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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist sonnenklar, mein braucht nur an süddeutsche Heereszustäude im Frühjahr 1849
zudenke". "Wohl ausgesonnen, Pater Lamormaiu!" Die agitatorische Ausnutzung
der Soldatenmißhandluugen wird ja voraussichtlich auch den Reichstag ausgiebig
beschäftigen; hoffentlich wird fie dort einer Energie begegnen, der sie nicht gewachsen
ist. Wo Unrecht vorliegt, haben die von Rechts Wege" dazu verordnete" Gewalten
"z" einzugreifen, die "Vereinsaktion" wäre Polnischer Stantsbcmkerott.




Ein neuer Schillerhasser.

In der bei Teubner erscheinenden Samm¬
lung "Aus Natur und Geisteswelt" hat Herr Boehmer-Romnndt soeben eine
"historische Skizze" über die Jesuiten herausgegeben. Der wissenschaftliche Wert
oder Unwert des Schriftchens mag hier beiseite bleiben; dagegen dürfte es ange¬
bracht sein, eine grobe Takt- und Geschmacklosigkeit des Verfassers nicht ungerügt
hingehn zu lassen. Dieser sagt nämlich S. 164 wörtlich: "Die Historie kennt, so¬
fern sie sich nicht zur Prophezei s!j erniedrigt, weder die Liebe noch den Haß. . . .
Weltgericht zu spielen, wie ihr ein mittelmäßiger Poet und schlechter Historiker einst
riet . . . ist nicht ihre Sache." Deutschlands größter Dramatiker, der Dichter der
Räuber und der Luise Millerin, des Wallenstein und des Demetrius, bedarf natürlich
keiner Verteidigung gegen einen so plumpen Angriff: der Ausfall richtet sich selbst.
In dem an unerfreulichen Beispielen überreichen Kapitel, wie man "deutsche Meister"
ehrt, ist er eines der unerfreulichsten.

Aber die Sache hat auch ihre komische Seite. Der "mittelmäßige Poet" sagt
nämlich in den angeführten Worten gar nicht das, was ihm der "exakte Historiker"
Herr Boehmer-Romnndt in die Schuhe schiebt. Deal der gestrenge Kritikus er¬
laubt sich die beiden Begriffe "Geschichte" und "Geschichtschreibung" einfach mit¬
einander zu vertauschen. Er gibt seinem Autor "die Krätze, um ihn reiben zu
könne"," wie Lessing mit einem ans dem Hudibras geborgten Bilde sagt. Histo¬
risch ist ein solches Verfahren gerade nicht.

Was Schiller mit seinen vielzitierten Worten: "Die Weltgeschichte ist das Welt¬
gericht" hat ausdrücken wollen, ist natürlich etwas ganz andres. Es genügt, sich den
Zusammenhang zu vergegenwärtigen, wenn man das Richtige sofort erkennen will.
Der Dichter fordert von "der Vergelterin" den Lohn für seine Entsagung. Da wird
ihm zur Autwort, daß allen Menschenkindern ohne Unterschied zwei Blumen blühn:
Hoffnung und Genuß. Wer die eine gebrochen hat, darf nicht nach der andern
begehren. Der Lohn für alle Entsagung liegt in der Hoffnung, in dem Glauben,
der ihre Ursache gewesen ist. Eine andre Vergeltung gibt es nicht.

Das Zitat selbst läßt sich grammatisch zwiefach konstruieren: entweder faßt man
herkömmlicherweise "Weltgeschichte" als Subjekt, "Weltgericht" als Prädikatsnomen,
dann besagen die Worte: in der Weltgeschichte d. h. in den Taten der Menschen ist
^ohn und Strafe, ist das Weltgericht enthalten. Oder man betrachtet, wie es in Fach¬
kreisen neuerdings üblich geworden ist, "Weltgericht" als Subjekt, "Weltgeschichte"
"ber als Prädikatsnomen. Dann ist der Sinn: Das Weltgericht ist nichts andres
"is der Verlauf der Weltgeschichte; denn in ihm liegt Lohn' und Strafe beschlossen,
^-in man auch die Stelle auffassen möge, so viel steht jedenfalls fest, daß sie
nur eine immanente Vergeltung anerkennt, von einer transzendenten aber nichts
wissen will.

Daß dies etwas andres ist als der Rat an die Geschichtschreibung, "Weltgericht
on spielen," wird vielleicht auch Herr Boehmer-Romnndt bei einigem Nachdenken
Sugestehn müssen. Vielleicht wird er bei weiterer Selbstprüfung außerdem noch
entdecken, daß auch ein "mittelmäßiger Poet" nicht ungestraft von einem "exakten
Historiker" vergewaltigt werden darf.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

ist sonnenklar, mein braucht nur an süddeutsche Heereszustäude im Frühjahr 1849
zudenke». „Wohl ausgesonnen, Pater Lamormaiu!" Die agitatorische Ausnutzung
der Soldatenmißhandluugen wird ja voraussichtlich auch den Reichstag ausgiebig
beschäftigen; hoffentlich wird fie dort einer Energie begegnen, der sie nicht gewachsen
ist. Wo Unrecht vorliegt, haben die von Rechts Wege» dazu verordnete» Gewalten
»z» einzugreifen, die „Vereinsaktion" wäre Polnischer Stantsbcmkerott.




Ein neuer Schillerhasser.

In der bei Teubner erscheinenden Samm¬
lung „Aus Natur und Geisteswelt" hat Herr Boehmer-Romnndt soeben eine
„historische Skizze" über die Jesuiten herausgegeben. Der wissenschaftliche Wert
oder Unwert des Schriftchens mag hier beiseite bleiben; dagegen dürfte es ange¬
bracht sein, eine grobe Takt- und Geschmacklosigkeit des Verfassers nicht ungerügt
hingehn zu lassen. Dieser sagt nämlich S. 164 wörtlich: „Die Historie kennt, so¬
fern sie sich nicht zur Prophezei s!j erniedrigt, weder die Liebe noch den Haß. . . .
Weltgericht zu spielen, wie ihr ein mittelmäßiger Poet und schlechter Historiker einst
riet . . . ist nicht ihre Sache." Deutschlands größter Dramatiker, der Dichter der
Räuber und der Luise Millerin, des Wallenstein und des Demetrius, bedarf natürlich
keiner Verteidigung gegen einen so plumpen Angriff: der Ausfall richtet sich selbst.
In dem an unerfreulichen Beispielen überreichen Kapitel, wie man „deutsche Meister"
ehrt, ist er eines der unerfreulichsten.

Aber die Sache hat auch ihre komische Seite. Der „mittelmäßige Poet" sagt
nämlich in den angeführten Worten gar nicht das, was ihm der „exakte Historiker"
Herr Boehmer-Romnndt in die Schuhe schiebt. Deal der gestrenge Kritikus er¬
laubt sich die beiden Begriffe „Geschichte" und „Geschichtschreibung" einfach mit¬
einander zu vertauschen. Er gibt seinem Autor „die Krätze, um ihn reiben zu
könne»," wie Lessing mit einem ans dem Hudibras geborgten Bilde sagt. Histo¬
risch ist ein solches Verfahren gerade nicht.

Was Schiller mit seinen vielzitierten Worten: „Die Weltgeschichte ist das Welt¬
gericht" hat ausdrücken wollen, ist natürlich etwas ganz andres. Es genügt, sich den
Zusammenhang zu vergegenwärtigen, wenn man das Richtige sofort erkennen will.
Der Dichter fordert von „der Vergelterin" den Lohn für seine Entsagung. Da wird
ihm zur Autwort, daß allen Menschenkindern ohne Unterschied zwei Blumen blühn:
Hoffnung und Genuß. Wer die eine gebrochen hat, darf nicht nach der andern
begehren. Der Lohn für alle Entsagung liegt in der Hoffnung, in dem Glauben,
der ihre Ursache gewesen ist. Eine andre Vergeltung gibt es nicht.

Das Zitat selbst läßt sich grammatisch zwiefach konstruieren: entweder faßt man
herkömmlicherweise „Weltgeschichte" als Subjekt, „Weltgericht" als Prädikatsnomen,
dann besagen die Worte: in der Weltgeschichte d. h. in den Taten der Menschen ist
^ohn und Strafe, ist das Weltgericht enthalten. Oder man betrachtet, wie es in Fach¬
kreisen neuerdings üblich geworden ist, „Weltgericht" als Subjekt, „Weltgeschichte"
"ber als Prädikatsnomen. Dann ist der Sinn: Das Weltgericht ist nichts andres
"is der Verlauf der Weltgeschichte; denn in ihm liegt Lohn' und Strafe beschlossen,
^-in man auch die Stelle auffassen möge, so viel steht jedenfalls fest, daß sie
nur eine immanente Vergeltung anerkennt, von einer transzendenten aber nichts
wissen will.

Daß dies etwas andres ist als der Rat an die Geschichtschreibung, „Weltgericht
on spielen," wird vielleicht auch Herr Boehmer-Romnndt bei einigem Nachdenken
Sugestehn müssen. Vielleicht wird er bei weiterer Selbstprüfung außerdem noch
entdecken, daß auch ein „mittelmäßiger Poet" nicht ungestraft von einem „exakten
Historiker" vergewaltigt werden darf.




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[0611] Maßgebliches und Unmaßgebliches ist sonnenklar, mein braucht nur an süddeutsche Heereszustäude im Frühjahr 1849 zudenke». „Wohl ausgesonnen, Pater Lamormaiu!" Die agitatorische Ausnutzung der Soldatenmißhandluugen wird ja voraussichtlich auch den Reichstag ausgiebig beschäftigen; hoffentlich wird fie dort einer Energie begegnen, der sie nicht gewachsen ist. Wo Unrecht vorliegt, haben die von Rechts Wege» dazu verordnete» Gewalten »z» einzugreifen, die „Vereinsaktion" wäre Polnischer Stantsbcmkerott. Ein neuer Schillerhasser. In der bei Teubner erscheinenden Samm¬ lung „Aus Natur und Geisteswelt" hat Herr Boehmer-Romnndt soeben eine „historische Skizze" über die Jesuiten herausgegeben. Der wissenschaftliche Wert oder Unwert des Schriftchens mag hier beiseite bleiben; dagegen dürfte es ange¬ bracht sein, eine grobe Takt- und Geschmacklosigkeit des Verfassers nicht ungerügt hingehn zu lassen. Dieser sagt nämlich S. 164 wörtlich: „Die Historie kennt, so¬ fern sie sich nicht zur Prophezei s!j erniedrigt, weder die Liebe noch den Haß. . . . Weltgericht zu spielen, wie ihr ein mittelmäßiger Poet und schlechter Historiker einst riet . . . ist nicht ihre Sache." Deutschlands größter Dramatiker, der Dichter der Räuber und der Luise Millerin, des Wallenstein und des Demetrius, bedarf natürlich keiner Verteidigung gegen einen so plumpen Angriff: der Ausfall richtet sich selbst. In dem an unerfreulichen Beispielen überreichen Kapitel, wie man „deutsche Meister" ehrt, ist er eines der unerfreulichsten. Aber die Sache hat auch ihre komische Seite. Der „mittelmäßige Poet" sagt nämlich in den angeführten Worten gar nicht das, was ihm der „exakte Historiker" Herr Boehmer-Romnndt in die Schuhe schiebt. Deal der gestrenge Kritikus er¬ laubt sich die beiden Begriffe „Geschichte" und „Geschichtschreibung" einfach mit¬ einander zu vertauschen. Er gibt seinem Autor „die Krätze, um ihn reiben zu könne»," wie Lessing mit einem ans dem Hudibras geborgten Bilde sagt. Histo¬ risch ist ein solches Verfahren gerade nicht. Was Schiller mit seinen vielzitierten Worten: „Die Weltgeschichte ist das Welt¬ gericht" hat ausdrücken wollen, ist natürlich etwas ganz andres. Es genügt, sich den Zusammenhang zu vergegenwärtigen, wenn man das Richtige sofort erkennen will. Der Dichter fordert von „der Vergelterin" den Lohn für seine Entsagung. Da wird ihm zur Autwort, daß allen Menschenkindern ohne Unterschied zwei Blumen blühn: Hoffnung und Genuß. Wer die eine gebrochen hat, darf nicht nach der andern begehren. Der Lohn für alle Entsagung liegt in der Hoffnung, in dem Glauben, der ihre Ursache gewesen ist. Eine andre Vergeltung gibt es nicht. Das Zitat selbst läßt sich grammatisch zwiefach konstruieren: entweder faßt man herkömmlicherweise „Weltgeschichte" als Subjekt, „Weltgericht" als Prädikatsnomen, dann besagen die Worte: in der Weltgeschichte d. h. in den Taten der Menschen ist ^ohn und Strafe, ist das Weltgericht enthalten. Oder man betrachtet, wie es in Fach¬ kreisen neuerdings üblich geworden ist, „Weltgericht" als Subjekt, „Weltgeschichte" "ber als Prädikatsnomen. Dann ist der Sinn: Das Weltgericht ist nichts andres "is der Verlauf der Weltgeschichte; denn in ihm liegt Lohn' und Strafe beschlossen, ^-in man auch die Stelle auffassen möge, so viel steht jedenfalls fest, daß sie nur eine immanente Vergeltung anerkennt, von einer transzendenten aber nichts wissen will. Daß dies etwas andres ist als der Rat an die Geschichtschreibung, „Weltgericht on spielen," wird vielleicht auch Herr Boehmer-Romnndt bei einigem Nachdenken Sugestehn müssen. Vielleicht wird er bei weiterer Selbstprüfung außerdem noch entdecken, daß auch ein „mittelmäßiger Poet" nicht ungestraft von einem „exakten Historiker" vergewaltigt werden darf.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/611>, abgerufen am 29.06.2024.