Die Grenzboten. Jg. 63, 1904, Erstes Vierteljahr.Teschen von 1870, um so mehr muß die Armee auf die geistige Hebung des Standes, Teschen von Albin Geyer bgleich nach außen hin immer der Versuch gemacht wird die Teschen von 1870, um so mehr muß die Armee auf die geistige Hebung des Standes, Teschen von Albin Geyer bgleich nach außen hin immer der Versuch gemacht wird die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/293186"/> <fw type="header" place="top"> Teschen</fw><lb/> <p xml:id="ID_2179" prev="#ID_2178"> von 1870, um so mehr muß die Armee auf die geistige Hebung des Standes,<lb/> damit zugleich aber auch auf seine materielle Verbesserung bedacht sein. Der<lb/> Unteroffizier von heute hat eine Menge Dinge zu lernen und muß vieles verstehn.<lb/> was 1870 noch nicht von ihm verlangt wurde, woran überhaupt niemand dachte,<lb/> und - wohl die intellektuellen Potenzen der Massen, nicht aber die moralischen<lb/> sind seitdem stärker geworden! Möge der Reichstag dessen eingedenk sein, daß<lb/> jeder tüchti<note type="byline"> h. I.</note> ge Unteroffizier ein Saatkorn für den Siegeslorbeer ist. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Teschen<lb/><note type="byline"> von Albin Geyer</note></head><lb/> <p xml:id="ID_2180" next="#ID_2181"> bgleich nach außen hin immer der Versuch gemacht wird die<lb/> ganze polnische Bewegung als harmlos hinzustellen. plaudert die<lb/> polnische Agitationspresse doch recht offenherzig aus, wie sich in<lb/> den Köpfen ihrer nationalen Agitatoren das „zukünftige Polen¬<lb/> reich" eigentlich darstellt. Es ist noch nicht viel über em Jahr<lb/> her. daß das Graudenzer Polenblatt schrieb: „Unser Baterland Polen reicht<lb/> von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und ragt über die Gipfel der<lb/> Karpathen hinweg ^um gesamten Polen gehören der polnische Teil von<lb/> Pommern. Westpreußen. Ermland. Masovien. das Großherzogtum Posen.<lb/> Preußisch-Schlesien. Österreichisch-Schlesien. Galizien. das Königreich Polen.<lb/> Litauen. Wolhynien und Podolien. Das ist das ganze Polen, das ist unser<lb/> Vaterland! Es ist größer, viel größer, nicht nur als das Königreich Preußen,<lb/> sondern als das ganze Deutsche Reich. Es ist ja wahr, daß unser Vaterland<lb/> heute nicht mehr als besondrer und freier Staat mit eigner polnischer Regierung<lb/> besteht. Schlesien nämlich, sowohl das preußische wie das österreichische, und<lb/> ebenso Preußisch-Masovien sind schon vor einigen hundert Jahren von Polen<lb/> abgezweigt worden, und der Rest des polnischen Staats ist durch die Grenz¬<lb/> nachbarn vor hundert und einigen zehn Jahren in drei Teile, in das preußische,<lb/> österreichische und russische Polen zerrissen worden. Aber für uns Polen haben<lb/> die drei Grenzpfähle, die die drei Nachbarstaaten auf der Fläche unsers Vater¬<lb/> landes aufgestellt haben, keine Bedeutung. Wir alle fühlen uns auch so als<lb/> Söhne eines großen Polenlandes, unsers Märtyrervaterlandes." Das ist offen,<lb/> und der Wunschzettel läßt an Deutlichkeit und Dreistigkeit wahrlich nichts zu<lb/> wünschen übrig. Man wird auch nicht dagegen einwenden können, daß es sich<lb/> da nul die Hirngespinste eines einzelnen polnischen Redakteurs handle. Nein,<lb/> politische Ansprüche derselben Art werden überall in den polnischen Blättern<lb/> erhoben, man findet sie nur nicht immer so fleißig zusammengestellt. Die Herren<lb/> beanspruchen eben alles, wo nur irgendwann einmal eine polnische Macht,<lb/> nicht die Herrschaft des ehemaligen Königreichs Polen allein, zur Geltung<lb/> gekommen war. Die deutsche Stadt Vreslcm wird zurückgefordert und mit ihr<lb/> das gesamte preußische wie österreichische Schlesien, obwohl das doch seit sieben<lb/> Jahrhunderten nichts mehr mit dem Königreich Polen zu tun gehabt hat; das<lb/> soll angeblich nur „einige hundert Jahre" her fein. Wollten die Deutschen</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
Teschen
von 1870, um so mehr muß die Armee auf die geistige Hebung des Standes,
damit zugleich aber auch auf seine materielle Verbesserung bedacht sein. Der
Unteroffizier von heute hat eine Menge Dinge zu lernen und muß vieles verstehn.
was 1870 noch nicht von ihm verlangt wurde, woran überhaupt niemand dachte,
und - wohl die intellektuellen Potenzen der Massen, nicht aber die moralischen
sind seitdem stärker geworden! Möge der Reichstag dessen eingedenk sein, daß
jeder tüchti h. I. ge Unteroffizier ein Saatkorn für den Siegeslorbeer ist.
Teschen
von Albin Geyer
bgleich nach außen hin immer der Versuch gemacht wird die
ganze polnische Bewegung als harmlos hinzustellen. plaudert die
polnische Agitationspresse doch recht offenherzig aus, wie sich in
den Köpfen ihrer nationalen Agitatoren das „zukünftige Polen¬
reich" eigentlich darstellt. Es ist noch nicht viel über em Jahr
her. daß das Graudenzer Polenblatt schrieb: „Unser Baterland Polen reicht
von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer und ragt über die Gipfel der
Karpathen hinweg ^um gesamten Polen gehören der polnische Teil von
Pommern. Westpreußen. Ermland. Masovien. das Großherzogtum Posen.
Preußisch-Schlesien. Österreichisch-Schlesien. Galizien. das Königreich Polen.
Litauen. Wolhynien und Podolien. Das ist das ganze Polen, das ist unser
Vaterland! Es ist größer, viel größer, nicht nur als das Königreich Preußen,
sondern als das ganze Deutsche Reich. Es ist ja wahr, daß unser Vaterland
heute nicht mehr als besondrer und freier Staat mit eigner polnischer Regierung
besteht. Schlesien nämlich, sowohl das preußische wie das österreichische, und
ebenso Preußisch-Masovien sind schon vor einigen hundert Jahren von Polen
abgezweigt worden, und der Rest des polnischen Staats ist durch die Grenz¬
nachbarn vor hundert und einigen zehn Jahren in drei Teile, in das preußische,
österreichische und russische Polen zerrissen worden. Aber für uns Polen haben
die drei Grenzpfähle, die die drei Nachbarstaaten auf der Fläche unsers Vater¬
landes aufgestellt haben, keine Bedeutung. Wir alle fühlen uns auch so als
Söhne eines großen Polenlandes, unsers Märtyrervaterlandes." Das ist offen,
und der Wunschzettel läßt an Deutlichkeit und Dreistigkeit wahrlich nichts zu
wünschen übrig. Man wird auch nicht dagegen einwenden können, daß es sich
da nul die Hirngespinste eines einzelnen polnischen Redakteurs handle. Nein,
politische Ansprüche derselben Art werden überall in den polnischen Blättern
erhoben, man findet sie nur nicht immer so fleißig zusammengestellt. Die Herren
beanspruchen eben alles, wo nur irgendwann einmal eine polnische Macht,
nicht die Herrschaft des ehemaligen Königreichs Polen allein, zur Geltung
gekommen war. Die deutsche Stadt Vreslcm wird zurückgefordert und mit ihr
das gesamte preußische wie österreichische Schlesien, obwohl das doch seit sieben
Jahrhunderten nichts mehr mit dem Königreich Polen zu tun gehabt hat; das
soll angeblich nur „einige hundert Jahre" her fein. Wollten die Deutschen
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