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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Das japanische Heer

dann aber hätte er auch mit Preußen nicht den Vertrag vom 29. September
1867 über die Zinsenzahlung aus seinem Hausvermögen schließen dürfen, und
jedenfalls hatte ein deutscher Fürst, der sich mit dem Nationalfeindc gegen
Deutschland verbünden wollte, in Deutschland jedes Recht verwirkt. Dies sollte
^ heutzutage keinem Deutsche" zweifelhaft sein.




Das japanische Heer
N. v. Boguslawski*) von

meer den Großmächten, deren bald sich berührende, bald sich kreu¬
zende Interessen eine beständige Kriegsbereitschaft fordern, nimmt
Japan eine Sonderstellung ein. Infolge seiner geographischen
Lage von den europäischen Machtzentren weit entfernt, hat es
als Nachbarn die wenig kriegerisch angelegten Reiche China und
Korea; Rußland kommt ihm in einem spärlich bevölkerten, unwirtlichen Grenz¬
gebiet nahe, das keine geeignete Basis für Angriffsbewegungen gibt. Endlich
sichert die insulare Lage des Landes seine Grenzen in beträchtlichem Maße
gegen feindliche Angriffe: während der fünfundzwanzig Jahrhunderte seines Be¬
stehens hat das japanische Reich nur einen kriegerischen Ansturm von außen
abzuwehren gehabt, unter dem Begründer der Mongolendhnastie Kublai Chan
^andre 1281. So kann man denn weder in den natürlichen Existenz¬
bedingungen noch in der historischen Vergangenheit Japans irgend einen Um¬
stand finden, der die Notwendigkeit einer Landesverteidigung, einer beständigen
Vermehrung der Seestreitkräfte, der allmählichen Vergrößerung der Landarmee
und der Stärkung der militärischen Stellung während der letzten dreißig Jahre
auf Kosten der wirtschaftlichen beweisen könnte.

Gegenwärtig ist unter den Staaten, mit denen Rußland im fernen Osten
u? Berührung kommt, Japan der einzige, der über eine nach europäischem
-Rüster organisierte Armee verfügt, und der von allen Bevölkerungsklassen nicht



Von dem Obersten N- D. Boguslawski im russischen Generalstak ist Anfang dieses
Wahres unmittelbar vor Ausbruch des russisch-japanischen Krieges unter Mitwirkung des russischen
^Neralstabes in Petersburg ein Werk über Japan erschienen, das u. a. den Zweck verfolgt,
"Starke ,ab Schwäche des Landes vom militärischen Standpunkt aus zu untersuchen," also ein
^°weis mehr dafür, daß Nußland den Krieg mit Japan hat kommen sehen. In diesem Werk,
als "militärisch-geographisch-statistische Übersicht" bezeichnet wird, ist eine Menge neues,
wertvolles Material über Japan und seine Bewohner zusammengetragen. Handel und Schiff¬
ahrt, Gewerbe und Industrie, klimatische und Bodenverhältnisse, Steuer-, Finanz-, Bildungs-
u"d Unterrichtswesen -- alles erfährt an der Hand der erreichbaren in- und ausländischen
^"eratur, des Materials des russischen Generalstabes und japanischer Quellen eine gründliche,
°urch zahlreiche Tabellen übersichtlich gemachte Darstellung. Da das zeitgemäße Werk in Deutsch-
^"d noch unbekannt ist, teile ich hier aus der Abteilung über das japanische Heer eine
Probe in deutscher Übersetzung mit. Die authentischen Daten namentlich über die Mohn-
'"achungsverhältnisse dürften gegenwärtig besonderm Interesse begegnen. Adolf des
Das japanische Heer

dann aber hätte er auch mit Preußen nicht den Vertrag vom 29. September
1867 über die Zinsenzahlung aus seinem Hausvermögen schließen dürfen, und
jedenfalls hatte ein deutscher Fürst, der sich mit dem Nationalfeindc gegen
Deutschland verbünden wollte, in Deutschland jedes Recht verwirkt. Dies sollte
^ heutzutage keinem Deutsche» zweifelhaft sein.




Das japanische Heer
N. v. Boguslawski*) von

meer den Großmächten, deren bald sich berührende, bald sich kreu¬
zende Interessen eine beständige Kriegsbereitschaft fordern, nimmt
Japan eine Sonderstellung ein. Infolge seiner geographischen
Lage von den europäischen Machtzentren weit entfernt, hat es
als Nachbarn die wenig kriegerisch angelegten Reiche China und
Korea; Rußland kommt ihm in einem spärlich bevölkerten, unwirtlichen Grenz¬
gebiet nahe, das keine geeignete Basis für Angriffsbewegungen gibt. Endlich
sichert die insulare Lage des Landes seine Grenzen in beträchtlichem Maße
gegen feindliche Angriffe: während der fünfundzwanzig Jahrhunderte seines Be¬
stehens hat das japanische Reich nur einen kriegerischen Ansturm von außen
abzuwehren gehabt, unter dem Begründer der Mongolendhnastie Kublai Chan
^andre 1281. So kann man denn weder in den natürlichen Existenz¬
bedingungen noch in der historischen Vergangenheit Japans irgend einen Um¬
stand finden, der die Notwendigkeit einer Landesverteidigung, einer beständigen
Vermehrung der Seestreitkräfte, der allmählichen Vergrößerung der Landarmee
und der Stärkung der militärischen Stellung während der letzten dreißig Jahre
auf Kosten der wirtschaftlichen beweisen könnte.

Gegenwärtig ist unter den Staaten, mit denen Rußland im fernen Osten
u? Berührung kommt, Japan der einzige, der über eine nach europäischem
-Rüster organisierte Armee verfügt, und der von allen Bevölkerungsklassen nicht



Von dem Obersten N- D. Boguslawski im russischen Generalstak ist Anfang dieses
Wahres unmittelbar vor Ausbruch des russisch-japanischen Krieges unter Mitwirkung des russischen
^Neralstabes in Petersburg ein Werk über Japan erschienen, das u. a. den Zweck verfolgt,
"Starke ,ab Schwäche des Landes vom militärischen Standpunkt aus zu untersuchen," also ein
^°weis mehr dafür, daß Nußland den Krieg mit Japan hat kommen sehen. In diesem Werk,
als „militärisch-geographisch-statistische Übersicht" bezeichnet wird, ist eine Menge neues,
wertvolles Material über Japan und seine Bewohner zusammengetragen. Handel und Schiff¬
ahrt, Gewerbe und Industrie, klimatische und Bodenverhältnisse, Steuer-, Finanz-, Bildungs-
u»d Unterrichtswesen — alles erfährt an der Hand der erreichbaren in- und ausländischen
^"eratur, des Materials des russischen Generalstabes und japanischer Quellen eine gründliche,
°urch zahlreiche Tabellen übersichtlich gemachte Darstellung. Da das zeitgemäße Werk in Deutsch-
^«d noch unbekannt ist, teile ich hier aus der Abteilung über das japanische Heer eine
Probe in deutscher Übersetzung mit. Die authentischen Daten namentlich über die Mohn-
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/195>, abgerufen am 13.11.2024.