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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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ohnehin geschah und geschehn mußte. Das Einzige, was ich mir dort etwas anders
gewünscht hätte, war unsre wirtschaftliche Lage. Die Knappheit unsrer Mittel legte
uns in Hannover, wo wir in den ersten Kreisen des Beamtentums und der Stadt
verkehrten, gewisse Beschränkungen auf, unter denen ich namentlich meine wirt¬
schaftlich äußerst gewissenhafte Frau, auch wem: sie nicht darüber klagte, leiden sah.
Unter diesen Umständen erfüllte mich der Gedanke an Düsseldorf doch zuweilen mit
bangen Besorgnissen. Aber die bisherigen Erfahrungen, daß wir schließlich nie
wirklichen Mangel gelitten hatten, daß es vielmehr immer gelungen war, das
Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgabe" und eine vollkommen geordnete
Wirtschaft aufrecht zu erhalten, und daß wir, wenn wirklich einmal Not zu drohe"
schien, durch plötzliche und unerwartete Hilfe immer wieder ganz erträglich zurecht
gekommen waren, beschwichtigten meine Besorgnisse. Ich sagte also weder dem Ober¬
präsidenten noch einem andern etwas von meinen Sorgen, wenn ich auch im
tiefsten Herzen Wohl den geheimen Wunsch hegen mochte, daß mir die fragwürdige
Beförderung nach Düsseldorf erspart bleiben möchte. Wäre die Berufung gekommen,
so wäre ich hingegangen; aber in: tiefsten Herzen wünschte ich, daß sie nicht
kommen möchte.

Da erhielt ich am 14. Juli 1876 ganz unerwartet einen Brief des Unter¬
staatssekretärs im Kultusministerium Dr. Sydow mit der Anfrage, ob ich geneigt
sei, die durch deu Übertritt des Geheimen Oberrcgieruugsrats Dahrenstcidt in das
Oberverwaltungsgericht zum 1. Oktober frei werdende Stelle eines Vortragenden
Rats im Kultusministerium anzunehmen, vorläufig natürlich kommissarisch, also auf
Probe. Das Gehalt der Stelle betrug 7500 Mark (später aufsteigend bis
9900 Mary und der Wohnnngsgeldzuschuß 1200 Mark. Das war ja die beste
Lösung, die kommen konnte. Ich zweifelte nicht einen Augenblick, daß ich an¬
nehmen müsse. Auch der warme Ton, den ich in dem Schreiben Shdows fand,
tat mir wohl. Er schrieb, ich sei ihm nicht mehr fremd. Unsre persönliche Be¬
gegnung vor etwa drei Jahren sei zwar nur eine flüchtige gewesen. Aus vielen
Arbeiten und aus den Urteilen derer, die mich näher kannten, sei ich ihm wert
geworden, und er sei überzeugt, auch der Herr Minister, der zurzeit auf Urlaub
sei, werde, wenn er seine Wahl auf mich lenke, mir mit unbedingtem Vertrauen
entgegenkommen. Ich aber werde in ein tüchtiges, durch die Namen Lucanus und
Barkhausen mir zum Teil recht nahe stehendes Kollegium eintreten. Wenn auch
meine Beziehungen zu dem Geheimen Rat Lucanus nur locker waren, so waren die
zu meinem alten Universitätsfreunde Barkhansen desto wärmer. Selbstverständlich ging
ich sofort zu meinem Chef, zeigte ihm den Sydowschen Brief und bat um seinen
Rat. Der Oberpräsident sagte mir, er sei in solchen Dingen Fatalist, die Be¬
rufung nach Düsseldorf sei noch ganz unsicher, er würde einfach auf die Sydowsche
Offerte eingehn. Das tat ich denn auch und wurde zu Anfang des Monats Sep¬
tember nach Berlin berufen. In Hannover wurde ich in üblicher Weise weg¬
gegessen, und am 7. September ging ich -- zunächst allein und ohne die Mei¬
nigen -- nach Berlin, wo ich in der Potsdamer Straße eine sehr behagliche
möblierte Wohnung fand. Harmlos und "mit rührender Unbefangenheit" trat ich
in den großen Kreis neuer Kollegen und Aufgaben ein. Ansprüche hatte ich nicht
und machte ich nicht. Was mich beherrschte und mein Leben bestimmte, war der
Gedanke an Pflicht und Schuldigkeit. So war ich in den großen Strom des
hauptstädtischen Lebens eingemündet.


Zwei Jahre im Kultusministerium (^376 bis 1.878)

Der Minister Falk zeigte sich, als ich mich zu Anfang September 1876 bei
ihm meldete, ernst, aber gütig und freundlich. Am meisten Zutrauen gewann ich
zu dem Unterstaatssekretär Sydow, der mich mit einer gewissen väterlichen Zu¬
neigung behandelte, die mir wohl tat. Er war von unnatürlich kleiner und über¬
dies gebrechlicher Gestalt, aber nicht bloß ein bedeutender Mann und ungewöhnlich


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ohnehin geschah und geschehn mußte. Das Einzige, was ich mir dort etwas anders
gewünscht hätte, war unsre wirtschaftliche Lage. Die Knappheit unsrer Mittel legte
uns in Hannover, wo wir in den ersten Kreisen des Beamtentums und der Stadt
verkehrten, gewisse Beschränkungen auf, unter denen ich namentlich meine wirt¬
schaftlich äußerst gewissenhafte Frau, auch wem: sie nicht darüber klagte, leiden sah.
Unter diesen Umständen erfüllte mich der Gedanke an Düsseldorf doch zuweilen mit
bangen Besorgnissen. Aber die bisherigen Erfahrungen, daß wir schließlich nie
wirklichen Mangel gelitten hatten, daß es vielmehr immer gelungen war, das
Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgabe» und eine vollkommen geordnete
Wirtschaft aufrecht zu erhalten, und daß wir, wenn wirklich einmal Not zu drohe»
schien, durch plötzliche und unerwartete Hilfe immer wieder ganz erträglich zurecht
gekommen waren, beschwichtigten meine Besorgnisse. Ich sagte also weder dem Ober¬
präsidenten noch einem andern etwas von meinen Sorgen, wenn ich auch im
tiefsten Herzen Wohl den geheimen Wunsch hegen mochte, daß mir die fragwürdige
Beförderung nach Düsseldorf erspart bleiben möchte. Wäre die Berufung gekommen,
so wäre ich hingegangen; aber in: tiefsten Herzen wünschte ich, daß sie nicht
kommen möchte.

Da erhielt ich am 14. Juli 1876 ganz unerwartet einen Brief des Unter¬
staatssekretärs im Kultusministerium Dr. Sydow mit der Anfrage, ob ich geneigt
sei, die durch deu Übertritt des Geheimen Oberrcgieruugsrats Dahrenstcidt in das
Oberverwaltungsgericht zum 1. Oktober frei werdende Stelle eines Vortragenden
Rats im Kultusministerium anzunehmen, vorläufig natürlich kommissarisch, also auf
Probe. Das Gehalt der Stelle betrug 7500 Mark (später aufsteigend bis
9900 Mary und der Wohnnngsgeldzuschuß 1200 Mark. Das war ja die beste
Lösung, die kommen konnte. Ich zweifelte nicht einen Augenblick, daß ich an¬
nehmen müsse. Auch der warme Ton, den ich in dem Schreiben Shdows fand,
tat mir wohl. Er schrieb, ich sei ihm nicht mehr fremd. Unsre persönliche Be¬
gegnung vor etwa drei Jahren sei zwar nur eine flüchtige gewesen. Aus vielen
Arbeiten und aus den Urteilen derer, die mich näher kannten, sei ich ihm wert
geworden, und er sei überzeugt, auch der Herr Minister, der zurzeit auf Urlaub
sei, werde, wenn er seine Wahl auf mich lenke, mir mit unbedingtem Vertrauen
entgegenkommen. Ich aber werde in ein tüchtiges, durch die Namen Lucanus und
Barkhausen mir zum Teil recht nahe stehendes Kollegium eintreten. Wenn auch
meine Beziehungen zu dem Geheimen Rat Lucanus nur locker waren, so waren die
zu meinem alten Universitätsfreunde Barkhansen desto wärmer. Selbstverständlich ging
ich sofort zu meinem Chef, zeigte ihm den Sydowschen Brief und bat um seinen
Rat. Der Oberpräsident sagte mir, er sei in solchen Dingen Fatalist, die Be¬
rufung nach Düsseldorf sei noch ganz unsicher, er würde einfach auf die Sydowsche
Offerte eingehn. Das tat ich denn auch und wurde zu Anfang des Monats Sep¬
tember nach Berlin berufen. In Hannover wurde ich in üblicher Weise weg¬
gegessen, und am 7. September ging ich — zunächst allein und ohne die Mei¬
nigen — nach Berlin, wo ich in der Potsdamer Straße eine sehr behagliche
möblierte Wohnung fand. Harmlos und „mit rührender Unbefangenheit" trat ich
in den großen Kreis neuer Kollegen und Aufgaben ein. Ansprüche hatte ich nicht
und machte ich nicht. Was mich beherrschte und mein Leben bestimmte, war der
Gedanke an Pflicht und Schuldigkeit. So war ich in den großen Strom des
hauptstädtischen Lebens eingemündet.


Zwei Jahre im Kultusministerium (^376 bis 1.878)

Der Minister Falk zeigte sich, als ich mich zu Anfang September 1876 bei
ihm meldete, ernst, aber gütig und freundlich. Am meisten Zutrauen gewann ich
zu dem Unterstaatssekretär Sydow, der mich mit einer gewissen väterlichen Zu¬
neigung behandelte, die mir wohl tat. Er war von unnatürlich kleiner und über¬
dies gebrechlicher Gestalt, aber nicht bloß ein bedeutender Mann und ungewöhnlich


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[0038] LrimlWmigeu ohnehin geschah und geschehn mußte. Das Einzige, was ich mir dort etwas anders gewünscht hätte, war unsre wirtschaftliche Lage. Die Knappheit unsrer Mittel legte uns in Hannover, wo wir in den ersten Kreisen des Beamtentums und der Stadt verkehrten, gewisse Beschränkungen auf, unter denen ich namentlich meine wirt¬ schaftlich äußerst gewissenhafte Frau, auch wem: sie nicht darüber klagte, leiden sah. Unter diesen Umständen erfüllte mich der Gedanke an Düsseldorf doch zuweilen mit bangen Besorgnissen. Aber die bisherigen Erfahrungen, daß wir schließlich nie wirklichen Mangel gelitten hatten, daß es vielmehr immer gelungen war, das Gleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgabe» und eine vollkommen geordnete Wirtschaft aufrecht zu erhalten, und daß wir, wenn wirklich einmal Not zu drohe» schien, durch plötzliche und unerwartete Hilfe immer wieder ganz erträglich zurecht gekommen waren, beschwichtigten meine Besorgnisse. Ich sagte also weder dem Ober¬ präsidenten noch einem andern etwas von meinen Sorgen, wenn ich auch im tiefsten Herzen Wohl den geheimen Wunsch hegen mochte, daß mir die fragwürdige Beförderung nach Düsseldorf erspart bleiben möchte. Wäre die Berufung gekommen, so wäre ich hingegangen; aber in: tiefsten Herzen wünschte ich, daß sie nicht kommen möchte. Da erhielt ich am 14. Juli 1876 ganz unerwartet einen Brief des Unter¬ staatssekretärs im Kultusministerium Dr. Sydow mit der Anfrage, ob ich geneigt sei, die durch deu Übertritt des Geheimen Oberrcgieruugsrats Dahrenstcidt in das Oberverwaltungsgericht zum 1. Oktober frei werdende Stelle eines Vortragenden Rats im Kultusministerium anzunehmen, vorläufig natürlich kommissarisch, also auf Probe. Das Gehalt der Stelle betrug 7500 Mark (später aufsteigend bis 9900 Mary und der Wohnnngsgeldzuschuß 1200 Mark. Das war ja die beste Lösung, die kommen konnte. Ich zweifelte nicht einen Augenblick, daß ich an¬ nehmen müsse. Auch der warme Ton, den ich in dem Schreiben Shdows fand, tat mir wohl. Er schrieb, ich sei ihm nicht mehr fremd. Unsre persönliche Be¬ gegnung vor etwa drei Jahren sei zwar nur eine flüchtige gewesen. Aus vielen Arbeiten und aus den Urteilen derer, die mich näher kannten, sei ich ihm wert geworden, und er sei überzeugt, auch der Herr Minister, der zurzeit auf Urlaub sei, werde, wenn er seine Wahl auf mich lenke, mir mit unbedingtem Vertrauen entgegenkommen. Ich aber werde in ein tüchtiges, durch die Namen Lucanus und Barkhausen mir zum Teil recht nahe stehendes Kollegium eintreten. Wenn auch meine Beziehungen zu dem Geheimen Rat Lucanus nur locker waren, so waren die zu meinem alten Universitätsfreunde Barkhansen desto wärmer. Selbstverständlich ging ich sofort zu meinem Chef, zeigte ihm den Sydowschen Brief und bat um seinen Rat. Der Oberpräsident sagte mir, er sei in solchen Dingen Fatalist, die Be¬ rufung nach Düsseldorf sei noch ganz unsicher, er würde einfach auf die Sydowsche Offerte eingehn. Das tat ich denn auch und wurde zu Anfang des Monats Sep¬ tember nach Berlin berufen. In Hannover wurde ich in üblicher Weise weg¬ gegessen, und am 7. September ging ich — zunächst allein und ohne die Mei¬ nigen — nach Berlin, wo ich in der Potsdamer Straße eine sehr behagliche möblierte Wohnung fand. Harmlos und „mit rührender Unbefangenheit" trat ich in den großen Kreis neuer Kollegen und Aufgaben ein. Ansprüche hatte ich nicht und machte ich nicht. Was mich beherrschte und mein Leben bestimmte, war der Gedanke an Pflicht und Schuldigkeit. So war ich in den großen Strom des hauptstädtischen Lebens eingemündet. Zwei Jahre im Kultusministerium (^376 bis 1.878) Der Minister Falk zeigte sich, als ich mich zu Anfang September 1876 bei ihm meldete, ernst, aber gütig und freundlich. Am meisten Zutrauen gewann ich zu dem Unterstaatssekretär Sydow, der mich mit einer gewissen väterlichen Zu¬ neigung behandelte, die mir wohl tat. Er war von unnatürlich kleiner und über¬ dies gebrechlicher Gestalt, aber nicht bloß ein bedeutender Mann und ungewöhnlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/38>, abgerufen am 28.06.2024.