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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Kolonialpolitik

n der Reichstagssitzung vom 25. April standen die Eisenbahn
Dar es Satan-Mrogoro und die Togobahn zur Verhandlung.
Bei jener handelt es sich um eine Zinsengarantie von drei Prozent
ans 18'^ Millionen Mark nebst einer Amortisationsquote, zusammen
636000 Mark jährlich, die zum erstenmal am 1. Juli 1908, also
nach vier Jahren, in Kraft treten müßte. Für die Togokolouie (Eisenbahn von
Lome nach Pallme) soll eine mit Prozent verzinsliche Anleihe von
8 Millionen Mark zu Lasten der Kolonie aufgenommen werden, für die Ver¬
zinsung und die Tilgung soll das Reich die Garantie übernehmen. Der Reichs¬
tag hat bei dieser Gelegenheit die afrikanische Eisenbahnfrage in jeder Richtung
zum so und sovielteumal erörtert, diesesmal zum Glück unter dem Eindruck des
Hereronufstandes. Bekommen wir endlich die vstafriknnischc Bahn, so wäre es
ein Unrecht, wollte man nicht den Hereros auf dem Platze vor dem Bahnhofs¬
gebäude in Dar eS Salam ein Denkmal errichten; ihre Schandtaten sind beredter
und wirksamer als alle Argumente der Regierung. Diesen haftet leider auch
jetzt noch die Schwäche an, die für unsre Afrikapolitik so charakteristisch und
-- wie der Hercroaufstand leider zeigt -- so folgenreich ist. In der vorigen
Legislaturperiode ist diese ostafrikanische Eisenbahn bekanntlich unerledigt ge¬
blieben, obwohl von ihr das Sein oder das Nichtsein der Kolonie abhängt, die
ohne die Eisenbahn zu irgend einem großem Aufschwung und damit zu einer
Rentabilität nicht gelangen kann. Leider hat die Kolonialabteilung inzwischen
aus einer Anregung in der vorjährigen Kommissionsberatung Anlaß genommen,
die Spurweite von 1,068, wie sie im vorigen Jahre geplant war, auf 0,75 Meter
herabzusetzen, obwohl sich die Baukosten damit nur um ein Fünftel, d. h. um
ungefähr 2600000 Mark verringern, und für das Reich dabei doch nur die
dreiprozentige Zinsengarnntie mit 78000 Mark in Betracht kommt. Muß eines
Tags -- und das wird je früher desto lieber unvermeidlich sein -- die größere
Spurweite hergestellt werden, so dürften, ganz abgesehen von der Betriebs¬
störung, die Kosten viel größer sein, weil wir zum Beispiel nach zehn Jahren
voraussichtlich weit höhere Löhne und Matcrialprcise haben werden, vielleicht
auch höhere Schiffsfrachten. Höchstens käme in Betracht, daß der Material-


Grenzbotcn II 1904 33


Kolonialpolitik

n der Reichstagssitzung vom 25. April standen die Eisenbahn
Dar es Satan-Mrogoro und die Togobahn zur Verhandlung.
Bei jener handelt es sich um eine Zinsengarantie von drei Prozent
ans 18'^ Millionen Mark nebst einer Amortisationsquote, zusammen
636000 Mark jährlich, die zum erstenmal am 1. Juli 1908, also
nach vier Jahren, in Kraft treten müßte. Für die Togokolouie (Eisenbahn von
Lome nach Pallme) soll eine mit Prozent verzinsliche Anleihe von
8 Millionen Mark zu Lasten der Kolonie aufgenommen werden, für die Ver¬
zinsung und die Tilgung soll das Reich die Garantie übernehmen. Der Reichs¬
tag hat bei dieser Gelegenheit die afrikanische Eisenbahnfrage in jeder Richtung
zum so und sovielteumal erörtert, diesesmal zum Glück unter dem Eindruck des
Hereronufstandes. Bekommen wir endlich die vstafriknnischc Bahn, so wäre es
ein Unrecht, wollte man nicht den Hereros auf dem Platze vor dem Bahnhofs¬
gebäude in Dar eS Salam ein Denkmal errichten; ihre Schandtaten sind beredter
und wirksamer als alle Argumente der Regierung. Diesen haftet leider auch
jetzt noch die Schwäche an, die für unsre Afrikapolitik so charakteristisch und
— wie der Hercroaufstand leider zeigt — so folgenreich ist. In der vorigen
Legislaturperiode ist diese ostafrikanische Eisenbahn bekanntlich unerledigt ge¬
blieben, obwohl von ihr das Sein oder das Nichtsein der Kolonie abhängt, die
ohne die Eisenbahn zu irgend einem großem Aufschwung und damit zu einer
Rentabilität nicht gelangen kann. Leider hat die Kolonialabteilung inzwischen
aus einer Anregung in der vorjährigen Kommissionsberatung Anlaß genommen,
die Spurweite von 1,068, wie sie im vorigen Jahre geplant war, auf 0,75 Meter
herabzusetzen, obwohl sich die Baukosten damit nur um ein Fünftel, d. h. um
ungefähr 2600000 Mark verringern, und für das Reich dabei doch nur die
dreiprozentige Zinsengarnntie mit 78000 Mark in Betracht kommt. Muß eines
Tags — und das wird je früher desto lieber unvermeidlich sein — die größere
Spurweite hergestellt werden, so dürften, ganz abgesehen von der Betriebs¬
störung, die Kosten viel größer sein, weil wir zum Beispiel nach zehn Jahren
voraussichtlich weit höhere Löhne und Matcrialprcise haben werden, vielleicht
auch höhere Schiffsfrachten. Höchstens käme in Betracht, daß der Material-


Grenzbotcn II 1904 33
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[0251] [Abbildung] Kolonialpolitik n der Reichstagssitzung vom 25. April standen die Eisenbahn Dar es Satan-Mrogoro und die Togobahn zur Verhandlung. Bei jener handelt es sich um eine Zinsengarantie von drei Prozent ans 18'^ Millionen Mark nebst einer Amortisationsquote, zusammen 636000 Mark jährlich, die zum erstenmal am 1. Juli 1908, also nach vier Jahren, in Kraft treten müßte. Für die Togokolouie (Eisenbahn von Lome nach Pallme) soll eine mit Prozent verzinsliche Anleihe von 8 Millionen Mark zu Lasten der Kolonie aufgenommen werden, für die Ver¬ zinsung und die Tilgung soll das Reich die Garantie übernehmen. Der Reichs¬ tag hat bei dieser Gelegenheit die afrikanische Eisenbahnfrage in jeder Richtung zum so und sovielteumal erörtert, diesesmal zum Glück unter dem Eindruck des Hereronufstandes. Bekommen wir endlich die vstafriknnischc Bahn, so wäre es ein Unrecht, wollte man nicht den Hereros auf dem Platze vor dem Bahnhofs¬ gebäude in Dar eS Salam ein Denkmal errichten; ihre Schandtaten sind beredter und wirksamer als alle Argumente der Regierung. Diesen haftet leider auch jetzt noch die Schwäche an, die für unsre Afrikapolitik so charakteristisch und — wie der Hercroaufstand leider zeigt — so folgenreich ist. In der vorigen Legislaturperiode ist diese ostafrikanische Eisenbahn bekanntlich unerledigt ge¬ blieben, obwohl von ihr das Sein oder das Nichtsein der Kolonie abhängt, die ohne die Eisenbahn zu irgend einem großem Aufschwung und damit zu einer Rentabilität nicht gelangen kann. Leider hat die Kolonialabteilung inzwischen aus einer Anregung in der vorjährigen Kommissionsberatung Anlaß genommen, die Spurweite von 1,068, wie sie im vorigen Jahre geplant war, auf 0,75 Meter herabzusetzen, obwohl sich die Baukosten damit nur um ein Fünftel, d. h. um ungefähr 2600000 Mark verringern, und für das Reich dabei doch nur die dreiprozentige Zinsengarnntie mit 78000 Mark in Betracht kommt. Muß eines Tags — und das wird je früher desto lieber unvermeidlich sein — die größere Spurweite hergestellt werden, so dürften, ganz abgesehen von der Betriebs¬ störung, die Kosten viel größer sein, weil wir zum Beispiel nach zehn Jahren voraussichtlich weit höhere Löhne und Matcrialprcise haben werden, vielleicht auch höhere Schiffsfrachten. Höchstens käme in Betracht, daß der Material- Grenzbotcn II 1904 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/251>, abgerufen am 28.06.2024.