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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr.

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Englisch - deutsche Vundesgenossenschaft
während der letzten drei Jahrhunderte
Otto Schulz, Hauptmann im k. b. Ins.-Rgt. von

vel"le Beziehungen zwischen Deutschland und England haben sich seit
einigen Jcihreu fortwährend verschlechtert. Da England bis in die
letzten Zeiten häufig als unser traditioneller Verbündeter hin¬
gestellt worden ist, dürfte es uicht uninteressant sein, die englisch-
deutsche Bundesgenossenschaft während der letzten drei Jahr¬
hunderte etwas genauer zu betrachten.

In der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts war England der¬
maßen durch innere Kämpfe in Anspruch genommen, daß es seine Aufmerksam¬
keit auswärtigen Angelegenheiten nicht zuwenden konnte. Die nach Cromwells
Tode folgenden Könige ans dem Hause Stuart verwandten ihre ganze Kraft
darauf, die Macht des Parlaments einzuschränken und den Katholizismus wieder
im Lande einzuführen, und verloren hierüber das Vertrauen ihrer Untertanen
und schließlich den Thron, der dann den klugem und weitseheudern Orcmiern
zufiel (1688).

Unter Wilhelm von Oranien traten wieder Ruhe und Frieden im Lande ein,
und mit diesen Wohlstand und Reichtum. Die wiederkehrende Unternehmungs¬
lust und das wiedcrerwcichende Kraftgefühl führten das Land wieder zur Teil¬
nahme an den Interessen und Kämpfen der andern Völker. Von diesem Zeit¬
punkt an beginnt die großartige Entwicklung der englischen Seemacht und der
steigende Einfluß Englands auf die Schicksale der Völker der Alten und
der Neuen Welt.

Im Jahre 1689 hatte Ludwig der Vierzehnte, die pfälzische Erbfolgefrage
und den Ausgang der Kölner Erzbischofswahl zum Anlaß nehmend, dem deutschen
Reich. Holland, Spanien lind Schweden, die auf Anregung Wilhelms von
Oranien, des damaligen Königs von England, den Augsburger Bund zum
Schutz gegen Ludwigs Übergriffe geschloffen hatten, den Krieg erklärt. England
stand in diesem Kriege ans Deutschlands Seite, weil es, wie die andern ge¬
nannten Staaten, unausgesetzt in seinen Interessen durch Ludwig bedroht war,
und weil es sich im besondern gegen Ludwigs Versuche, die katholischen Stuarts


Grenzboten II 1904 17


Englisch - deutsche Vundesgenossenschaft
während der letzten drei Jahrhunderte
Otto Schulz, Hauptmann im k. b. Ins.-Rgt. von

vel«le Beziehungen zwischen Deutschland und England haben sich seit
einigen Jcihreu fortwährend verschlechtert. Da England bis in die
letzten Zeiten häufig als unser traditioneller Verbündeter hin¬
gestellt worden ist, dürfte es uicht uninteressant sein, die englisch-
deutsche Bundesgenossenschaft während der letzten drei Jahr¬
hunderte etwas genauer zu betrachten.

In der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts war England der¬
maßen durch innere Kämpfe in Anspruch genommen, daß es seine Aufmerksam¬
keit auswärtigen Angelegenheiten nicht zuwenden konnte. Die nach Cromwells
Tode folgenden Könige ans dem Hause Stuart verwandten ihre ganze Kraft
darauf, die Macht des Parlaments einzuschränken und den Katholizismus wieder
im Lande einzuführen, und verloren hierüber das Vertrauen ihrer Untertanen
und schließlich den Thron, der dann den klugem und weitseheudern Orcmiern
zufiel (1688).

Unter Wilhelm von Oranien traten wieder Ruhe und Frieden im Lande ein,
und mit diesen Wohlstand und Reichtum. Die wiederkehrende Unternehmungs¬
lust und das wiedcrerwcichende Kraftgefühl führten das Land wieder zur Teil¬
nahme an den Interessen und Kämpfen der andern Völker. Von diesem Zeit¬
punkt an beginnt die großartige Entwicklung der englischen Seemacht und der
steigende Einfluß Englands auf die Schicksale der Völker der Alten und
der Neuen Welt.

Im Jahre 1689 hatte Ludwig der Vierzehnte, die pfälzische Erbfolgefrage
und den Ausgang der Kölner Erzbischofswahl zum Anlaß nehmend, dem deutschen
Reich. Holland, Spanien lind Schweden, die auf Anregung Wilhelms von
Oranien, des damaligen Königs von England, den Augsburger Bund zum
Schutz gegen Ludwigs Übergriffe geschloffen hatten, den Krieg erklärt. England
stand in diesem Kriege ans Deutschlands Seite, weil es, wie die andern ge¬
nannten Staaten, unausgesetzt in seinen Interessen durch Ludwig bedroht war,
und weil es sich im besondern gegen Ludwigs Versuche, die katholischen Stuarts


Grenzboten II 1904 17
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[0129] [Abbildung] Englisch - deutsche Vundesgenossenschaft während der letzten drei Jahrhunderte Otto Schulz, Hauptmann im k. b. Ins.-Rgt. von vel«le Beziehungen zwischen Deutschland und England haben sich seit einigen Jcihreu fortwährend verschlechtert. Da England bis in die letzten Zeiten häufig als unser traditioneller Verbündeter hin¬ gestellt worden ist, dürfte es uicht uninteressant sein, die englisch- deutsche Bundesgenossenschaft während der letzten drei Jahr¬ hunderte etwas genauer zu betrachten. In der ersten Hälfte des siebzehnten Jahrhunderts war England der¬ maßen durch innere Kämpfe in Anspruch genommen, daß es seine Aufmerksam¬ keit auswärtigen Angelegenheiten nicht zuwenden konnte. Die nach Cromwells Tode folgenden Könige ans dem Hause Stuart verwandten ihre ganze Kraft darauf, die Macht des Parlaments einzuschränken und den Katholizismus wieder im Lande einzuführen, und verloren hierüber das Vertrauen ihrer Untertanen und schließlich den Thron, der dann den klugem und weitseheudern Orcmiern zufiel (1688). Unter Wilhelm von Oranien traten wieder Ruhe und Frieden im Lande ein, und mit diesen Wohlstand und Reichtum. Die wiederkehrende Unternehmungs¬ lust und das wiedcrerwcichende Kraftgefühl führten das Land wieder zur Teil¬ nahme an den Interessen und Kämpfen der andern Völker. Von diesem Zeit¬ punkt an beginnt die großartige Entwicklung der englischen Seemacht und der steigende Einfluß Englands auf die Schicksale der Völker der Alten und der Neuen Welt. Im Jahre 1689 hatte Ludwig der Vierzehnte, die pfälzische Erbfolgefrage und den Ausgang der Kölner Erzbischofswahl zum Anlaß nehmend, dem deutschen Reich. Holland, Spanien lind Schweden, die auf Anregung Wilhelms von Oranien, des damaligen Königs von England, den Augsburger Bund zum Schutz gegen Ludwigs Übergriffe geschloffen hatten, den Krieg erklärt. England stand in diesem Kriege ans Deutschlands Seite, weil es, wie die andern ge¬ nannten Staaten, unausgesetzt in seinen Interessen durch Ludwig bedroht war, und weil es sich im besondern gegen Ludwigs Versuche, die katholischen Stuarts Grenzboten II 1904 17

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_293618/129>, abgerufen am 13.11.2024.