N ^"L>b ein Großstaat überhaupt eine dualistische Gestaltung auf die Dauer verträgt, ist mindestens zweifelhaft, geschichtliche Beispiele liegen darüber nicht vor. Der dualistische Einfluß Österreichs und Preußens im Deutschen Bunde hat mit dem Ausschluß des leinen durch den andern geendet; aber ein dualistischer Staat war der Deutsche Bund eigentlich nicht und kann darum uicht als Beispiel gelten, höchstens insoweit, als auch er dargetan hat, daß die einigenden Glieder zur Einigung, die andern zur Scheidung, beide also zur Aufhebung des Dualismus drängen. Die gegenwärtige Krisis, in deren Nachwehen die Habsburgische Monarchie noch jetzt liegt, war die schwerste, die der schon so oft und viel geprüfte Kaiser Franz Joseph seit der verhängnisvollen Schaffung des öster¬ reichisch-ungarischen Dualismus zu überwinden gehabt hat. Und der Kaiser stand dabei nahezu allein, gestützt höchstens auf altbewährte Staatseinrichtungen, wie das Heer, auf alte Beamtentraditionen und die Imponderabilien, die die Geschichte eines alten Staatswesens mit sich bringt. Bei seinen Völkern fand er keine Unterstützung. Die Deutschösterreicher kennen ihre Geschichte nicht und verstehn darum nicht ihre Stellung im Staate. Auch als es sich um die Ein¬ heit der Armee handelte, wußten sie keinen festen Standpunkt zu gewinnen und fielen aus einer kleinmütigen Stimmung in die andre, sogar der denk¬ würdige Armeebefehl von Chlopy vermochte sie nicht aufzurütteln. Die un¬ garischen Parteien waren dagegen über das nächste Ziel ihrer Bestrebungen einig. Das staatsrechtliche Band, das sie mit Österreich vereinigt, sollte so weit gelockert werden, daß nnr noch die reine Personalunion übrig blieb, und unverblümt deuteten sie auch an, daß die völlige Trennung von Osterreich, ein selbständiges Ungarn, ihr Endziel ist. Jetzt handelte es sich für sie um den ersten Schritt zur Erreichung einer eignen ungarischen Armee, und sie hatten es damit eilig, denn sie sprachen es offen aus, noch so lange Kaiser Franz Joseph lebe, müsse diese Forderung durchgesetzt werden. Sehr ritterlich! Die Tschechen und die Allpolen freuten sich über die Ansprüche und die Kampfesweise der Magyaren, und nur aus dem Lager der polnischen Schlachtn wagte sich ein schwacher Protest gegen die Trennung der Armee an die Öffent-
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T>er Armeekonflikt in Ungarn von Albin Geyer
N ^»L>b ein Großstaat überhaupt eine dualistische Gestaltung auf die Dauer verträgt, ist mindestens zweifelhaft, geschichtliche Beispiele liegen darüber nicht vor. Der dualistische Einfluß Österreichs und Preußens im Deutschen Bunde hat mit dem Ausschluß des leinen durch den andern geendet; aber ein dualistischer Staat war der Deutsche Bund eigentlich nicht und kann darum uicht als Beispiel gelten, höchstens insoweit, als auch er dargetan hat, daß die einigenden Glieder zur Einigung, die andern zur Scheidung, beide also zur Aufhebung des Dualismus drängen. Die gegenwärtige Krisis, in deren Nachwehen die Habsburgische Monarchie noch jetzt liegt, war die schwerste, die der schon so oft und viel geprüfte Kaiser Franz Joseph seit der verhängnisvollen Schaffung des öster¬ reichisch-ungarischen Dualismus zu überwinden gehabt hat. Und der Kaiser stand dabei nahezu allein, gestützt höchstens auf altbewährte Staatseinrichtungen, wie das Heer, auf alte Beamtentraditionen und die Imponderabilien, die die Geschichte eines alten Staatswesens mit sich bringt. Bei seinen Völkern fand er keine Unterstützung. Die Deutschösterreicher kennen ihre Geschichte nicht und verstehn darum nicht ihre Stellung im Staate. Auch als es sich um die Ein¬ heit der Armee handelte, wußten sie keinen festen Standpunkt zu gewinnen und fielen aus einer kleinmütigen Stimmung in die andre, sogar der denk¬ würdige Armeebefehl von Chlopy vermochte sie nicht aufzurütteln. Die un¬ garischen Parteien waren dagegen über das nächste Ziel ihrer Bestrebungen einig. Das staatsrechtliche Band, das sie mit Österreich vereinigt, sollte so weit gelockert werden, daß nnr noch die reine Personalunion übrig blieb, und unverblümt deuteten sie auch an, daß die völlige Trennung von Osterreich, ein selbständiges Ungarn, ihr Endziel ist. Jetzt handelte es sich für sie um den ersten Schritt zur Erreichung einer eignen ungarischen Armee, und sie hatten es damit eilig, denn sie sprachen es offen aus, noch so lange Kaiser Franz Joseph lebe, müsse diese Forderung durchgesetzt werden. Sehr ritterlich! Die Tschechen und die Allpolen freuten sich über die Ansprüche und die Kampfesweise der Magyaren, und nur aus dem Lager der polnischen Schlachtn wagte sich ein schwacher Protest gegen die Trennung der Armee an die Öffent-
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liegen darüber nicht vor. Der dualistische Einfluß Österreichs
und Preußens im Deutschen Bunde hat mit dem Ausschluß des
leinen durch den andern geendet; aber ein dualistischer Staat war
der Deutsche Bund eigentlich nicht und kann darum uicht als Beispiel gelten,
höchstens insoweit, als auch er dargetan hat, daß die einigenden Glieder zur
Einigung, die andern zur Scheidung, beide also zur Aufhebung des Dualismus
drängen. Die gegenwärtige Krisis, in deren Nachwehen die Habsburgische
Monarchie noch jetzt liegt, war die schwerste, die der schon so oft und viel
geprüfte Kaiser Franz Joseph seit der verhängnisvollen Schaffung des öster¬
reichisch-ungarischen Dualismus zu überwinden gehabt hat. Und der Kaiser
stand dabei nahezu allein, gestützt höchstens auf altbewährte Staatseinrichtungen,
wie das Heer, auf alte Beamtentraditionen und die Imponderabilien, die die
Geschichte eines alten Staatswesens mit sich bringt. Bei seinen Völkern fand
er keine Unterstützung. Die Deutschösterreicher kennen ihre Geschichte nicht und
verstehn darum nicht ihre Stellung im Staate. Auch als es sich um die Ein¬
heit der Armee handelte, wußten sie keinen festen Standpunkt zu gewinnen
und fielen aus einer kleinmütigen Stimmung in die andre, sogar der denk¬
würdige Armeebefehl von Chlopy vermochte sie nicht aufzurütteln. Die un¬
garischen Parteien waren dagegen über das nächste Ziel ihrer Bestrebungen
einig. Das staatsrechtliche Band, das sie mit Österreich vereinigt, sollte so
weit gelockert werden, daß nnr noch die reine Personalunion übrig blieb, und
unverblümt deuteten sie auch an, daß die völlige Trennung von Osterreich,
ein selbständiges Ungarn, ihr Endziel ist. Jetzt handelte es sich für sie um
den ersten Schritt zur Erreichung einer eignen ungarischen Armee, und sie
hatten es damit eilig, denn sie sprachen es offen aus, noch so lange Kaiser
Franz Joseph lebe, müsse diese Forderung durchgesetzt werden. Sehr ritterlich!
Die Tschechen und die Allpolen freuten sich über die Ansprüche und die
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wagte sich ein schwacher Protest gegen die Trennung der Armee an die Öffent-
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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/71>, abgerufen am 28.09.2024.
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