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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

von Schwanken gar keine Rede mehr sein: dann muß die Differential- und In¬
tegralrechnung in der Prima gelehrt werden, wenn mau nicht allen akademisch
Gebildeten, die nicht Ingenieure oder Mathematiker werden, den Zugang zu den
modernen Naturwissenschaften versperren will. Wir Ältern sind vorläufig übel
daran; denn die Lehrbücher der höhern Mathematik sind ohne Einführung durch
mündlichen Unterricht kaum zu verstehen, sodciß man sich versucht fühlt, die Herren
der beiden Fächer zu bitten, daß entweder die Phhsiker von ihrer Geheimsprache
zur allgemein verständlichen zurückkehren, oder, falls das wirklich ohne Schädigung
der Wissenschaft nicht möglich sein sollte, die Mathematiker verständlichere Lehrbücher
schreiben mochten.


Hiltybriefe.

Ein neues Hilthbüchlein bedarf keiner Empfehlung, nicht einmal
einer Anzeige, und wir würden unser Rezensionsexemplar der Briefe von Prof.
I)r. Hills (Leipzig, I. C. Hinrichs, 1903) mir zur eignen Erbauung verwenden,
wenn uns nicht eine Gelegenheit erwünscht wäre, gegen die Beurteilung zu pro¬
testieren, die Hills vor einiger Zeit in einer angesehenen Wochenschrift erfahren
hat. Seine persönliche und seine Professorate Achtbarkeit wird da zwar anerkannt,
von seinen populärphilosophischen Schriften aber wird gesagt, sie bestünden aus
lauter Trivialitäten, sodaß ihre starke Verbreitung ein beschämendes Zeugnis für
den niedrigen Bildnngstand des deutschen Publikums sei. Es ist jn wahr, funkel-
nagelneue Gedanken hat Hills nicht ausgeheckt. Seine Weisheit ist der Hauptsache
uach Bibelweisheit, also ziemlich alt. Auch muß man zugeben, daß er schweizerisch
hausbacken ist und dem Puritanertnm zuneigt, das ästhetische Humanitätsideal, das
Theater und sogar Goethe gering schätzt, darum sehr leidenschaftlichen Menschen
nicht genügen und den Genies nicht gefallen kann, am wenigsten den Leuten, die
sich nur für Genies halten. Aber außer den wirklichen und den eingebildeten
Genies gibt es uoch genug andre Leute, für die es keine Schande ist, wenn sie
eine gesunde Hauswcinnskost dem schwärmerischen Überschwang, einer dem gewöhn¬
lichen Menschenverstande unzugänglichen philosophischen Tiefe und geistreicher Gaukelei
vorziehn, und alte Wahrheiten, die wirkliche Wahrheiten sind, bleiben ewig jung
und müssen eben jedem Geschlecht in seiner Sprache und mit den zeitgemäßen An¬
wendungen aufs neue vorgetragen werden. Ihre mächtige Wirkung aber üben
diese alten Wahrheiten in unserm Falle dadurch aus, daß es ein mit dem Wissen
unsrer Zeit ausgerüsteter Mann ist, der sie als Wahrheiten an sich selbst erfahren
hat und das nun öffentlich bekennt. Die Briefe sind an vier verschiedne Personen
gerichtet und handeln von der Kunst der Erziehung, von der Freundschaft, von
Dante und vom Kommen des Reiches Gottes. Wir schreiben ans dem ersten
Kapitel eine der Stellen ab, von denen man nicht wird behaupten wollen, daß sie
ganz Selbstverständliches und allgemein Anerkanntes aussprächen. "Vor allen
Dingen dürfen Ihre Kinder keinen Respekt vor dem bloßen Reichtum bekommen
und Namen, wie Rothschild, oder Morgan oder Rockefeller, müssen ihnen ganz so
glcichgiliig sein wie Hinz oder Kurz. Sie müssen solche Leute nicht einmal dann
amnestieren, wenn sie einen Teil ihres Besitzes an wohltätige Anstalten verschenken,
ähnlich wie die alten Raubritter für ihr Seelenheil Klöster stifteten, und eine
amerikanische Petroleumpriuzessin oder Schweinemetzgertochter muß ihnen nur lächerlich
erscheinen, wenn sie sich mit einer großen Mitgift eine englische oder französische
Grafenkrone erwirbt. Das ist der erste Anfang zu einer richtigen Erziehung in
dieser Richtung, das aber kommt (wie das meiste andre auch) durch Ihr Beispiel.
Behandeln Sie selbst die bloß reichen Leute mit offenbarer Gleichgiltigkeit, dann
werden Ihre Kinder gnr nicht auf die Idee kommen, daß sie etwas besondres
seien. Für einen rechten Knaben ist das Ideal eines Erwachsenen, daß er stark,
oder tapfer, oder allenfalls noch etwa gelehrt, ein Erfinder oder weitgereist sei.
Einem Manne, der bloß viel Geld besitzt, fragt er kaum viel "ach, wenn ihm das
nicht von seinen Herren Eltern oder von Dienstboten oder ungeeigneten Freunden
beigebracht wird."




Maßgebliches und Unmaßgebliches

von Schwanken gar keine Rede mehr sein: dann muß die Differential- und In¬
tegralrechnung in der Prima gelehrt werden, wenn mau nicht allen akademisch
Gebildeten, die nicht Ingenieure oder Mathematiker werden, den Zugang zu den
modernen Naturwissenschaften versperren will. Wir Ältern sind vorläufig übel
daran; denn die Lehrbücher der höhern Mathematik sind ohne Einführung durch
mündlichen Unterricht kaum zu verstehen, sodciß man sich versucht fühlt, die Herren
der beiden Fächer zu bitten, daß entweder die Phhsiker von ihrer Geheimsprache
zur allgemein verständlichen zurückkehren, oder, falls das wirklich ohne Schädigung
der Wissenschaft nicht möglich sein sollte, die Mathematiker verständlichere Lehrbücher
schreiben mochten.


Hiltybriefe.

Ein neues Hilthbüchlein bedarf keiner Empfehlung, nicht einmal
einer Anzeige, und wir würden unser Rezensionsexemplar der Briefe von Prof.
I)r. Hills (Leipzig, I. C. Hinrichs, 1903) mir zur eignen Erbauung verwenden,
wenn uns nicht eine Gelegenheit erwünscht wäre, gegen die Beurteilung zu pro¬
testieren, die Hills vor einiger Zeit in einer angesehenen Wochenschrift erfahren
hat. Seine persönliche und seine Professorate Achtbarkeit wird da zwar anerkannt,
von seinen populärphilosophischen Schriften aber wird gesagt, sie bestünden aus
lauter Trivialitäten, sodaß ihre starke Verbreitung ein beschämendes Zeugnis für
den niedrigen Bildnngstand des deutschen Publikums sei. Es ist jn wahr, funkel-
nagelneue Gedanken hat Hills nicht ausgeheckt. Seine Weisheit ist der Hauptsache
uach Bibelweisheit, also ziemlich alt. Auch muß man zugeben, daß er schweizerisch
hausbacken ist und dem Puritanertnm zuneigt, das ästhetische Humanitätsideal, das
Theater und sogar Goethe gering schätzt, darum sehr leidenschaftlichen Menschen
nicht genügen und den Genies nicht gefallen kann, am wenigsten den Leuten, die
sich nur für Genies halten. Aber außer den wirklichen und den eingebildeten
Genies gibt es uoch genug andre Leute, für die es keine Schande ist, wenn sie
eine gesunde Hauswcinnskost dem schwärmerischen Überschwang, einer dem gewöhn¬
lichen Menschenverstande unzugänglichen philosophischen Tiefe und geistreicher Gaukelei
vorziehn, und alte Wahrheiten, die wirkliche Wahrheiten sind, bleiben ewig jung
und müssen eben jedem Geschlecht in seiner Sprache und mit den zeitgemäßen An¬
wendungen aufs neue vorgetragen werden. Ihre mächtige Wirkung aber üben
diese alten Wahrheiten in unserm Falle dadurch aus, daß es ein mit dem Wissen
unsrer Zeit ausgerüsteter Mann ist, der sie als Wahrheiten an sich selbst erfahren
hat und das nun öffentlich bekennt. Die Briefe sind an vier verschiedne Personen
gerichtet und handeln von der Kunst der Erziehung, von der Freundschaft, von
Dante und vom Kommen des Reiches Gottes. Wir schreiben ans dem ersten
Kapitel eine der Stellen ab, von denen man nicht wird behaupten wollen, daß sie
ganz Selbstverständliches und allgemein Anerkanntes aussprächen. „Vor allen
Dingen dürfen Ihre Kinder keinen Respekt vor dem bloßen Reichtum bekommen
und Namen, wie Rothschild, oder Morgan oder Rockefeller, müssen ihnen ganz so
glcichgiliig sein wie Hinz oder Kurz. Sie müssen solche Leute nicht einmal dann
amnestieren, wenn sie einen Teil ihres Besitzes an wohltätige Anstalten verschenken,
ähnlich wie die alten Raubritter für ihr Seelenheil Klöster stifteten, und eine
amerikanische Petroleumpriuzessin oder Schweinemetzgertochter muß ihnen nur lächerlich
erscheinen, wenn sie sich mit einer großen Mitgift eine englische oder französische
Grafenkrone erwirbt. Das ist der erste Anfang zu einer richtigen Erziehung in
dieser Richtung, das aber kommt (wie das meiste andre auch) durch Ihr Beispiel.
Behandeln Sie selbst die bloß reichen Leute mit offenbarer Gleichgiltigkeit, dann
werden Ihre Kinder gnr nicht auf die Idee kommen, daß sie etwas besondres
seien. Für einen rechten Knaben ist das Ideal eines Erwachsenen, daß er stark,
oder tapfer, oder allenfalls noch etwa gelehrt, ein Erfinder oder weitgereist sei.
Einem Manne, der bloß viel Geld besitzt, fragt er kaum viel «ach, wenn ihm das
nicht von seinen Herren Eltern oder von Dienstboten oder ungeeigneten Freunden
beigebracht wird."




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[0546] Maßgebliches und Unmaßgebliches von Schwanken gar keine Rede mehr sein: dann muß die Differential- und In¬ tegralrechnung in der Prima gelehrt werden, wenn mau nicht allen akademisch Gebildeten, die nicht Ingenieure oder Mathematiker werden, den Zugang zu den modernen Naturwissenschaften versperren will. Wir Ältern sind vorläufig übel daran; denn die Lehrbücher der höhern Mathematik sind ohne Einführung durch mündlichen Unterricht kaum zu verstehen, sodciß man sich versucht fühlt, die Herren der beiden Fächer zu bitten, daß entweder die Phhsiker von ihrer Geheimsprache zur allgemein verständlichen zurückkehren, oder, falls das wirklich ohne Schädigung der Wissenschaft nicht möglich sein sollte, die Mathematiker verständlichere Lehrbücher schreiben mochten. Hiltybriefe. Ein neues Hilthbüchlein bedarf keiner Empfehlung, nicht einmal einer Anzeige, und wir würden unser Rezensionsexemplar der Briefe von Prof. I)r. Hills (Leipzig, I. C. Hinrichs, 1903) mir zur eignen Erbauung verwenden, wenn uns nicht eine Gelegenheit erwünscht wäre, gegen die Beurteilung zu pro¬ testieren, die Hills vor einiger Zeit in einer angesehenen Wochenschrift erfahren hat. Seine persönliche und seine Professorate Achtbarkeit wird da zwar anerkannt, von seinen populärphilosophischen Schriften aber wird gesagt, sie bestünden aus lauter Trivialitäten, sodaß ihre starke Verbreitung ein beschämendes Zeugnis für den niedrigen Bildnngstand des deutschen Publikums sei. Es ist jn wahr, funkel- nagelneue Gedanken hat Hills nicht ausgeheckt. Seine Weisheit ist der Hauptsache uach Bibelweisheit, also ziemlich alt. Auch muß man zugeben, daß er schweizerisch hausbacken ist und dem Puritanertnm zuneigt, das ästhetische Humanitätsideal, das Theater und sogar Goethe gering schätzt, darum sehr leidenschaftlichen Menschen nicht genügen und den Genies nicht gefallen kann, am wenigsten den Leuten, die sich nur für Genies halten. Aber außer den wirklichen und den eingebildeten Genies gibt es uoch genug andre Leute, für die es keine Schande ist, wenn sie eine gesunde Hauswcinnskost dem schwärmerischen Überschwang, einer dem gewöhn¬ lichen Menschenverstande unzugänglichen philosophischen Tiefe und geistreicher Gaukelei vorziehn, und alte Wahrheiten, die wirkliche Wahrheiten sind, bleiben ewig jung und müssen eben jedem Geschlecht in seiner Sprache und mit den zeitgemäßen An¬ wendungen aufs neue vorgetragen werden. Ihre mächtige Wirkung aber üben diese alten Wahrheiten in unserm Falle dadurch aus, daß es ein mit dem Wissen unsrer Zeit ausgerüsteter Mann ist, der sie als Wahrheiten an sich selbst erfahren hat und das nun öffentlich bekennt. Die Briefe sind an vier verschiedne Personen gerichtet und handeln von der Kunst der Erziehung, von der Freundschaft, von Dante und vom Kommen des Reiches Gottes. Wir schreiben ans dem ersten Kapitel eine der Stellen ab, von denen man nicht wird behaupten wollen, daß sie ganz Selbstverständliches und allgemein Anerkanntes aussprächen. „Vor allen Dingen dürfen Ihre Kinder keinen Respekt vor dem bloßen Reichtum bekommen und Namen, wie Rothschild, oder Morgan oder Rockefeller, müssen ihnen ganz so glcichgiliig sein wie Hinz oder Kurz. Sie müssen solche Leute nicht einmal dann amnestieren, wenn sie einen Teil ihres Besitzes an wohltätige Anstalten verschenken, ähnlich wie die alten Raubritter für ihr Seelenheil Klöster stifteten, und eine amerikanische Petroleumpriuzessin oder Schweinemetzgertochter muß ihnen nur lächerlich erscheinen, wenn sie sich mit einer großen Mitgift eine englische oder französische Grafenkrone erwirbt. Das ist der erste Anfang zu einer richtigen Erziehung in dieser Richtung, das aber kommt (wie das meiste andre auch) durch Ihr Beispiel. Behandeln Sie selbst die bloß reichen Leute mit offenbarer Gleichgiltigkeit, dann werden Ihre Kinder gnr nicht auf die Idee kommen, daß sie etwas besondres seien. Für einen rechten Knaben ist das Ideal eines Erwachsenen, daß er stark, oder tapfer, oder allenfalls noch etwa gelehrt, ein Erfinder oder weitgereist sei. Einem Manne, der bloß viel Geld besitzt, fragt er kaum viel «ach, wenn ihm das nicht von seinen Herren Eltern oder von Dienstboten oder ungeeigneten Freunden beigebracht wird."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_242067/546>, abgerufen am 29.06.2024.