuberlich puyen und
den Mund reyn machen möger, so am besten geschieht
mit dem vieledelen, alrrühmlichst bekannten ^(j)bot^/
welches iyr sowohl in deutschem als auch in welschem
K.ante von jedermann mir kurzen angewender und weyn
und dre^r höchlichst gepriesen wird.
Kaiserwürde und Kaisermacht
n den Herbst- und den Wintermonaten des Jahres 1870, als zu
Versailles die Wiedererneuerung von Kaiser und Reich betrieben
wurde, waren wie in den dortigen Hauptquartieren so auch in
ver deutschen Heimat die Meinungen namentlich darüber geteilt,
ob in der durch die neuen Verträge so stark geschmälerten Ver¬
fassung dem Neichsoberhaupt eine des deutschen Kaisers würdige Machtstellung
verbleibe. In Versailles sowohl als in der Heimat gab es viele, die der
König von Preußen als ein durch keine Bundesverfassung beeinträchtigter
Souverän machtvoller deuchte als das Bundesobcrhaupt oder der Kaiser, der
fortan für die höchste und verantwortuugsreichste aller monarchischen Funk¬
tionen, die Kriegserklärung, an die Zustimmung des Bundesrath gebunden
sein sollte und Gesetze, über die sich der Bundesrat und der Reichstag ge¬
einigt hatten, einfach vollziehn und publizieren mußte. Aus eigner Macht¬
vollkommenheit konnte „der Kaiser" als solcher nichts genehmigen und nichts
versagen, seine eigne Willensbetätigung bei der Gesetzgebung konnte er nur
als König von Preußen im Bundesrat üben. Blieb somit der Schwerpunkt
der kaiserlichen Gewalt ohnehin bei der preußischen Krone — so argumentierte
man wohl in den alten Provinzen Friedrichs des Großen —, wozu dann
die teilweise vorhandne Abdankung des preußischen Königtums vor einer kaiser¬
lichen Gemalt, die mit Bundesrat und Reichstag zu teilen hätte? Im Norddeutschen
Bunde war das bei der überragenden Schwerkraft des Preußische» Staats weniger
zu spüren gewesen; durch den Hinzutritt namentlich der beiden süddeutschen
Königreiche, die obendrein in den wichtigsten Punkten verweigerten, dein Reiche
zu geben, was des Reiches ist, bekam die Institution ein ganz andres Ge¬
präge. Der norddeutsche Bund hatte einen ziemlich unitarischcn Charakter,
von dem man annehmen durfte, daß er sich durch das Schwergewicht der
Dinge von Jahr zu Jahr mehr befestigen werde. Mit dem Eintritt der
Süddeutschen empfing der Bund dagegen ein föderatives Aussehen, es war
nicht ausgeschlossen, daß mit der Zeit diese Färbung noch intensiver werden
konnte, je nach der Stärke oder der Schwäche der Reichsgewalt. Daß man sich
in den bayrischen amtlichen Kreisen dieser Erwartung ernstlich hingab, hat
kein geringerer als der Ministerpräsident Graf Vray in seinen hinterlassenen
Grenzboten II 1904 9
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