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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

dabei auf sächsischer Seite sofort ein klein wenig von dem eilten Pcirtikularismns
wieder hervorgebrochen wäre. Man ruhen nicht nnr natürlich den regsten Anteil
an dem Geschick der "sächsischen" Truppen, sondern war sogar geneigt, Manöver¬
erfolge, wie die Wegnahme einer "preußischen" Batterie durch die 134er und die
Gefangennahme eines "preußischen" Bataillons durch sächsische Ulanen fast wie
wirkliche Siege zu feiern! Wie gesagt, die Sache hat an sich nichts auf sich,
aber man sollte bei solchen Gelegenheiten lieber alles vermeiden, was die Erinnerung
um alte überwundne Gegensähe wieder erwecken könnte, und deshalb künftig die
Manöverarmeen, bei denen außerpreußische Armeekorps beteiligt sind, womöglich so
zusammensetzen, daß diese nicht eine geschlossene Partei bilden, wie es am letzten
Manövertage in der Tat der Fall war, denn da stand das zwölfte Armeekorps
mit dem vierte" und dem elften zusammen.


Der Kamm.

Unter den reizenden Makamen des Hariri, die Friedrich
Rllckert übersetzt hat, ist die siebente überschrieben: Nadel und Kamm. An einem
kleinen Ort in der Nähe von Bnsra treten zwei Parteien vor den Kadi, ein Alter
und ein Jüngling, und verlangen Gerechtigkeit. Der Jüngling hat dem Alten eine
Nähnadel verdorben, der alte Mann dafür einem Kamme, der jenem gehörte, einen
Zahn ausgebrochen. Der erzürnte Besitzer beschreibt seinen Kamm gar artig: "Ein
barsches Bürschchen -- als wie ein Hirscheber -- mit Zinken und Zacken -- und
elfenbeinblinkendem Nacken -- mutwillig und eitel -- will jeden? über die Scheitel --
Jungen die Locken krausen -- Alten die Borsten zausen -- liebt Putzen und Zieren --
durch Wälder zu spazieren -- und fürchtet nicht den Weg zu verlieren -- bricht
durch dünn und dicht -- und was sich sträubt, das macht er schlicht." Wenn man
aber genauer hinsieht, so gewahrt man mit einiger Enttäuschung, daß im Original
gar kein Kamm steht. Sondern ein andres Toilettenstück des Orients, nämlich der
feine Metallstift, mit dem das sogenannte Kocht, eine schwarze Schminke, ans Augen-
brauen und Wimpern aufgetragen wird. Rückert hat den Kamm als einen be¬
kanntern Gegenstand dafür eingesetzt. Das ist um so ärgerlicher, als die Araber
ebensogut Kämme haben, sie heißen in Syrien Muscht, in Ägypten Mischt, Plural:
Amschät. In diesem Lande brauchen sich freilich nur die Frauen zu kämmen, weil
sich die Männer den Kopf rasieren lassen, eine Sitte, die bis in das graueste
Altertum zurückgeht. Nichtsdestoweniger sind schon in den ägyptischen Gräbern
hölzerne Kämme gefunden worden.

Rückert hat uns also mit seinem Kamm angeführt; aber ein Kamm ist über¬
haupt etwas ganz andres, als sich einer träumen läßt. Der berühmte Anatom Ernst
Heinrich Weber erklärte einmal seinen Zuhörern, daß der Kamm eigentlich eine
Art von Sieb sei. Sofern er zur Reinigung dient, ganz recht: mit dem Kamm
werden die Haare gesiebt wie Mehl, sie gehn durch die Zinken des Kammes hin¬
durch wie durch die Löcher eines Siebes, während die Kleie im Sieb zurückbleibt.
Der Riese Gargautua, der einen ungeheuern Kamm von Elefantenzähnen hatte,
kämmte sich uach dem Sturm auf eine Festung die Kugeln aus, die ihm auf den
Kopf geflogen waren, und die er für Weinbeerkerne hielt. Unsereins siebt sich mit
seinem Kamme nur deu Staub ub.

Hier macht uns aber wieder der Herr Professor etwas vor. Wenn der Kamm
auch eine Bestimmung hätte wie ein Sieb, der Gestalt nach erinnert er doch um
-ein andres Instrument. An die Säge. Mit dieser teilt er sein Hauptmerkmal,
die Zähne oder die Zinken, die den Zähnen einer Säge so ähnlich sind, daß man
den gezackten Grat eines Bergrückens nach Belieben bald mit dem einen, bald mit
dem andern vergleicht. Wir sprechen von Gebirgskcimmen; der Spanier sieht lnnter
Sägen am Horizont. Er hat seinen Monserrat, seine Sierra Morena und Nevada;
Sierra heißt im Spanischen die Säge. Die steinernen Kämme der Indianer, die
mitunter abgebildet werden, sehen wirklich ganz aus wie kleine Sägen; in den
Legenden der Märtyrer kommen sogar eiserne Kämme vor, die von Sägen kaum
uoch zu unterscheiden sind. .Von der Wollkämmerei gar nicht zu reden. Die


Maßgebliches und Unmaßgebliches

dabei auf sächsischer Seite sofort ein klein wenig von dem eilten Pcirtikularismns
wieder hervorgebrochen wäre. Man ruhen nicht nnr natürlich den regsten Anteil
an dem Geschick der „sächsischen" Truppen, sondern war sogar geneigt, Manöver¬
erfolge, wie die Wegnahme einer „preußischen" Batterie durch die 134er und die
Gefangennahme eines „preußischen" Bataillons durch sächsische Ulanen fast wie
wirkliche Siege zu feiern! Wie gesagt, die Sache hat an sich nichts auf sich,
aber man sollte bei solchen Gelegenheiten lieber alles vermeiden, was die Erinnerung
um alte überwundne Gegensähe wieder erwecken könnte, und deshalb künftig die
Manöverarmeen, bei denen außerpreußische Armeekorps beteiligt sind, womöglich so
zusammensetzen, daß diese nicht eine geschlossene Partei bilden, wie es am letzten
Manövertage in der Tat der Fall war, denn da stand das zwölfte Armeekorps
mit dem vierte« und dem elften zusammen.


Der Kamm.

Unter den reizenden Makamen des Hariri, die Friedrich
Rllckert übersetzt hat, ist die siebente überschrieben: Nadel und Kamm. An einem
kleinen Ort in der Nähe von Bnsra treten zwei Parteien vor den Kadi, ein Alter
und ein Jüngling, und verlangen Gerechtigkeit. Der Jüngling hat dem Alten eine
Nähnadel verdorben, der alte Mann dafür einem Kamme, der jenem gehörte, einen
Zahn ausgebrochen. Der erzürnte Besitzer beschreibt seinen Kamm gar artig: „Ein
barsches Bürschchen — als wie ein Hirscheber — mit Zinken und Zacken — und
elfenbeinblinkendem Nacken — mutwillig und eitel — will jeden? über die Scheitel —
Jungen die Locken krausen — Alten die Borsten zausen — liebt Putzen und Zieren —
durch Wälder zu spazieren — und fürchtet nicht den Weg zu verlieren — bricht
durch dünn und dicht — und was sich sträubt, das macht er schlicht." Wenn man
aber genauer hinsieht, so gewahrt man mit einiger Enttäuschung, daß im Original
gar kein Kamm steht. Sondern ein andres Toilettenstück des Orients, nämlich der
feine Metallstift, mit dem das sogenannte Kocht, eine schwarze Schminke, ans Augen-
brauen und Wimpern aufgetragen wird. Rückert hat den Kamm als einen be¬
kanntern Gegenstand dafür eingesetzt. Das ist um so ärgerlicher, als die Araber
ebensogut Kämme haben, sie heißen in Syrien Muscht, in Ägypten Mischt, Plural:
Amschät. In diesem Lande brauchen sich freilich nur die Frauen zu kämmen, weil
sich die Männer den Kopf rasieren lassen, eine Sitte, die bis in das graueste
Altertum zurückgeht. Nichtsdestoweniger sind schon in den ägyptischen Gräbern
hölzerne Kämme gefunden worden.

Rückert hat uns also mit seinem Kamm angeführt; aber ein Kamm ist über¬
haupt etwas ganz andres, als sich einer träumen läßt. Der berühmte Anatom Ernst
Heinrich Weber erklärte einmal seinen Zuhörern, daß der Kamm eigentlich eine
Art von Sieb sei. Sofern er zur Reinigung dient, ganz recht: mit dem Kamm
werden die Haare gesiebt wie Mehl, sie gehn durch die Zinken des Kammes hin¬
durch wie durch die Löcher eines Siebes, während die Kleie im Sieb zurückbleibt.
Der Riese Gargautua, der einen ungeheuern Kamm von Elefantenzähnen hatte,
kämmte sich uach dem Sturm auf eine Festung die Kugeln aus, die ihm auf den
Kopf geflogen waren, und die er für Weinbeerkerne hielt. Unsereins siebt sich mit
seinem Kamme nur deu Staub ub.

Hier macht uns aber wieder der Herr Professor etwas vor. Wenn der Kamm
auch eine Bestimmung hätte wie ein Sieb, der Gestalt nach erinnert er doch um
-ein andres Instrument. An die Säge. Mit dieser teilt er sein Hauptmerkmal,
die Zähne oder die Zinken, die den Zähnen einer Säge so ähnlich sind, daß man
den gezackten Grat eines Bergrückens nach Belieben bald mit dem einen, bald mit
dem andern vergleicht. Wir sprechen von Gebirgskcimmen; der Spanier sieht lnnter
Sägen am Horizont. Er hat seinen Monserrat, seine Sierra Morena und Nevada;
Sierra heißt im Spanischen die Säge. Die steinernen Kämme der Indianer, die
mitunter abgebildet werden, sehen wirklich ganz aus wie kleine Sägen; in den
Legenden der Märtyrer kommen sogar eiserne Kämme vor, die von Sägen kaum
uoch zu unterscheiden sind. .Von der Wollkämmerei gar nicht zu reden. Die


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[0768] Maßgebliches und Unmaßgebliches dabei auf sächsischer Seite sofort ein klein wenig von dem eilten Pcirtikularismns wieder hervorgebrochen wäre. Man ruhen nicht nnr natürlich den regsten Anteil an dem Geschick der „sächsischen" Truppen, sondern war sogar geneigt, Manöver¬ erfolge, wie die Wegnahme einer „preußischen" Batterie durch die 134er und die Gefangennahme eines „preußischen" Bataillons durch sächsische Ulanen fast wie wirkliche Siege zu feiern! Wie gesagt, die Sache hat an sich nichts auf sich, aber man sollte bei solchen Gelegenheiten lieber alles vermeiden, was die Erinnerung um alte überwundne Gegensähe wieder erwecken könnte, und deshalb künftig die Manöverarmeen, bei denen außerpreußische Armeekorps beteiligt sind, womöglich so zusammensetzen, daß diese nicht eine geschlossene Partei bilden, wie es am letzten Manövertage in der Tat der Fall war, denn da stand das zwölfte Armeekorps mit dem vierte« und dem elften zusammen. Der Kamm. Unter den reizenden Makamen des Hariri, die Friedrich Rllckert übersetzt hat, ist die siebente überschrieben: Nadel und Kamm. An einem kleinen Ort in der Nähe von Bnsra treten zwei Parteien vor den Kadi, ein Alter und ein Jüngling, und verlangen Gerechtigkeit. Der Jüngling hat dem Alten eine Nähnadel verdorben, der alte Mann dafür einem Kamme, der jenem gehörte, einen Zahn ausgebrochen. Der erzürnte Besitzer beschreibt seinen Kamm gar artig: „Ein barsches Bürschchen — als wie ein Hirscheber — mit Zinken und Zacken — und elfenbeinblinkendem Nacken — mutwillig und eitel — will jeden? über die Scheitel — Jungen die Locken krausen — Alten die Borsten zausen — liebt Putzen und Zieren — durch Wälder zu spazieren — und fürchtet nicht den Weg zu verlieren — bricht durch dünn und dicht — und was sich sträubt, das macht er schlicht." Wenn man aber genauer hinsieht, so gewahrt man mit einiger Enttäuschung, daß im Original gar kein Kamm steht. Sondern ein andres Toilettenstück des Orients, nämlich der feine Metallstift, mit dem das sogenannte Kocht, eine schwarze Schminke, ans Augen- brauen und Wimpern aufgetragen wird. Rückert hat den Kamm als einen be¬ kanntern Gegenstand dafür eingesetzt. Das ist um so ärgerlicher, als die Araber ebensogut Kämme haben, sie heißen in Syrien Muscht, in Ägypten Mischt, Plural: Amschät. In diesem Lande brauchen sich freilich nur die Frauen zu kämmen, weil sich die Männer den Kopf rasieren lassen, eine Sitte, die bis in das graueste Altertum zurückgeht. Nichtsdestoweniger sind schon in den ägyptischen Gräbern hölzerne Kämme gefunden worden. Rückert hat uns also mit seinem Kamm angeführt; aber ein Kamm ist über¬ haupt etwas ganz andres, als sich einer träumen läßt. Der berühmte Anatom Ernst Heinrich Weber erklärte einmal seinen Zuhörern, daß der Kamm eigentlich eine Art von Sieb sei. Sofern er zur Reinigung dient, ganz recht: mit dem Kamm werden die Haare gesiebt wie Mehl, sie gehn durch die Zinken des Kammes hin¬ durch wie durch die Löcher eines Siebes, während die Kleie im Sieb zurückbleibt. Der Riese Gargautua, der einen ungeheuern Kamm von Elefantenzähnen hatte, kämmte sich uach dem Sturm auf eine Festung die Kugeln aus, die ihm auf den Kopf geflogen waren, und die er für Weinbeerkerne hielt. Unsereins siebt sich mit seinem Kamme nur deu Staub ub. Hier macht uns aber wieder der Herr Professor etwas vor. Wenn der Kamm auch eine Bestimmung hätte wie ein Sieb, der Gestalt nach erinnert er doch um -ein andres Instrument. An die Säge. Mit dieser teilt er sein Hauptmerkmal, die Zähne oder die Zinken, die den Zähnen einer Säge so ähnlich sind, daß man den gezackten Grat eines Bergrückens nach Belieben bald mit dem einen, bald mit dem andern vergleicht. Wir sprechen von Gebirgskcimmen; der Spanier sieht lnnter Sägen am Horizont. Er hat seinen Monserrat, seine Sierra Morena und Nevada; Sierra heißt im Spanischen die Säge. Die steinernen Kämme der Indianer, die mitunter abgebildet werden, sehen wirklich ganz aus wie kleine Sägen; in den Legenden der Märtyrer kommen sogar eiserne Kämme vor, die von Sägen kaum uoch zu unterscheiden sind. .Von der Wollkämmerei gar nicht zu reden. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_241213/768>, abgerufen am 31.08.2024.