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Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr.

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König Laurin

ständige Werk verwenden muß, doch niemals den wissenschaftlichen Forscher der
Mühe überheben, das ganze Werk kennen zu lernen, weshalb sie am besten aus
den Monumenten ganz ausgeschlossen geblieben wären. Niemand hat treffender
und schärfer über diese Angelegenheit geurteilt als Theodor Mommsen in der Zeit¬
schrift der Monumente selbst: "Die Exzerptenpnblikation mag für die Wissen¬
schaftlichkeit zweiter Ordnung am Platze sein; für unsre Arbeiten ist sie mir immer
als ein dem nationalen Unternehmen wenig anstehendes Armutszeugnis erschienen."

Das dritte und letzte Bedenken hat die in die Uomnuenta aufgenommenen
und noch aufzunehmenden italienischen Geschichtswerke zum Gegenstande! sie können
nämlich nicht von Anfang an den ausländischen gleichgesetzt werden, weil seit Ottos
des Ersten Zeit Italien staatsrechtlich ein Teil des Reichs war. Dabei ist aber
doch Wattenbachs Urteil unbestreitbar, "daß Italien schon in der Stauferzeit eine
so eigentümliche und selbständige Entwicklung gewinnt, daß ein eigentlicher Zu¬
sammenhang mit der deutschen Historiographie nicht besteht," auch der Grundsatz
Kor keiner Seite in Zweifel gezogen wird, daß die NonuMouta, nicht den Beruf
haben, der Großmacht Italien die Pflicht abzunehmen, für neue, deu Anforderungen
der Wissenschaft genügende Ausgaben ihrer Geschichtsquellen zu sorgen. Es dürfte
darum auch möglich sein, eine Verständigung über die zeitliche Grenze zu erreichen,
an der die Aufnahme der ans Italien bezüglichen Aufzeichnungen in die Norm-
wenig, einzustellen ist. Da nämlich mit dem Frieden von Konstanz auch Nord-
italien, wo die Entwicklung der Stadtrepubliken anhebt, tatsächlich vom Reiche ge¬
löst wird, so sollte bei der Aufnahme italienischer Geschichtsquellen nicht weiter über
diesen Zeitpunkt, jedenfalls nicht über das Ende des zwölften Jahrhunderts hinaus¬
gegangen werden; denn die Erwerbung, Verwaltung und Verteidigung des Nor-
mnnnenreichs gehört nicht mehr in die deutsche Geschichte, sondern in die Geschichte
des staufischen Hauses, das eben um dieser Erwerbung willen reißend schnell der
schon in Friedrich dem Zweiten vollendeten Entdeutschung verfällt; und ein so äußer¬
liches Kriterium wie die Katserkrönung auf italienischem Boden kann erst recht
nicht maßgebend sein, weil sonst bis 1530 die gesamte italienische Geschichtsliterntnr
aufgenommen werden müßte. Es empfiehlt sich vielleicht, durch die Vermittlung
der vorgeordneten Reichsbehörde und der italienischen Regierung ein Abkommen
zwischen der Zentraldirektion der Noimmenta und etwa dem Istiwto storieo italia.no
über die Verteilung der einzelnen Quellenschriften zu treffen, damit eine doppelte
Bearbeitung vermieden werde. Sicherlich steht so viel fest: wenn nicht beizeiten
dem Eifer Holder-Eggers, der sich seit einem Jahrzehnt mit den italienischen Chro¬
niken beschäftigt und mit seinen Vorarbeiten schon in das vierzehnte Jahrhundert
hineingreift, ein Zügel angelegt wird, so werden, da die Lerixtoros-Abteilung die
andern Abteilungen nach sich ziehn wird, die Uouumsnta. auch im zwanzigsten
Jahrhundert noch nicht zum Abschluß gelangen, und zu den anderthalb Millionen
Mark, die sie bisher in runder Summe gekostet haben, noch über sechs Millionen
Mark mehr nötig sein!




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le sonderbare Lücke in Wildenbrnchs sonst so reicher Begabung, der
Mangel an bescheidner und treffsicherer Treue bei der Schilderung
geschichtlicher Persönlichkeiten und Zustände, wird um so weniger fühl¬
bar, je mehr der Stoff, den er behandelt, außerhalb der Kreise liegt,
deren genauere Kenntnis auch für das große Publikum durch Spezinl-
forschung und Memoireuliteratur gefördert worden ist. Für germanische
Kraftfülle und Naturwüchsigkeit hat er jederzeit volles Verständnis: was man vermißt
sind die unzähligen feinen Schattierungen, die das Individuum, die Stadt, das


König Laurin

ständige Werk verwenden muß, doch niemals den wissenschaftlichen Forscher der
Mühe überheben, das ganze Werk kennen zu lernen, weshalb sie am besten aus
den Monumenten ganz ausgeschlossen geblieben wären. Niemand hat treffender
und schärfer über diese Angelegenheit geurteilt als Theodor Mommsen in der Zeit¬
schrift der Monumente selbst: „Die Exzerptenpnblikation mag für die Wissen¬
schaftlichkeit zweiter Ordnung am Platze sein; für unsre Arbeiten ist sie mir immer
als ein dem nationalen Unternehmen wenig anstehendes Armutszeugnis erschienen."

Das dritte und letzte Bedenken hat die in die Uomnuenta aufgenommenen
und noch aufzunehmenden italienischen Geschichtswerke zum Gegenstande! sie können
nämlich nicht von Anfang an den ausländischen gleichgesetzt werden, weil seit Ottos
des Ersten Zeit Italien staatsrechtlich ein Teil des Reichs war. Dabei ist aber
doch Wattenbachs Urteil unbestreitbar, „daß Italien schon in der Stauferzeit eine
so eigentümliche und selbständige Entwicklung gewinnt, daß ein eigentlicher Zu¬
sammenhang mit der deutschen Historiographie nicht besteht," auch der Grundsatz
Kor keiner Seite in Zweifel gezogen wird, daß die NonuMouta, nicht den Beruf
haben, der Großmacht Italien die Pflicht abzunehmen, für neue, deu Anforderungen
der Wissenschaft genügende Ausgaben ihrer Geschichtsquellen zu sorgen. Es dürfte
darum auch möglich sein, eine Verständigung über die zeitliche Grenze zu erreichen,
an der die Aufnahme der ans Italien bezüglichen Aufzeichnungen in die Norm-
wenig, einzustellen ist. Da nämlich mit dem Frieden von Konstanz auch Nord-
italien, wo die Entwicklung der Stadtrepubliken anhebt, tatsächlich vom Reiche ge¬
löst wird, so sollte bei der Aufnahme italienischer Geschichtsquellen nicht weiter über
diesen Zeitpunkt, jedenfalls nicht über das Ende des zwölften Jahrhunderts hinaus¬
gegangen werden; denn die Erwerbung, Verwaltung und Verteidigung des Nor-
mnnnenreichs gehört nicht mehr in die deutsche Geschichte, sondern in die Geschichte
des staufischen Hauses, das eben um dieser Erwerbung willen reißend schnell der
schon in Friedrich dem Zweiten vollendeten Entdeutschung verfällt; und ein so äußer¬
liches Kriterium wie die Katserkrönung auf italienischem Boden kann erst recht
nicht maßgebend sein, weil sonst bis 1530 die gesamte italienische Geschichtsliterntnr
aufgenommen werden müßte. Es empfiehlt sich vielleicht, durch die Vermittlung
der vorgeordneten Reichsbehörde und der italienischen Regierung ein Abkommen
zwischen der Zentraldirektion der Noimmenta und etwa dem Istiwto storieo italia.no
über die Verteilung der einzelnen Quellenschriften zu treffen, damit eine doppelte
Bearbeitung vermieden werde. Sicherlich steht so viel fest: wenn nicht beizeiten
dem Eifer Holder-Eggers, der sich seit einem Jahrzehnt mit den italienischen Chro¬
niken beschäftigt und mit seinen Vorarbeiten schon in das vierzehnte Jahrhundert
hineingreift, ein Zügel angelegt wird, so werden, da die Lerixtoros-Abteilung die
andern Abteilungen nach sich ziehn wird, die Uouumsnta. auch im zwanzigsten
Jahrhundert noch nicht zum Abschluß gelangen, und zu den anderthalb Millionen
Mark, die sie bisher in runder Summe gekostet haben, noch über sechs Millionen
Mark mehr nötig sein!




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le sonderbare Lücke in Wildenbrnchs sonst so reicher Begabung, der
Mangel an bescheidner und treffsicherer Treue bei der Schilderung
geschichtlicher Persönlichkeiten und Zustände, wird um so weniger fühl¬
bar, je mehr der Stoff, den er behandelt, außerhalb der Kreise liegt,
deren genauere Kenntnis auch für das große Publikum durch Spezinl-
forschung und Memoireuliteratur gefördert worden ist. Für germanische
Kraftfülle und Naturwüchsigkeit hat er jederzeit volles Verständnis: was man vermißt
sind die unzähligen feinen Schattierungen, die das Individuum, die Stadt, das


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 62, 1903, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341877_239555/551>, abgerufen am 23.11.2024.