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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Aus der Rom^nliteratur

diese deutschen Tugenden werden nicht ererbt, sie müssen von jeder Generntion
neu erworben werden, mit einem strammen deutschen Volksbewußtsein sind
keineswegs alle deutschen Tugenden notwendig verbunden. Das mögen sich
die Deutschbvhmen vor Angen halte", das möge den Führern der Deutsch-
vsterreicher als Richtschnur gelten. Sobald der Tscheche erkennt, das; der
Deutsche -- nicht mit dem Munde, sondern mit der innern Glut des wieder-
gebornen Volkstums -- den Kampf aufnimmt, wird er bald nachgeben,
denn die Partie steht ungleich, die Tschechen können ihr Sprachgebiet gegen
ein mit zehnfacher Übermacht sie umgebendes Volkstum nicht aufrecht erhalten,
das können sie bloß Schwächlingen gegenüber, die ihre Kraft in Demonstrationen
und Doktrinen vergeuden. Die Tschechen wissen, daß trotz so grober Fehler
ihrer Gegner das Deutschtum in Böhmen der Zahl uach doch nicht zurück¬
gegangen ist, und daß es bei geänderter Taktik siegen muß. Dann erst
werden sie zum Frieden bereit sein, aber solange ihnen die heutigen Aussichten
winken, niemals, aus großen Worten machen sie sich nichts. Das Gefechts¬
feld für die Deutschösterreicher ist klar zu überschauen, klärend und befreiend
für Österreich wird aber schließlich nnr der erstrittue Ausgleich zwischen Deutschen
und Tschechen wirken. Alle Verfassungsänderungs- und Lünderteilungsplänc
sind bis dahin vergeblich, wenn nicht überhaupt schon von Hans aus verfehlt.


-- V --


Aus der Romanliteratur
Wilhelm vo" Potenz) (Schriften on>n

> le Literatur gehört in die allgemeine Geschichte des geistigen Lebens
^und läßt mit am deutlichsten dessen intime Regungen erkennen.
Darum unterliegen Werke der Literatur eigentlich zuerst immer
einer ideellen, erst dann einer persönlichen Betrachtung. Es ist
...i nicht anders, als daß, wie Ranke einmal in der Geschichte der
Hupste sagt, alles menschliche Tun und Treiben dem leisen und der Bemerkung
oft entzognen, aber gewaltigen und unaufhaltsamen Gange der Dinge unterworfen
'se. Wenn wir vom Verfasser gar nichts wissen, so lernen wir ihn und seine
<Me durch sein Werk kennen. Das um so mehr, als bei uns der Roman und
"e nicht scharf von ihm zu scheidende Novelle an Schrift und Druck gebunden
"w, während einst in der westeuropäischen Kultur die Kunst mündlich fortge
pMnzter Novelle" bei den Jsländern gedieh (Heusler, Die Geschichte vom Hühner-
thorir. Berlin, 1900). Nachdem sich der Roman ans dem Epos gelöst und
Mu Teil mit Chronik und Biographie vereinigt hat, ist diese nicht-dramatische
Darstellung menschlicher Dinge unter wechselvollen Schicksalen zu einer reichen
^utwnklung gekommen, die beweist, wie sehr sie Bedürfnis ist.

Da wir ein geistiges Erzeugnis im Grunde erst dann verstehn, wenn wir
zu wissen glauben, aus welchem Bedürfnis es entstanden ist, so werden Nur auf
dre doppelte Betrachtung der Tendenz der Zeit und der Persönlichkeit des Autors
Gre


uzbalen III 190Z 100
Aus der Rom^nliteratur

diese deutschen Tugenden werden nicht ererbt, sie müssen von jeder Generntion
neu erworben werden, mit einem strammen deutschen Volksbewußtsein sind
keineswegs alle deutschen Tugenden notwendig verbunden. Das mögen sich
die Deutschbvhmen vor Angen halte», das möge den Führern der Deutsch-
vsterreicher als Richtschnur gelten. Sobald der Tscheche erkennt, das; der
Deutsche — nicht mit dem Munde, sondern mit der innern Glut des wieder-
gebornen Volkstums — den Kampf aufnimmt, wird er bald nachgeben,
denn die Partie steht ungleich, die Tschechen können ihr Sprachgebiet gegen
ein mit zehnfacher Übermacht sie umgebendes Volkstum nicht aufrecht erhalten,
das können sie bloß Schwächlingen gegenüber, die ihre Kraft in Demonstrationen
und Doktrinen vergeuden. Die Tschechen wissen, daß trotz so grober Fehler
ihrer Gegner das Deutschtum in Böhmen der Zahl uach doch nicht zurück¬
gegangen ist, und daß es bei geänderter Taktik siegen muß. Dann erst
werden sie zum Frieden bereit sein, aber solange ihnen die heutigen Aussichten
winken, niemals, aus großen Worten machen sie sich nichts. Das Gefechts¬
feld für die Deutschösterreicher ist klar zu überschauen, klärend und befreiend
für Österreich wird aber schließlich nnr der erstrittue Ausgleich zwischen Deutschen
und Tschechen wirken. Alle Verfassungsänderungs- und Lünderteilungsplänc
sind bis dahin vergeblich, wenn nicht überhaupt schon von Hans aus verfehlt.


— V —


Aus der Romanliteratur
Wilhelm vo» Potenz) (Schriften on>n

> le Literatur gehört in die allgemeine Geschichte des geistigen Lebens
^und läßt mit am deutlichsten dessen intime Regungen erkennen.
Darum unterliegen Werke der Literatur eigentlich zuerst immer
einer ideellen, erst dann einer persönlichen Betrachtung. Es ist
...i nicht anders, als daß, wie Ranke einmal in der Geschichte der
Hupste sagt, alles menschliche Tun und Treiben dem leisen und der Bemerkung
oft entzognen, aber gewaltigen und unaufhaltsamen Gange der Dinge unterworfen
'se. Wenn wir vom Verfasser gar nichts wissen, so lernen wir ihn und seine
<Me durch sein Werk kennen. Das um so mehr, als bei uns der Roman und
"e nicht scharf von ihm zu scheidende Novelle an Schrift und Druck gebunden
"w, während einst in der westeuropäischen Kultur die Kunst mündlich fortge
pMnzter Novelle» bei den Jsländern gedieh (Heusler, Die Geschichte vom Hühner-
thorir. Berlin, 1900). Nachdem sich der Roman ans dem Epos gelöst und
Mu Teil mit Chronik und Biographie vereinigt hat, ist diese nicht-dramatische
Darstellung menschlicher Dinge unter wechselvollen Schicksalen zu einer reichen
^utwnklung gekommen, die beweist, wie sehr sie Bedürfnis ist.

Da wir ein geistiges Erzeugnis im Grunde erst dann verstehn, wenn wir
zu wissen glauben, aus welchem Bedürfnis es entstanden ist, so werden Nur auf
dre doppelte Betrachtung der Tendenz der Zeit und der Persönlichkeit des Autors
Gre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/801>, abgerufen am 21.11.2024.