Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Die Abnahme der Einwanderung in Südbrasilien Parlament wieder zu stärken und eine Massenherrschaft um jeden Preis zu Die Abnahme der Einwanderung in ^üdbrasilien UUM! üdbrcisilien wird heute von vielen Seiten als ein Auswanderungsziel Wenn sonst irgendwo ein neues Land besonders günstige Bedingungen Die Abnahme der Einwanderung in Südbrasilien Parlament wieder zu stärken und eine Massenherrschaft um jeden Preis zu Die Abnahme der Einwanderung in ^üdbrasilien UUM! üdbrcisilien wird heute von vielen Seiten als ein Auswanderungsziel Wenn sonst irgendwo ein neues Land besonders günstige Bedingungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0504" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/294123"/> <fw type="header" place="top"> Die Abnahme der Einwanderung in Südbrasilien</fw><lb/> <p xml:id="ID_2273" prev="#ID_2272"> Parlament wieder zu stärken und eine Massenherrschaft um jeden Preis zu<lb/> verhindern; denn es kommt im Staate niemals darauf an, das zu verwirklichen,<lb/> was die augenblickliche Mehrheit will oder angeblich will, sondern das für die<lb/> Gesamtheit Gerechte und Nützliche. K. Lamprecht (II. 2, 202 f.) glaubt eine<lb/> Umgestaltung der Volksvertretung im Anschluß an „die großen Verbände sozial¬<lb/> politischen Charakters," also eine Berufsvertretung einigermaßen analog den<lb/> alten Stünden voraussagen zu dürfen, bei der dann auch die mit dem Über¬<lb/> gewicht der materiellen Interessen allzusehr zurückgedrängten „spezifisch geistigen<lb/> Berufs klaffen, die Kopfarbeiter," wieder mehr zu Worte kommen würden, und<lb/> ähnliche Ansichten sind auch sonst schon aufgetaucht. Gar so lange wird die<lb/> Lösung dieser schwierigen Frage nicht mehr hinausgeschoben werden dürfen.<lb/> Jede Verfassung ist um des Staates und des Volkes willen da, nicht um¬<lb/> gekehrt, und das Volk ist nicht gleichbedeutend mit der zahlenmäßigen<lb/> M<note type="byline"> "</note> ehrheit. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Abnahme der Einwanderung in ^üdbrasilien</head><lb/> <p xml:id="ID_2274"> UUM! üdbrcisilien wird heute von vielen Seiten als ein Auswanderungsziel<lb/> angesehen, das mannigfache Vorzüge vor andern Auswanderungs¬<lb/> zielen habe. Merkwürdigerweise hat es nun den Anschein, als ob<lb/> die Auswanderung nach Südbrasilien um so schwächer werde, je<lb/> ! mehr das Land zur Niederlassung für Kolonisten angepriesen wird.<lb/> Der Staat Sav Paulo hatte früher schon eine Einwanderung von mehr als<lb/> 150000 Seelen jährlich, meistens Italienern, die sich als Plantagenarbeiter<lb/> verdingten. Im Jahre 1900 war diese Zahl auf 22000 gefallen, 1901 kamen<lb/> 71000, 1902 dagegen wieder nur 40000 an, darunter 29000 Italiener, 5000<lb/> Portugiesen, 3000 Brasilianer (aus andern Brasilstaaten zugewanderte), 2000<lb/> Spanier usw. Der Staat Santa Catharina hat in frühern Zeiten schon fast<lb/> 5000 Einwanderer in einem Jahre gehabt, meist Deutsche und Italiener. In<lb/> den letzten Jahren hielt sich die Einwandererzahl unterhalb 1000, zum größern<lb/> Teile waren es Deutsche. Der Staat Rio Grande do Suk hatte einst schon<lb/> eine Jahreseinwanderung von ebenfalls 5000 Seelen, in älterer Zeit meist<lb/> Deutsche, später auch zahlreiche Italiener. Seit Jahren schwankt aber die Ein¬<lb/> wanderung zwischen 1000 und 2000 Seelen und wird offenbar immer geringer.<lb/> Davon entfallen nur noch etwa 3 Prozent auf deutsche Einwanderer. Die meisten<lb/> sind Italiener und Portugiesen; Polen, Spanier, Griechen, Serben, Bulgaren,<lb/> Türken, Araber und ähnliche interessante Völkerschaften stellen den Nest.</p><lb/> <p xml:id="ID_2275" next="#ID_2276"> Wenn sonst irgendwo ein neues Land besonders günstige Bedingungen<lb/> für das Fortkommen von Einwanderern darbietet, so pflegt die Einwandererzahl<lb/> zuzunehmen, nicht aber zurückzugehn wie hier. Alle Kenner Brasiliens stimmen<lb/> in dem Urteil überein, daß diese günstigen Bedingungen früher zu finden<lb/> waren und auch in Zukunft voraussichtlich wieder zu finden sein werden. Der</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0504]
Die Abnahme der Einwanderung in Südbrasilien
Parlament wieder zu stärken und eine Massenherrschaft um jeden Preis zu
verhindern; denn es kommt im Staate niemals darauf an, das zu verwirklichen,
was die augenblickliche Mehrheit will oder angeblich will, sondern das für die
Gesamtheit Gerechte und Nützliche. K. Lamprecht (II. 2, 202 f.) glaubt eine
Umgestaltung der Volksvertretung im Anschluß an „die großen Verbände sozial¬
politischen Charakters," also eine Berufsvertretung einigermaßen analog den
alten Stünden voraussagen zu dürfen, bei der dann auch die mit dem Über¬
gewicht der materiellen Interessen allzusehr zurückgedrängten „spezifisch geistigen
Berufs klaffen, die Kopfarbeiter," wieder mehr zu Worte kommen würden, und
ähnliche Ansichten sind auch sonst schon aufgetaucht. Gar so lange wird die
Lösung dieser schwierigen Frage nicht mehr hinausgeschoben werden dürfen.
Jede Verfassung ist um des Staates und des Volkes willen da, nicht um¬
gekehrt, und das Volk ist nicht gleichbedeutend mit der zahlenmäßigen
M " ehrheit.
Die Abnahme der Einwanderung in ^üdbrasilien
UUM! üdbrcisilien wird heute von vielen Seiten als ein Auswanderungsziel
angesehen, das mannigfache Vorzüge vor andern Auswanderungs¬
zielen habe. Merkwürdigerweise hat es nun den Anschein, als ob
die Auswanderung nach Südbrasilien um so schwächer werde, je
! mehr das Land zur Niederlassung für Kolonisten angepriesen wird.
Der Staat Sav Paulo hatte früher schon eine Einwanderung von mehr als
150000 Seelen jährlich, meistens Italienern, die sich als Plantagenarbeiter
verdingten. Im Jahre 1900 war diese Zahl auf 22000 gefallen, 1901 kamen
71000, 1902 dagegen wieder nur 40000 an, darunter 29000 Italiener, 5000
Portugiesen, 3000 Brasilianer (aus andern Brasilstaaten zugewanderte), 2000
Spanier usw. Der Staat Santa Catharina hat in frühern Zeiten schon fast
5000 Einwanderer in einem Jahre gehabt, meist Deutsche und Italiener. In
den letzten Jahren hielt sich die Einwandererzahl unterhalb 1000, zum größern
Teile waren es Deutsche. Der Staat Rio Grande do Suk hatte einst schon
eine Jahreseinwanderung von ebenfalls 5000 Seelen, in älterer Zeit meist
Deutsche, später auch zahlreiche Italiener. Seit Jahren schwankt aber die Ein¬
wanderung zwischen 1000 und 2000 Seelen und wird offenbar immer geringer.
Davon entfallen nur noch etwa 3 Prozent auf deutsche Einwanderer. Die meisten
sind Italiener und Portugiesen; Polen, Spanier, Griechen, Serben, Bulgaren,
Türken, Araber und ähnliche interessante Völkerschaften stellen den Nest.
Wenn sonst irgendwo ein neues Land besonders günstige Bedingungen
für das Fortkommen von Einwanderern darbietet, so pflegt die Einwandererzahl
zuzunehmen, nicht aber zurückzugehn wie hier. Alle Kenner Brasiliens stimmen
in dem Urteil überein, daß diese günstigen Bedingungen früher zu finden
waren und auch in Zukunft voraussichtlich wieder zu finden sein werden. Der
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