Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.Deutschtum und Staatsverfassung in Österreich obendrein völlig unzutreffende Schilderung des Prinzen Ludwig von Bayern Deutschtum und Staatsverfassung in Osterreich Julius Patzelt von in > und große geschichtliche Erinnerungstage verlieren ihre Bedeutung, Auch in sonst orthodox-liberalen Kreisen dämmert diese Erkenntnis jetzt Deutschtum und Staatsverfassung in Österreich obendrein völlig unzutreffende Schilderung des Prinzen Ludwig von Bayern Deutschtum und Staatsverfassung in Osterreich Julius Patzelt von in > und große geschichtliche Erinnerungstage verlieren ihre Bedeutung, Auch in sonst orthodox-liberalen Kreisen dämmert diese Erkenntnis jetzt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293937"/> <fw type="header" place="top"> Deutschtum und Staatsverfassung in Österreich</fw><lb/> <p xml:id="ID_1401" prev="#ID_1400"> obendrein völlig unzutreffende Schilderung des Prinzen Ludwig von Bayern<lb/> als eines Hortes des Klerikalismus und des Patritularismus im wesentlichen<lb/> doch auch nur der Ausdruck einer Furcht, die man weder zeigen noch haben<lb/><note type="byline"> L?. I</note> sollte, _ </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Deutschtum und Staatsverfassung in Osterreich<lb/><note type="byline"> Julius Patzelt </note> von in </head><lb/> <p xml:id="ID_1402"> > und große geschichtliche Erinnerungstage verlieren ihre Bedeutung,<lb/> Mit wie gläubiger Achtung sprachen noch unsre Väter das Wort<lb/> „Konstitution" ans, wenn der 13. März, der Tag der Wiener<lb/> > Märzrevolution, die Erinnerung an jene stürmische Zeit in ihnen<lb/> I wieder weckte. Wer erinnert sich heute noch in Wien am 13. März,<lb/> daß man in Wien vor so und soviel Jahren in einem Meer von Wonne schwamm?<lb/> Einige hundert Sozialdemokraten wandern, mit roten Nelken und Bändern ge¬<lb/> schmückt, noch alljährlich zu dem Grabe der Märzgefallnen, aber diese Aufzüge<lb/> sind theatralisch geworden, sie ermangeln der Wärme der Empfindung, in der<lb/> Seele der Massen klingt nichts mehr mit, wenn ein strebsamer Advokat von<lb/> den Wonnen des „tollen" Jahres spricht. Hätte im Jahre 1848 wirklich eine<lb/> Entwicklung begonnen, die aus dem alten Österreich ein neues gemacht hätte,<lb/> dann würde die Erinnerung an den 13. März auch heute noch in den Herzen<lb/> Aller lebendig sein; aber er „machte nicht Epoche," und darum vergißt man<lb/> seiner. Die Hoffnungen, in denen Wien und ganz Österreich damals schwelgten,<lb/> reiften nicht, und wer heute noch des 13. Märzes gedenkt, der tut es nicht ohne<lb/> die bittere Empfindung, daß zur irdischen Glückseligkeit doch noch etwas mehr<lb/> gehört als eine „Konstitution."</p><lb/> <p xml:id="ID_1403" next="#ID_1404"> Auch in sonst orthodox-liberalen Kreisen dämmert diese Erkenntnis jetzt<lb/> auf. In einem entschieden liberalen Wiener Blatte veröffentlichte am letzten<lb/> 13. März Professor Dr. Ottokar Weber eine Studie über Metternich, nicht<lb/> hervorragend durch eine mit historischen Einzelheiten beschwerte Gelehrsamkeit,<lb/> sondern durch die feine Empfindung, daß der Sturz Metternichs keine Probleme<lb/> gelöst, sondern den Völkern und den Staatsmännern Österreichs ein neues<lb/> Rätsel aufgegeben hat. Professor Weber wird Metternich gerecht, wenn er aus<lb/> seinem landläufigen Bilde die entstellenden Züge entfernt, die eine Demokratie<lb/> des Hasses ihm aufgeprägt hatte, er wird dem Geiste der Zeit gerecht, wenn<lb/> er davon spricht, daß sich Metternich und sein „System" überlebt hatten und<lb/> an die Stelle eines tatenlosen, sich müde dahinschleppenden und nur in die Ver¬<lb/> gangenheit sehenden Absolutismus etwas andres treten mußte. Aber was?<lb/> Die Frage ist bis heute nicht gelöst worden, und wenn man sich fragt, warum,<lb/> dann gibt der Schluß der Studie Professor Webers Auskunft mit seinem schnei¬<lb/> denden Mißklange zwischen historischer Erkenntnis, demokratischer Glaubenslehre<lb/> und richtigem deutschen nationalen Empfinden: „Der Rückschauende wird die<lb/> Zeit des alten Österreichs nicht ganz verwerfen dürfen, er wird aber auch den<lb/> großen Tag des 13. März 1848 als Geburtstag des neuen Österreich feiern</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
Deutschtum und Staatsverfassung in Österreich
obendrein völlig unzutreffende Schilderung des Prinzen Ludwig von Bayern
als eines Hortes des Klerikalismus und des Patritularismus im wesentlichen
doch auch nur der Ausdruck einer Furcht, die man weder zeigen noch haben
L?. I sollte, _
Deutschtum und Staatsverfassung in Osterreich
Julius Patzelt von in
> und große geschichtliche Erinnerungstage verlieren ihre Bedeutung,
Mit wie gläubiger Achtung sprachen noch unsre Väter das Wort
„Konstitution" ans, wenn der 13. März, der Tag der Wiener
> Märzrevolution, die Erinnerung an jene stürmische Zeit in ihnen
I wieder weckte. Wer erinnert sich heute noch in Wien am 13. März,
daß man in Wien vor so und soviel Jahren in einem Meer von Wonne schwamm?
Einige hundert Sozialdemokraten wandern, mit roten Nelken und Bändern ge¬
schmückt, noch alljährlich zu dem Grabe der Märzgefallnen, aber diese Aufzüge
sind theatralisch geworden, sie ermangeln der Wärme der Empfindung, in der
Seele der Massen klingt nichts mehr mit, wenn ein strebsamer Advokat von
den Wonnen des „tollen" Jahres spricht. Hätte im Jahre 1848 wirklich eine
Entwicklung begonnen, die aus dem alten Österreich ein neues gemacht hätte,
dann würde die Erinnerung an den 13. März auch heute noch in den Herzen
Aller lebendig sein; aber er „machte nicht Epoche," und darum vergißt man
seiner. Die Hoffnungen, in denen Wien und ganz Österreich damals schwelgten,
reiften nicht, und wer heute noch des 13. Märzes gedenkt, der tut es nicht ohne
die bittere Empfindung, daß zur irdischen Glückseligkeit doch noch etwas mehr
gehört als eine „Konstitution."
Auch in sonst orthodox-liberalen Kreisen dämmert diese Erkenntnis jetzt
auf. In einem entschieden liberalen Wiener Blatte veröffentlichte am letzten
13. März Professor Dr. Ottokar Weber eine Studie über Metternich, nicht
hervorragend durch eine mit historischen Einzelheiten beschwerte Gelehrsamkeit,
sondern durch die feine Empfindung, daß der Sturz Metternichs keine Probleme
gelöst, sondern den Völkern und den Staatsmännern Österreichs ein neues
Rätsel aufgegeben hat. Professor Weber wird Metternich gerecht, wenn er aus
seinem landläufigen Bilde die entstellenden Züge entfernt, die eine Demokratie
des Hasses ihm aufgeprägt hatte, er wird dem Geiste der Zeit gerecht, wenn
er davon spricht, daß sich Metternich und sein „System" überlebt hatten und
an die Stelle eines tatenlosen, sich müde dahinschleppenden und nur in die Ver¬
gangenheit sehenden Absolutismus etwas andres treten mußte. Aber was?
Die Frage ist bis heute nicht gelöst worden, und wenn man sich fragt, warum,
dann gibt der Schluß der Studie Professor Webers Auskunft mit seinem schnei¬
denden Mißklange zwischen historischer Erkenntnis, demokratischer Glaubenslehre
und richtigem deutschen nationalen Empfinden: „Der Rückschauende wird die
Zeit des alten Österreichs nicht ganz verwerfen dürfen, er wird aber auch den
großen Tag des 13. März 1848 als Geburtstag des neuen Österreich feiern
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