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Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.

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Die Rlabunkerstraße

Vier Jahrzehnte überlebt. Luise Schröder, geboren etwa 1793 in Spangenberg,
war die Tochter eines höhern Beamten; ihre Mutter, eine geborne Lcmdre, ent¬
stammte einer Hugenottenfamilie. Frau Luise, die zwei Jahre nach Hegars
Tode einen Arzt, Dr. Heraus aus Hanau, heiratete, soll eine sehr hübsche, noch
im Alter fast mädchenhafte Erscheinung mit wunderschönen dunkeln Augen ge¬
wesen sein und sich als sehr lebenslustige, fein gebildete, witzige, vornehme Dame
großer Beliebtheit in allen Kreisen erfreut haben. Sie starb Anfang 1857.

Der frühe jähe Abschluß der zu großen Erwartungen berechtigenden Lauf¬
bahn Hegars läßt es begreiflich erscheinen, daß bisher nichts Näheres über ihn
bekannt gewesen ist. Als erfolggekrönte Jünglinge sind beide gestorben, Körner
wie Hegar. Und wie die beiden bei Lebzeiten innige Freundschaft verbunden
hat, so ist es jetzt ein Freundschaftsbrief Körners, der die Veranlassung gegeben
hat, daß endlich auch Ludwig Hegar aus dem rätselvollen Dunkel, das ihn
bisher u Philipp Stein mgab, hat herausgelöst werden können.




Die Klabunkerstraße
Charlotte Niese Roman von
(Fortsetzung)
18

>as Wetter wurde wieder warm, über der weiten Landschaft brütete
die Sonne, und auf dem Klosterdach saßen die weißen Tauben, zankten
sich, gurrten, erhoben sich in einer Wolke und fielen dann gleich
wieder auf demselben Dache nieder.

Melitta saß im Klostergarten und verfolgte seit längerer Zeit
z.. Spiel der flatternden Schar. Dann erhob sie sich, ging einige
chritte, setzte sich von neuem und gähnte. Sie langweilte sich. Sie war schon eine
im Kloster und dachte daran, es wieder zu verlassen; aber sie wußte nicht
He, wohin sie gehn sollte. Asta hatte ihr vorgeschlagen, nach dem Dovenhof zu
'im, wo auch ihr Mann war; aber gerade weil Asta ihre Entfernung wünschte,
"i k!. ^- Lust dazu. Außerdem langweilte sie sich mit Wolf. Als sie noch
He mit ihm verheiratet gewesen war, hatte sie sich ihn anders vorgestellt; nun
^ er oft verdrießlich, verstimmt und müde. Gerade so wie sie selbst.

Sie Hütte ihn nicht heiraten sollen, sie wußte es längst. Aber es war nun
wmal geschehen. Melitta gähnte von neuem und schloß die Augen. Sie wollte
versuchen zu schlafen.

- /D°um fuhr sie mit einem Schreck in die Höhe. Jemand hatte sich neben sie
°us dle Bank gesetzt und sah ihr voll ins Gesicht.

Herr Fuchsins? sagte sie zweifelnd.

Kennen Sie mich noch? Er stützte das Kinn in die Hand und betrachtete
Mit einem kalten Blick. Ich dachte, Sie hätten mich vergessen.
gedacht^wiH nicht! Melitta streckte lächelnd die Hand aus. Ich habe oft an Sie

Er sah die Hand nicht.

Sie haben mich verraten, sagte er. Sie wollten mich heiraten, nun haben
^le einen Baron genommen. Den Dummkopf, dem ich einmal die Wahrheit ge-


Die Rlabunkerstraße

Vier Jahrzehnte überlebt. Luise Schröder, geboren etwa 1793 in Spangenberg,
war die Tochter eines höhern Beamten; ihre Mutter, eine geborne Lcmdre, ent¬
stammte einer Hugenottenfamilie. Frau Luise, die zwei Jahre nach Hegars
Tode einen Arzt, Dr. Heraus aus Hanau, heiratete, soll eine sehr hübsche, noch
im Alter fast mädchenhafte Erscheinung mit wunderschönen dunkeln Augen ge¬
wesen sein und sich als sehr lebenslustige, fein gebildete, witzige, vornehme Dame
großer Beliebtheit in allen Kreisen erfreut haben. Sie starb Anfang 1857.

Der frühe jähe Abschluß der zu großen Erwartungen berechtigenden Lauf¬
bahn Hegars läßt es begreiflich erscheinen, daß bisher nichts Näheres über ihn
bekannt gewesen ist. Als erfolggekrönte Jünglinge sind beide gestorben, Körner
wie Hegar. Und wie die beiden bei Lebzeiten innige Freundschaft verbunden
hat, so ist es jetzt ein Freundschaftsbrief Körners, der die Veranlassung gegeben
hat, daß endlich auch Ludwig Hegar aus dem rätselvollen Dunkel, das ihn
bisher u Philipp Stein mgab, hat herausgelöst werden können.




Die Klabunkerstraße
Charlotte Niese Roman von
(Fortsetzung)
18

>as Wetter wurde wieder warm, über der weiten Landschaft brütete
die Sonne, und auf dem Klosterdach saßen die weißen Tauben, zankten
sich, gurrten, erhoben sich in einer Wolke und fielen dann gleich
wieder auf demselben Dache nieder.

Melitta saß im Klostergarten und verfolgte seit längerer Zeit
z.. Spiel der flatternden Schar. Dann erhob sie sich, ging einige
chritte, setzte sich von neuem und gähnte. Sie langweilte sich. Sie war schon eine
im Kloster und dachte daran, es wieder zu verlassen; aber sie wußte nicht
He, wohin sie gehn sollte. Asta hatte ihr vorgeschlagen, nach dem Dovenhof zu
'im, wo auch ihr Mann war; aber gerade weil Asta ihre Entfernung wünschte,
«i k!. ^- Lust dazu. Außerdem langweilte sie sich mit Wolf. Als sie noch
He mit ihm verheiratet gewesen war, hatte sie sich ihn anders vorgestellt; nun
^ er oft verdrießlich, verstimmt und müde. Gerade so wie sie selbst.

Sie Hütte ihn nicht heiraten sollen, sie wußte es längst. Aber es war nun
wmal geschehen. Melitta gähnte von neuem und schloß die Augen. Sie wollte
versuchen zu schlafen.

- /D°um fuhr sie mit einem Schreck in die Höhe. Jemand hatte sich neben sie
°us dle Bank gesetzt und sah ihr voll ins Gesicht.

Herr Fuchsins? sagte sie zweifelnd.

Kennen Sie mich noch? Er stützte das Kinn in die Hand und betrachtete
Mit einem kalten Blick. Ich dachte, Sie hätten mich vergessen.
gedacht^wiH nicht! Melitta streckte lächelnd die Hand aus. Ich habe oft an Sie

Er sah die Hand nicht.

Sie haben mich verraten, sagte er. Sie wollten mich heiraten, nun haben
^le einen Baron genommen. Den Dummkopf, dem ich einmal die Wahrheit ge-


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[0669] Die Rlabunkerstraße Vier Jahrzehnte überlebt. Luise Schröder, geboren etwa 1793 in Spangenberg, war die Tochter eines höhern Beamten; ihre Mutter, eine geborne Lcmdre, ent¬ stammte einer Hugenottenfamilie. Frau Luise, die zwei Jahre nach Hegars Tode einen Arzt, Dr. Heraus aus Hanau, heiratete, soll eine sehr hübsche, noch im Alter fast mädchenhafte Erscheinung mit wunderschönen dunkeln Augen ge¬ wesen sein und sich als sehr lebenslustige, fein gebildete, witzige, vornehme Dame großer Beliebtheit in allen Kreisen erfreut haben. Sie starb Anfang 1857. Der frühe jähe Abschluß der zu großen Erwartungen berechtigenden Lauf¬ bahn Hegars läßt es begreiflich erscheinen, daß bisher nichts Näheres über ihn bekannt gewesen ist. Als erfolggekrönte Jünglinge sind beide gestorben, Körner wie Hegar. Und wie die beiden bei Lebzeiten innige Freundschaft verbunden hat, so ist es jetzt ein Freundschaftsbrief Körners, der die Veranlassung gegeben hat, daß endlich auch Ludwig Hegar aus dem rätselvollen Dunkel, das ihn bisher u Philipp Stein mgab, hat herausgelöst werden können. Die Klabunkerstraße Charlotte Niese Roman von (Fortsetzung) 18 >as Wetter wurde wieder warm, über der weiten Landschaft brütete die Sonne, und auf dem Klosterdach saßen die weißen Tauben, zankten sich, gurrten, erhoben sich in einer Wolke und fielen dann gleich wieder auf demselben Dache nieder. Melitta saß im Klostergarten und verfolgte seit längerer Zeit z.. Spiel der flatternden Schar. Dann erhob sie sich, ging einige chritte, setzte sich von neuem und gähnte. Sie langweilte sich. Sie war schon eine im Kloster und dachte daran, es wieder zu verlassen; aber sie wußte nicht He, wohin sie gehn sollte. Asta hatte ihr vorgeschlagen, nach dem Dovenhof zu 'im, wo auch ihr Mann war; aber gerade weil Asta ihre Entfernung wünschte, «i k!. ^- Lust dazu. Außerdem langweilte sie sich mit Wolf. Als sie noch He mit ihm verheiratet gewesen war, hatte sie sich ihn anders vorgestellt; nun ^ er oft verdrießlich, verstimmt und müde. Gerade so wie sie selbst. Sie Hütte ihn nicht heiraten sollen, sie wußte es längst. Aber es war nun wmal geschehen. Melitta gähnte von neuem und schloß die Augen. Sie wollte versuchen zu schlafen. - /D°um fuhr sie mit einem Schreck in die Höhe. Jemand hatte sich neben sie °us dle Bank gesetzt und sah ihr voll ins Gesicht. Herr Fuchsins? sagte sie zweifelnd. Kennen Sie mich noch? Er stützte das Kinn in die Hand und betrachtete Mit einem kalten Blick. Ich dachte, Sie hätten mich vergessen. gedacht^wiH nicht! Melitta streckte lächelnd die Hand aus. Ich habe oft an Sie Er sah die Hand nicht. Sie haben mich verraten, sagte er. Sie wollten mich heiraten, nun haben ^le einen Baron genommen. Den Dummkopf, dem ich einmal die Wahrheit ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341879_292796/669>, abgerufen am 28.09.2024.