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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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vom Wettbewerb der Tebensverstcherungsanstalten in Deutschland

sichern" gsgesellschaft alle ihre Ausgaben uur aus den eingehenden Prümien-
geldern der Versicherten bestreitet, so liegt klar zutage, daß sie den soge¬
nannten "Rabatt," der für sie einen Ausfall bedeutet, in den spätern Jahren
irgendwie wieder hereinbringen muß. Das geschieht dadurch, daß dann eben
die Dividenden an die Versicherten niedriger ausfallen. Der Nabattunfug ist
in Deutschland neuerdings so zu einem Grundübel des Lebensversicherungs¬
betriebs geworden, daß alle Anstrengungen der soliden Gesellschaften, ihn ein¬
zudämmen, fruchtlos erscheinen; hier kann nur ausführliche Belehrung des
Publikums helfen. Die Provisionsabgabe ist meist das Konkurrenzmittel der
kleinern und weniger leistungsfähigen Anstalten; ein Agent, der Rabatt an¬
bietet, kompromittiert seine Gesellschaft dadurch sofort als von geringem Wert.

Das dritte Lockmittel, und zwar das bestechendste, das der unbekümmerten
Acquisition zur Verfügung steht, sind die sogenannten Kostenberechnungen, die
unter Annahme eines mehr oder weniger hohen Dividendensatzes angeben sollen,
wieviel der Kandidat insgesamt für seine Versicherung zu leisten haben wird.
Diesen Berechnungen werden die gegenwärtig von den Gesellschaften verteilten
Dividenden zugrunde gelegt. An und für sich ließe sich nichts gegen solche
Kostenvoranschlage sagen, wenn nicht hüusig -- mit oder ohne Absicht -- viel
zu hohe Dividenden in Aussicht genommen würden. Das gilt namentlich
von der sogenannten "steigenden Dividende." Dabei sollen die Gewinnanteile
der Versicherten im Anfang niedrig sein und von Jahr zu Jahr nach einem
bestimmten Satze steigen. Nun kann man bei einer solchen Einrichtung, die
die Erfüllung der versprochnen Leistungen sehr weit hinausschiebt, lange Zeit
mit viel höhern Sätzen rechnen, als die finanzielle Lage einer Gesellschaft
eigentlich zuläßt. So kommt es, daß die Kostenvvranschläge für Versicherungen
mit steigender Dividende vielfach bei finanziell schwacher" Instituten, die im
Versprechen recht skrupellos sind, viel billiger geraten, als bei soliden und
reichen Gesellschaften, die nur so viel in Aussicht stellen, wie sie verantworten
zu können glauben.

Dies sind die Schattenseiten, die Unarten, die durch die Konkurrenz auf
dem Lebensversicherungsgebiet aufgekommen sind. Von den glänzenden Fort¬
schritten, die die wertvolle Frucht des Wettbewerbs ausmachen, geben dagegen
die nachfolgenden Zahlen Zeugnis, in denen der gegenwärtige Stand der
deutschen Lebensversicherung nach der geschäftlichen und der finanziellen Seite
getrennt zum Ausdruck kommt. Die folgende Übersicht zeigt zunächst die ge¬
schäftliche Entwicklung im Jahre 1902.

Gegenseitigkeitsanstalten
Zu er- Äersiche-
m°s->Mi-^et ledigende Neue Aus- Netto- rungsbestand
Ge,en,cya,i Grimdungs- Anträge nahmen Zuwachs Ende 1902
jähr Mark Mark Mark Mark
Gothaer........(1827) S2936000 44015800 16767480 324514680
Alte Stuttgarter......(1854) 56366850 44580330 26903013 653473715
Alte Leipziger......(1330) S8137400 46577700 25048300 649125250
Karlsruher.......(1864) 41009900 32637614 19397556 495989821
Deutsche Militärdienst .... (1878) 17677370 16082860 928687 297907348

vom Wettbewerb der Tebensverstcherungsanstalten in Deutschland

sichern« gsgesellschaft alle ihre Ausgaben uur aus den eingehenden Prümien-
geldern der Versicherten bestreitet, so liegt klar zutage, daß sie den soge¬
nannten „Rabatt," der für sie einen Ausfall bedeutet, in den spätern Jahren
irgendwie wieder hereinbringen muß. Das geschieht dadurch, daß dann eben
die Dividenden an die Versicherten niedriger ausfallen. Der Nabattunfug ist
in Deutschland neuerdings so zu einem Grundübel des Lebensversicherungs¬
betriebs geworden, daß alle Anstrengungen der soliden Gesellschaften, ihn ein¬
zudämmen, fruchtlos erscheinen; hier kann nur ausführliche Belehrung des
Publikums helfen. Die Provisionsabgabe ist meist das Konkurrenzmittel der
kleinern und weniger leistungsfähigen Anstalten; ein Agent, der Rabatt an¬
bietet, kompromittiert seine Gesellschaft dadurch sofort als von geringem Wert.

Das dritte Lockmittel, und zwar das bestechendste, das der unbekümmerten
Acquisition zur Verfügung steht, sind die sogenannten Kostenberechnungen, die
unter Annahme eines mehr oder weniger hohen Dividendensatzes angeben sollen,
wieviel der Kandidat insgesamt für seine Versicherung zu leisten haben wird.
Diesen Berechnungen werden die gegenwärtig von den Gesellschaften verteilten
Dividenden zugrunde gelegt. An und für sich ließe sich nichts gegen solche
Kostenvoranschlage sagen, wenn nicht hüusig — mit oder ohne Absicht — viel
zu hohe Dividenden in Aussicht genommen würden. Das gilt namentlich
von der sogenannten „steigenden Dividende." Dabei sollen die Gewinnanteile
der Versicherten im Anfang niedrig sein und von Jahr zu Jahr nach einem
bestimmten Satze steigen. Nun kann man bei einer solchen Einrichtung, die
die Erfüllung der versprochnen Leistungen sehr weit hinausschiebt, lange Zeit
mit viel höhern Sätzen rechnen, als die finanzielle Lage einer Gesellschaft
eigentlich zuläßt. So kommt es, daß die Kostenvvranschläge für Versicherungen
mit steigender Dividende vielfach bei finanziell schwacher» Instituten, die im
Versprechen recht skrupellos sind, viel billiger geraten, als bei soliden und
reichen Gesellschaften, die nur so viel in Aussicht stellen, wie sie verantworten
zu können glauben.

Dies sind die Schattenseiten, die Unarten, die durch die Konkurrenz auf
dem Lebensversicherungsgebiet aufgekommen sind. Von den glänzenden Fort¬
schritten, die die wertvolle Frucht des Wettbewerbs ausmachen, geben dagegen
die nachfolgenden Zahlen Zeugnis, in denen der gegenwärtige Stand der
deutschen Lebensversicherung nach der geschäftlichen und der finanziellen Seite
getrennt zum Ausdruck kommt. Die folgende Übersicht zeigt zunächst die ge¬
schäftliche Entwicklung im Jahre 1902.

Gegenseitigkeitsanstalten
Zu er- Äersiche-
m°s->Mi-^et ledigende Neue Aus- Netto- rungsbestand
Ge,en,cya,i Grimdungs- Anträge nahmen Zuwachs Ende 1902
jähr Mark Mark Mark Mark
Gothaer........(1827) S2936000 44015800 16767480 324514680
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[0698] vom Wettbewerb der Tebensverstcherungsanstalten in Deutschland sichern« gsgesellschaft alle ihre Ausgaben uur aus den eingehenden Prümien- geldern der Versicherten bestreitet, so liegt klar zutage, daß sie den soge¬ nannten „Rabatt," der für sie einen Ausfall bedeutet, in den spätern Jahren irgendwie wieder hereinbringen muß. Das geschieht dadurch, daß dann eben die Dividenden an die Versicherten niedriger ausfallen. Der Nabattunfug ist in Deutschland neuerdings so zu einem Grundübel des Lebensversicherungs¬ betriebs geworden, daß alle Anstrengungen der soliden Gesellschaften, ihn ein¬ zudämmen, fruchtlos erscheinen; hier kann nur ausführliche Belehrung des Publikums helfen. Die Provisionsabgabe ist meist das Konkurrenzmittel der kleinern und weniger leistungsfähigen Anstalten; ein Agent, der Rabatt an¬ bietet, kompromittiert seine Gesellschaft dadurch sofort als von geringem Wert. Das dritte Lockmittel, und zwar das bestechendste, das der unbekümmerten Acquisition zur Verfügung steht, sind die sogenannten Kostenberechnungen, die unter Annahme eines mehr oder weniger hohen Dividendensatzes angeben sollen, wieviel der Kandidat insgesamt für seine Versicherung zu leisten haben wird. Diesen Berechnungen werden die gegenwärtig von den Gesellschaften verteilten Dividenden zugrunde gelegt. An und für sich ließe sich nichts gegen solche Kostenvoranschlage sagen, wenn nicht hüusig — mit oder ohne Absicht — viel zu hohe Dividenden in Aussicht genommen würden. Das gilt namentlich von der sogenannten „steigenden Dividende." Dabei sollen die Gewinnanteile der Versicherten im Anfang niedrig sein und von Jahr zu Jahr nach einem bestimmten Satze steigen. Nun kann man bei einer solchen Einrichtung, die die Erfüllung der versprochnen Leistungen sehr weit hinausschiebt, lange Zeit mit viel höhern Sätzen rechnen, als die finanzielle Lage einer Gesellschaft eigentlich zuläßt. So kommt es, daß die Kostenvvranschläge für Versicherungen mit steigender Dividende vielfach bei finanziell schwacher» Instituten, die im Versprechen recht skrupellos sind, viel billiger geraten, als bei soliden und reichen Gesellschaften, die nur so viel in Aussicht stellen, wie sie verantworten zu können glauben. Dies sind die Schattenseiten, die Unarten, die durch die Konkurrenz auf dem Lebensversicherungsgebiet aufgekommen sind. Von den glänzenden Fort¬ schritten, die die wertvolle Frucht des Wettbewerbs ausmachen, geben dagegen die nachfolgenden Zahlen Zeugnis, in denen der gegenwärtige Stand der deutschen Lebensversicherung nach der geschäftlichen und der finanziellen Seite getrennt zum Ausdruck kommt. Die folgende Übersicht zeigt zunächst die ge¬ schäftliche Entwicklung im Jahre 1902. Gegenseitigkeitsanstalten Zu er- Äersiche- m°s->Mi-^et ledigende Neue Aus- Netto- rungsbestand Ge,en,cya,i Grimdungs- Anträge nahmen Zuwachs Ende 1902 jähr Mark Mark Mark Mark Gothaer........(1827) S2936000 44015800 16767480 324514680 Alte Stuttgarter......(1854) 56366850 44580330 26903013 653473715 Alte Leipziger......(1330) S8137400 46577700 25048300 649125250 Karlsruher.......(1864) 41009900 32637614 19397556 495989821 Deutsche Militärdienst .... (1878) 17677370 16082860 928687 297907348

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/698>, abgerufen am 29.06.2024.