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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr.

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Vom Hohenstanfon zum Hohenzollern

In seinem Buche "Graf Bismarck und seine Leute" verzeichnet Moritz
Busch unter dein 5, Dezember 1870 in Versailles nachstehende Äußerungen
Bismarcks über Varnhagen von Ense und dessen "Tagebücher" (Ausgabe
von 1884, II. Band, Seite 79):

-- -- "Das hinderte nicht, daß er (Alexander von Humboldt) hernach
mit Varnhagen über den Hos räsonnierte und allerlei schlechte Geschichten von
ihm erzählte. Varnhagen hat dann Bücher daraus gemacht, die ich mir auch
gekauft habe. Sie sind erschrecklich derer, wenn man die paar Zeilen bedenkt,
die eins großgedruckt auf der Seite hat."

Keudell meinte, aber für die Geschichte wären sie doch nicht zu entbehren.

"Ja -- erwiderte der Chef --, in gewissem Sinne. Im einzelnen sind
sie nicht viel wert, aber als Ganzes find sie der Ausdruck der Berliner Säure
in einer Zeit, wo es nichts gab. Da redete alle Welt mit dieser malitiösen
Impotenz!" -- "Es war eine Welt, die man sich ohne solche Bücher jetzt
gar nicht mehr vorstellen kann, wenn man sie nicht selber gesehen hat. Viel
auswendig, nichts Ordentliches inwendig."


Georg Börticher


Vom Hohenstaufen zum Hohenzollern
Glüh Lußwandrnng
(Schluß)

!cum man das Steinlachtal aufwärts von Tübingen zum Hvhen-
I zollern wandert, ist es nicht ohne Interesse, sich zu erinnern, daß
!dies die alte Heerstraße nach der Schweiz ist, die vor hundert
Jahren auch Goethe einschlug, und über die er in seiner "Reise
Im die Schweiz" manche scharfen, auch jetzt zum Teil noch zu¬
treffenden Bemerkungen niedergelegt hat. Als er die Grenze von Württem¬
berg und Hohenzollern überschreitet, erkennt er das alsbald an der großen
Verschlechterung der Wege; tatsächlich ist damals und auch noch lange nachher
die Verwaltung in Württemberg viel besser gewesen, jetzt ist ein Unterschied
nicht mehr bemerkbar. Auch Goethe findet das Landschaftsbild, das der
Hohenzollern mit seiner nächsten Umgebung bietet, entzückend; man gewinnt
den Überblick verhältnismäßig spät, erst von der letzten Anhöhe von Hechingen,
mit der Bahn kommend erst unmittelbar vor der Einfahrt in den Bahnhof.
Um so mächtiger und überraschender ist dann aber der Eindruck. Zur Linken
zieht sich waldbewachsen der Höhenzug der Alb; im Vordergründe liegt, sich
an einem Abhang hinaufziehend, freundlich die alte Stadt Hechingen mit dem
eigentümlichen Turmhelm ihrer Pfarrkirche, und dahinter schließt das Bild
ganz freistehend der sich auf breiter Basis schlank aufbauende Kegel des Hohen¬
zollern, gekrönt von seiner prächtigen, turmreichen Burg. Charakteristisch und
reizvoll für das Bild ist auch das Kirchlein Mariazell, das in dem Sattel
zwischen dem Zollern und dem Gebirgsstock mit seinen hellen Wänden gar


Vom Hohenstanfon zum Hohenzollern

In seinem Buche „Graf Bismarck und seine Leute" verzeichnet Moritz
Busch unter dein 5, Dezember 1870 in Versailles nachstehende Äußerungen
Bismarcks über Varnhagen von Ense und dessen „Tagebücher" (Ausgabe
von 1884, II. Band, Seite 79):

— — „Das hinderte nicht, daß er (Alexander von Humboldt) hernach
mit Varnhagen über den Hos räsonnierte und allerlei schlechte Geschichten von
ihm erzählte. Varnhagen hat dann Bücher daraus gemacht, die ich mir auch
gekauft habe. Sie sind erschrecklich derer, wenn man die paar Zeilen bedenkt,
die eins großgedruckt auf der Seite hat."

Keudell meinte, aber für die Geschichte wären sie doch nicht zu entbehren.

„Ja — erwiderte der Chef —, in gewissem Sinne. Im einzelnen sind
sie nicht viel wert, aber als Ganzes find sie der Ausdruck der Berliner Säure
in einer Zeit, wo es nichts gab. Da redete alle Welt mit dieser malitiösen
Impotenz!" — „Es war eine Welt, die man sich ohne solche Bücher jetzt
gar nicht mehr vorstellen kann, wenn man sie nicht selber gesehen hat. Viel
auswendig, nichts Ordentliches inwendig."


Georg Börticher


Vom Hohenstaufen zum Hohenzollern
Glüh Lußwandrnng
(Schluß)

!cum man das Steinlachtal aufwärts von Tübingen zum Hvhen-
I zollern wandert, ist es nicht ohne Interesse, sich zu erinnern, daß
!dies die alte Heerstraße nach der Schweiz ist, die vor hundert
Jahren auch Goethe einschlug, und über die er in seiner „Reise
Im die Schweiz" manche scharfen, auch jetzt zum Teil noch zu¬
treffenden Bemerkungen niedergelegt hat. Als er die Grenze von Württem¬
berg und Hohenzollern überschreitet, erkennt er das alsbald an der großen
Verschlechterung der Wege; tatsächlich ist damals und auch noch lange nachher
die Verwaltung in Württemberg viel besser gewesen, jetzt ist ein Unterschied
nicht mehr bemerkbar. Auch Goethe findet das Landschaftsbild, das der
Hohenzollern mit seiner nächsten Umgebung bietet, entzückend; man gewinnt
den Überblick verhältnismäßig spät, erst von der letzten Anhöhe von Hechingen,
mit der Bahn kommend erst unmittelbar vor der Einfahrt in den Bahnhof.
Um so mächtiger und überraschender ist dann aber der Eindruck. Zur Linken
zieht sich waldbewachsen der Höhenzug der Alb; im Vordergründe liegt, sich
an einem Abhang hinaufziehend, freundlich die alte Stadt Hechingen mit dem
eigentümlichen Turmhelm ihrer Pfarrkirche, und dahinter schließt das Bild
ganz freistehend der sich auf breiter Basis schlank aufbauende Kegel des Hohen¬
zollern, gekrönt von seiner prächtigen, turmreichen Burg. Charakteristisch und
reizvoll für das Bild ist auch das Kirchlein Mariazell, das in dem Sattel
zwischen dem Zollern und dem Gebirgsstock mit seinen hellen Wänden gar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_240381/96>, abgerufen am 05.02.2025.