Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches politische Machtstellung, die er sich erworben hat, doch wesentlich auf der Lethargie, Unsre Verlustliste in Südwestafrika wächst schnell, der Offizierverlust ist Maßgebliches und Unmaßgebliches politische Machtstellung, die er sich erworben hat, doch wesentlich auf der Lethargie, Unsre Verlustliste in Südwestafrika wächst schnell, der Offizierverlust ist <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0752" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293551"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_4404" prev="#ID_4403"> politische Machtstellung, die er sich erworben hat, doch wesentlich auf der Lethargie,<lb/> der Indifferenz und den Spaltungen der protestantischen Bevölkerung beruht. Geht<lb/> es so weiter, dann wird der Katholizismus in Deutschland bald nicht nur eine<lb/> Machtstellung, sondern die Herrschaft haben. Soll die vierhuudertjährige Gedenk¬<lb/> feier der Reformation Luthers Werk uicht im Niedergang finden, so werden seine<lb/> berufnen Hüter ein großes Stück Arbeit leisten müssen!</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Unsre Verlustliste in Südwestafrika </head> <p xml:id="ID_4405" next="#ID_4406"> wächst schnell, der Offizierverlust ist<lb/> heute schon größer als während der chinesischen Expedition. Die südafrikanischen<lb/> Eingebornenstnmme haben sich in ihren eignen Kriegen immer als ebenso tapfere<lb/> wie grausame Krieger erwiesen. Hereros wie Ovambos sind Gebirgs- und Jäger¬<lb/> völker mit dem Unnbhängigkeitssinn jener und mit der Widerstandsfähigkeit und Schie߬<lb/> fertigkeit dieser. Unbegreiflich ist heute, daß man ihre Bewaffnung mit guten<lb/> Hinterladern in solchem Umfang erlauben konnte, und daß man nicht dafür sorgte,<lb/> durch geeignete Militärstationen die Portugiesische Grenze zu sperren, die Waffen¬<lb/> einfuhr, wenn nicht zu verhindern, so doch wesentlich zu erschweren. Leider ist wie<lb/> dieses so auch vieles andre aus Ersparnisgründen unterblieben. Das Verkehrte<lb/> dieser Politik wird man jetzt wohl einsehen, wo die Ersparnisse in zehn- und<lb/> zwanzigfachem Umfange draufgehn, wahrend zugleich so viclverheißende Anfänge für<lb/> die wirtschaftliche Entwicklung des Landes vernichtet sind. Es ist barer Unsinn,<lb/> wenn behauptet wird, daß Südwestafrika nichts wert sei. Die Engländer würden<lb/> — wäre das der Fall — nicht so begehrlich die Hände danach ausstrecken. Aber<lb/> der wirtschaftliche Aufbau muß mit Umsicht, Verständnis und Konsequenz geleitet<lb/> und gepflegt werden. Ob wir Deutschen dazu das nötige und richtige Matertal<lb/> haben? Über eins dürfte sich die Kolonialverwaltung klar sein, mit dem Händler¬<lb/> wesen muß gründlich gebrochen werden. Diese herumziehenden Leute, die sich<lb/> selbstverständlich nicht aus den besten Elementen rekrutieren, tragen an dem Unheil<lb/> in Südwestafrika wie an den Unruhen im Croßgebiet (Kamerun) einen wesentlichen<lb/> Teil der Schuld. Der Handelsverkehr mit den Eingebornen sollte nur durch die<lb/> mit Verkaufsstellen (Stores) ausgestatteten Faktoreien vermittelt werden, alles andre<lb/> ist vom Übel und muß verboten werden. Gut geleitete und entsprechend beauf¬<lb/> sichtigte Faktoreien werden das Vertrauen der Eingebornen gewinnen können,<lb/> herumziehende, nur auf Ausbeutung bedachte Händler niemals. Andrerseits müssen<lb/> bei den Eingebornen in Südwestafrika die Kapitänschaften (Häuptlingsschaften) be¬<lb/> seitigt werden. Für die den künftigen Siedlungen der Eingebornen zu gebenden<lb/> Vorsteher dürfen nur Persönlichkeiten in Betracht kommen, die des vollen Ver¬<lb/> trauens, soweit in Afrika davon die Rede sein kann, der deutschen Verwaltung<lb/> würdig sind, nicht Häuptlinge, denen von den Deutschen obendrein gar der Hof<lb/> gemacht wird, und denen man in völliger Verkennung der Stellung des Weißen<lb/> zum Schwarzen allerlei Ehren erweist! Alle diese Fehler und die Grundsätze, auf<lb/> denen sie beruhen, sind leider zu spät erkannt worden; wir sind um eine teure<lb/> Erfahrung reicher. Doch diese Dinge stehn erst nach völliger Unterwerfung des<lb/> Aufstandes zur Erörterung. Auch bei diesen Maßnahmen beginnt der Grundsatz,<lb/> sich nur auf das Allernotwendigste zu beschränken, seine Früchte zu tragen. Um<lb/> Fehler zu vermeiden, die vielleicht bei der chinesischen Expedition begangen worden<lb/> sind, verfällt man jetzt in das entgegengesetzte Extrem. Hat man es damals — und<lb/> mit vollem Recht — auf Geld nicht ankommen lassen, sondern nur die Sache im<lb/> Auge behalten, so scheint man jetzt den Hauptwert auf die Geringfügigkeit der<lb/> Kosten zu legen. Das ist ein Fehler, der sich in der Kriegführung immer rächen<lb/> wird, zumal einem Aufstande gegenüber, wo nicht nur schnell, sondern auch so<lb/> energisch und umfassend gehandelt werden muß, daß der Erfolg mit unfehlbarer<lb/> Sicherheit verbürgt ist. Es hatte gleich bei den ersten Meldungen im Januar<lb/> damit gerechnet werden müsse», den Hereros mindestens sechstausend Mann gegen¬<lb/> überzustellen, die in wenig Tagen hätten aufgeboten und auf großen Transport¬<lb/> dampfern befördert werden müssen, wie es mit dem Seebataillon in so cmerkennens-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0752]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
politische Machtstellung, die er sich erworben hat, doch wesentlich auf der Lethargie,
der Indifferenz und den Spaltungen der protestantischen Bevölkerung beruht. Geht
es so weiter, dann wird der Katholizismus in Deutschland bald nicht nur eine
Machtstellung, sondern die Herrschaft haben. Soll die vierhuudertjährige Gedenk¬
feier der Reformation Luthers Werk uicht im Niedergang finden, so werden seine
berufnen Hüter ein großes Stück Arbeit leisten müssen!
Unsre Verlustliste in Südwestafrika wächst schnell, der Offizierverlust ist
heute schon größer als während der chinesischen Expedition. Die südafrikanischen
Eingebornenstnmme haben sich in ihren eignen Kriegen immer als ebenso tapfere
wie grausame Krieger erwiesen. Hereros wie Ovambos sind Gebirgs- und Jäger¬
völker mit dem Unnbhängigkeitssinn jener und mit der Widerstandsfähigkeit und Schie߬
fertigkeit dieser. Unbegreiflich ist heute, daß man ihre Bewaffnung mit guten
Hinterladern in solchem Umfang erlauben konnte, und daß man nicht dafür sorgte,
durch geeignete Militärstationen die Portugiesische Grenze zu sperren, die Waffen¬
einfuhr, wenn nicht zu verhindern, so doch wesentlich zu erschweren. Leider ist wie
dieses so auch vieles andre aus Ersparnisgründen unterblieben. Das Verkehrte
dieser Politik wird man jetzt wohl einsehen, wo die Ersparnisse in zehn- und
zwanzigfachem Umfange draufgehn, wahrend zugleich so viclverheißende Anfänge für
die wirtschaftliche Entwicklung des Landes vernichtet sind. Es ist barer Unsinn,
wenn behauptet wird, daß Südwestafrika nichts wert sei. Die Engländer würden
— wäre das der Fall — nicht so begehrlich die Hände danach ausstrecken. Aber
der wirtschaftliche Aufbau muß mit Umsicht, Verständnis und Konsequenz geleitet
und gepflegt werden. Ob wir Deutschen dazu das nötige und richtige Matertal
haben? Über eins dürfte sich die Kolonialverwaltung klar sein, mit dem Händler¬
wesen muß gründlich gebrochen werden. Diese herumziehenden Leute, die sich
selbstverständlich nicht aus den besten Elementen rekrutieren, tragen an dem Unheil
in Südwestafrika wie an den Unruhen im Croßgebiet (Kamerun) einen wesentlichen
Teil der Schuld. Der Handelsverkehr mit den Eingebornen sollte nur durch die
mit Verkaufsstellen (Stores) ausgestatteten Faktoreien vermittelt werden, alles andre
ist vom Übel und muß verboten werden. Gut geleitete und entsprechend beauf¬
sichtigte Faktoreien werden das Vertrauen der Eingebornen gewinnen können,
herumziehende, nur auf Ausbeutung bedachte Händler niemals. Andrerseits müssen
bei den Eingebornen in Südwestafrika die Kapitänschaften (Häuptlingsschaften) be¬
seitigt werden. Für die den künftigen Siedlungen der Eingebornen zu gebenden
Vorsteher dürfen nur Persönlichkeiten in Betracht kommen, die des vollen Ver¬
trauens, soweit in Afrika davon die Rede sein kann, der deutschen Verwaltung
würdig sind, nicht Häuptlinge, denen von den Deutschen obendrein gar der Hof
gemacht wird, und denen man in völliger Verkennung der Stellung des Weißen
zum Schwarzen allerlei Ehren erweist! Alle diese Fehler und die Grundsätze, auf
denen sie beruhen, sind leider zu spät erkannt worden; wir sind um eine teure
Erfahrung reicher. Doch diese Dinge stehn erst nach völliger Unterwerfung des
Aufstandes zur Erörterung. Auch bei diesen Maßnahmen beginnt der Grundsatz,
sich nur auf das Allernotwendigste zu beschränken, seine Früchte zu tragen. Um
Fehler zu vermeiden, die vielleicht bei der chinesischen Expedition begangen worden
sind, verfällt man jetzt in das entgegengesetzte Extrem. Hat man es damals — und
mit vollem Recht — auf Geld nicht ankommen lassen, sondern nur die Sache im
Auge behalten, so scheint man jetzt den Hauptwert auf die Geringfügigkeit der
Kosten zu legen. Das ist ein Fehler, der sich in der Kriegführung immer rächen
wird, zumal einem Aufstande gegenüber, wo nicht nur schnell, sondern auch so
energisch und umfassend gehandelt werden muß, daß der Erfolg mit unfehlbarer
Sicherheit verbürgt ist. Es hatte gleich bei den ersten Meldungen im Januar
damit gerechnet werden müsse», den Hereros mindestens sechstausend Mann gegen¬
überzustellen, die in wenig Tagen hätten aufgeboten und auf großen Transport¬
dampfern befördert werden müssen, wie es mit dem Seebataillon in so cmerkennens-
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