Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.auch hier, schon um der Gleichheit mit deu Gewerbegerichten willen, bei der Aus¬ Jmhoff Alma von Hartmann. Eduard von Hartmann ist nicht allein als Gatte, auch hier, schon um der Gleichheit mit deu Gewerbegerichten willen, bei der Aus¬ Jmhoff Alma von Hartmann. Eduard von Hartmann ist nicht allein als Gatte, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0693" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/240249"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_3771" prev="#ID_3770"> auch hier, schon um der Gleichheit mit deu Gewerbegerichten willen, bei der Aus¬<lb/> schließung der Rechtsanwälte. Ich bin überzeugt, daß unter diesem Verfahren die<lb/> Amtsgerichte geradeso „schnell, sachverständig und wohlfeil" Recht sprechen werden<lb/> wie die Gewerbegerichte, und dieser erste Schritt wird nicht hinab-, sondern hinauf¬<lb/> führen, hinauf zu einer volkstümlichen Rechtsprechung unsrer Gerichte.</p><lb/> <note type="byline"> Jmhoff</note><lb/> </div> <div n="2"> <head> Alma von Hartmann.</head> <p xml:id="ID_3772"> Eduard von Hartmann ist nicht allein als Gatte,<lb/> sondern auch als Philosoph seiner Gattin zu Dank verpflichtet. Sie bemüht sich<lb/> um die Ausbreitung seiner Lehren und hat jetzt zu diesem Zweck unter dem Titel:<lb/> Zurück zum Idealismus (Berlin, C. A. Schwetschke und Sohn, 1902) zehn<lb/> Vortrage veröffentlicht, die, leichter genießbar als Hartmanns gelehrte Schriften,<lb/> seiner Philosophie unter den Gebildeten Freunde werben werden. Es sind durchaus<lb/> selbständige, auf selbständigen Studien beruhende Abhandlungen, die aber von dem<lb/> Glauben an die Richtigkeit des „evolutionistischeu Optimismus und des endcimoni-<lb/> stischen Pessimismus" getragen werden. Die Themata sind: „Schiller als Ästhetiker.<lb/> Über den Begriff des Schönen. Der Jndividualitätsbegrisf. Individuum und<lb/> Jenseits. Moderne Ethik. Willensfreiheit. Der Wert des Lebens. Über das Er¬<lb/> kennen. Über den Begriff der Entwicklung. Der Idealismus im religiösen Leben."<lb/> Wir wählen ein paar Proben ans. Im Vorwort schreibt Frau Alma: „Der Sym¬<lb/> bolismus, wie er u. a. bei Ibsen, d'Annunzio und Maeterlinck, bei Sudermaun in<lb/> den Drei Reiherfedern und bei Jacobowski erscheint, gibt zwar eine Ahnung von<lb/> dem, was diese Künstler erstreben, aber verleitet sie, gar zu sehr ins nebelhafte<lb/> abzuschweifen und das Dämmerlicht verschwommner Gefühlsseligkeit nu die Stelle<lb/> der lichten Klarheit echter Schönheit zu setzen. Die ideenlose Weltanschauung, welche<lb/> die logische Folge des wissenschaftlichen Materialismus war, konnte gar nicht umhin,<lb/> der Realität auch in der Kunst einen größern Spielraum zu gewahre»; so entstand<lb/> das, was man unter dem Gesamtnameu Naturalismus oder Verismus begreift, die<lb/> Verbreiterung nach der Seite des Häßlichen hin, das man in den Bereich des<lb/> Schönen zog infolge der Beweisführung: was wirklich ist, ist währ, was wahr ist,<lb/> kann, ja muß von der Kunst nachahmend dargestellt werden, denn die Kunst hat<lb/> die Aufgabe, Darstellerin des Wahren zu sein. Was aber für die Erkenntnis nicht<lb/> gilt, das Aufrichten von Schranken, das gilt in hohen, Maße für die Kunst, die<lb/> auch in ihrer freiesten Form, der Poesie, niemals die Grenzen des feinen Geschmacks<lb/> überschreiten darf. Und diese Grenzen sind sehr eng! Der Künstler sollte nie ver¬<lb/> gessen, daß er der konkretsten Form bedarf, der größten sinnlichen Scheinhaftigkeit,<lb/> um das Schöne darzustellen. Aber die modernen Dichter vergessen über ihrer Sehn¬<lb/> sucht nach dem Ideale j^die ists nicht allein, was irre führt, sondern manchmal auch<lb/> der Wunsch des impotenten Dramenfabrikanten, seiner Ware durch neue Künsteleien<lb/> Zugkraft zu verleihenj, daß diese Sehnsucht sich in ihren Kunstwerken ganz anders<lb/> als in Gefühlsstimmungen versinnlichen muß. Vor allem das Drama verlangt Plastik<lb/> der Gestalten, helle Beleuchtung der verkörperten Ideen. Es ist vielleicht die Unlust<lb/> an dem lauten Lärm des Werktags, der die Menschheit um dem stillen Blunienlcben<lb/> dieser Dichtungen Gefallen finden läßt, dieselbe Unlust, die sie zur Zurückziehung<lb/> von den praktischen Aufgaben des Lebens treibt, deren Nutzen sie als Skeptiker<lb/> und Materialisten nicht einzusehen vermögen. In dieser Wendung des Materia¬<lb/> lismus steckt eine große Gefahr. Man hat so oft von der Schädlichkeit des<lb/> Pessimismus gesprochen mit der Behauptung, daß darin nur ein Anlaß liege, sich<lb/> leder tätigen Mitarbeit zu enthalten, aber man ist sich der weit größern Gefahr<lb/> Auer materialistisch-antiteleologischen Weltanschauung noch nicht bewußt geworden."<lb/> ^ir gehören nicht zu den „man"; wir haben, obwohl Jenseitsoptimisten, Hartmann<lb/> Armer als Bundesgenossen im Kampf gegen den Materialismus willkommen ge¬<lb/> heißen. Sein Pessimismus ist deswegen nicht mehr gefährlich, weil ihm die all¬<lb/> mähliche Umgestaltung die Zugkraft genommen hat, die der „Philosophie des Unbe¬<lb/> wußten" ursprünglich innewohnte.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0693]
auch hier, schon um der Gleichheit mit deu Gewerbegerichten willen, bei der Aus¬
schließung der Rechtsanwälte. Ich bin überzeugt, daß unter diesem Verfahren die
Amtsgerichte geradeso „schnell, sachverständig und wohlfeil" Recht sprechen werden
wie die Gewerbegerichte, und dieser erste Schritt wird nicht hinab-, sondern hinauf¬
führen, hinauf zu einer volkstümlichen Rechtsprechung unsrer Gerichte.
Jmhoff
Alma von Hartmann. Eduard von Hartmann ist nicht allein als Gatte,
sondern auch als Philosoph seiner Gattin zu Dank verpflichtet. Sie bemüht sich
um die Ausbreitung seiner Lehren und hat jetzt zu diesem Zweck unter dem Titel:
Zurück zum Idealismus (Berlin, C. A. Schwetschke und Sohn, 1902) zehn
Vortrage veröffentlicht, die, leichter genießbar als Hartmanns gelehrte Schriften,
seiner Philosophie unter den Gebildeten Freunde werben werden. Es sind durchaus
selbständige, auf selbständigen Studien beruhende Abhandlungen, die aber von dem
Glauben an die Richtigkeit des „evolutionistischeu Optimismus und des endcimoni-
stischen Pessimismus" getragen werden. Die Themata sind: „Schiller als Ästhetiker.
Über den Begriff des Schönen. Der Jndividualitätsbegrisf. Individuum und
Jenseits. Moderne Ethik. Willensfreiheit. Der Wert des Lebens. Über das Er¬
kennen. Über den Begriff der Entwicklung. Der Idealismus im religiösen Leben."
Wir wählen ein paar Proben ans. Im Vorwort schreibt Frau Alma: „Der Sym¬
bolismus, wie er u. a. bei Ibsen, d'Annunzio und Maeterlinck, bei Sudermaun in
den Drei Reiherfedern und bei Jacobowski erscheint, gibt zwar eine Ahnung von
dem, was diese Künstler erstreben, aber verleitet sie, gar zu sehr ins nebelhafte
abzuschweifen und das Dämmerlicht verschwommner Gefühlsseligkeit nu die Stelle
der lichten Klarheit echter Schönheit zu setzen. Die ideenlose Weltanschauung, welche
die logische Folge des wissenschaftlichen Materialismus war, konnte gar nicht umhin,
der Realität auch in der Kunst einen größern Spielraum zu gewahre»; so entstand
das, was man unter dem Gesamtnameu Naturalismus oder Verismus begreift, die
Verbreiterung nach der Seite des Häßlichen hin, das man in den Bereich des
Schönen zog infolge der Beweisführung: was wirklich ist, ist währ, was wahr ist,
kann, ja muß von der Kunst nachahmend dargestellt werden, denn die Kunst hat
die Aufgabe, Darstellerin des Wahren zu sein. Was aber für die Erkenntnis nicht
gilt, das Aufrichten von Schranken, das gilt in hohen, Maße für die Kunst, die
auch in ihrer freiesten Form, der Poesie, niemals die Grenzen des feinen Geschmacks
überschreiten darf. Und diese Grenzen sind sehr eng! Der Künstler sollte nie ver¬
gessen, daß er der konkretsten Form bedarf, der größten sinnlichen Scheinhaftigkeit,
um das Schöne darzustellen. Aber die modernen Dichter vergessen über ihrer Sehn¬
sucht nach dem Ideale j^die ists nicht allein, was irre führt, sondern manchmal auch
der Wunsch des impotenten Dramenfabrikanten, seiner Ware durch neue Künsteleien
Zugkraft zu verleihenj, daß diese Sehnsucht sich in ihren Kunstwerken ganz anders
als in Gefühlsstimmungen versinnlichen muß. Vor allem das Drama verlangt Plastik
der Gestalten, helle Beleuchtung der verkörperten Ideen. Es ist vielleicht die Unlust
an dem lauten Lärm des Werktags, der die Menschheit um dem stillen Blunienlcben
dieser Dichtungen Gefallen finden läßt, dieselbe Unlust, die sie zur Zurückziehung
von den praktischen Aufgaben des Lebens treibt, deren Nutzen sie als Skeptiker
und Materialisten nicht einzusehen vermögen. In dieser Wendung des Materia¬
lismus steckt eine große Gefahr. Man hat so oft von der Schädlichkeit des
Pessimismus gesprochen mit der Behauptung, daß darin nur ein Anlaß liege, sich
leder tätigen Mitarbeit zu enthalten, aber man ist sich der weit größern Gefahr
Auer materialistisch-antiteleologischen Weltanschauung noch nicht bewußt geworden."
^ir gehören nicht zu den „man"; wir haben, obwohl Jenseitsoptimisten, Hartmann
Armer als Bundesgenossen im Kampf gegen den Materialismus willkommen ge¬
heißen. Sein Pessimismus ist deswegen nicht mehr gefährlich, weil ihm die all¬
mähliche Umgestaltung die Zugkraft genommen hat, die der „Philosophie des Unbe¬
wußten" ursprünglich innewohnte.
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