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Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr.

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Die türkischen Finanzen

vor einem Jahre einmal die "Tetschen-Bvdenbacher Zeitung": "Wenn den
Deutschen der Kampf gegen Rom mis die wichtigste nationale Aufgabe erscheint,
dann müssen sie trachten, im Abgeordnetenhause eine antiklerikale Koalition
der freiheitlichen Parteien aller Nationen zustande zu bringen. Stellen sie
dagegen das nationale Moment am höchsten, dann muß ein Zusammenschluß
aller deutscheu Vertreter ohne Rücksicht auf ihr politisches Bekenntnis herbei¬
geführt werden. Eins nach dem andern kann Erfolg versprechen. Aber der
kraftmeierische Versuch, gleichzeitig nach drei Fronten kämpfen zu wollen, muß
notwendig zur Vereinsamung und Ohnmacht führen." Diese Ausführung ist
doch zu einfach und zu klar, als daß sie nicht von sämtlichen deutschen Partei¬
häuptern -- übersehen werden müßte. Vergeblich zürnte auch die "Leitmeritzer
Zeitung": "Mau sieht nur die Fraktion, man lebt nur für die Fraktion und
arbeitet nur für die Fraktion -- das Volk selbst hat das Nachsehen. Solange
sich nicht der gesunde Geist im deutschen Volke gegen die Fraktionssucht auf¬
lehnt, solange ist eine Wendung zum Bessern nicht zu erwarten; denn bekanntlich
verdient jedes Volk die Abgeordneten, die es hat."

Es ist dem nnr noch wenig hinzuzufügen. Wenn sich die Deutschöster¬
reicher bedrückt fühlen und es zum Teil auch sind, so liegt das in der Haupt¬
sache in ihren Preß- und Parteiverhältnissen, die nur sie allein zu andern
vermögen. Alles Geschrei darüber ist wenig wert und hindert höchstens das
Nachdenken über die wahre Lage und die naheliegende Abhilfe. Glücklicher¬
weise sind die Dinge nicht ganz so schlimm, wie sie hingestellt werden, nament¬
lich als Gefahren für das Deutschtum. Wenn man liest, daß bei der letzten
Volkszählung im Jahre 1900 die Deutschen in Böhmen um ein geringes mehr
zugenommen haben als die Tschechen, so kann es mit der Vertschechung im
Lande nicht so gar gefährlich beschaffen sein, und wenn mau weiter erfährt,
daß die Jtalianisierung in Südtirol zum Stillstand gekommen ist und zurück¬
zufinden beginnt, so muß mau aus all diesen Thatsachen den höchst erfreulichen
Schluß zieh", daß in den Deutschösterreichern doch noch ganz andre Kräfte
und Gaben thätig sind, als bei ihren durch das Wahlschlagwort in das Parla¬
Albin Geyer ment geschnellten Vertretern zu Tage treten.




Die türkischen Finanzen

er Handelsverkehr zwischen Deutschland und der Levante vis, Ham¬
burg ist in den letzten zehn Jahren von 77 Millionen auf
157 700000 Mark gestiegen. Die europäische Türkei führte 1890
aus Deutschland für 1 Million Mark ein; 1901 war diese Zahl
auf 10 Millionen gestiegen. Die Ausfuhr der europäischen Türkei
stieg in derselben Zeit von 130000 Mark auf 7 Millionen. Die asiatische
Türkei hat ihre Einfuhr aus Deutschland in derselben Zeit von 300000 Mark


Die türkischen Finanzen

vor einem Jahre einmal die „Tetschen-Bvdenbacher Zeitung": „Wenn den
Deutschen der Kampf gegen Rom mis die wichtigste nationale Aufgabe erscheint,
dann müssen sie trachten, im Abgeordnetenhause eine antiklerikale Koalition
der freiheitlichen Parteien aller Nationen zustande zu bringen. Stellen sie
dagegen das nationale Moment am höchsten, dann muß ein Zusammenschluß
aller deutscheu Vertreter ohne Rücksicht auf ihr politisches Bekenntnis herbei¬
geführt werden. Eins nach dem andern kann Erfolg versprechen. Aber der
kraftmeierische Versuch, gleichzeitig nach drei Fronten kämpfen zu wollen, muß
notwendig zur Vereinsamung und Ohnmacht führen." Diese Ausführung ist
doch zu einfach und zu klar, als daß sie nicht von sämtlichen deutschen Partei¬
häuptern — übersehen werden müßte. Vergeblich zürnte auch die „Leitmeritzer
Zeitung": „Mau sieht nur die Fraktion, man lebt nur für die Fraktion und
arbeitet nur für die Fraktion — das Volk selbst hat das Nachsehen. Solange
sich nicht der gesunde Geist im deutschen Volke gegen die Fraktionssucht auf¬
lehnt, solange ist eine Wendung zum Bessern nicht zu erwarten; denn bekanntlich
verdient jedes Volk die Abgeordneten, die es hat."

Es ist dem nnr noch wenig hinzuzufügen. Wenn sich die Deutschöster¬
reicher bedrückt fühlen und es zum Teil auch sind, so liegt das in der Haupt¬
sache in ihren Preß- und Parteiverhältnissen, die nur sie allein zu andern
vermögen. Alles Geschrei darüber ist wenig wert und hindert höchstens das
Nachdenken über die wahre Lage und die naheliegende Abhilfe. Glücklicher¬
weise sind die Dinge nicht ganz so schlimm, wie sie hingestellt werden, nament¬
lich als Gefahren für das Deutschtum. Wenn man liest, daß bei der letzten
Volkszählung im Jahre 1900 die Deutschen in Böhmen um ein geringes mehr
zugenommen haben als die Tschechen, so kann es mit der Vertschechung im
Lande nicht so gar gefährlich beschaffen sein, und wenn mau weiter erfährt,
daß die Jtalianisierung in Südtirol zum Stillstand gekommen ist und zurück¬
zufinden beginnt, so muß mau aus all diesen Thatsachen den höchst erfreulichen
Schluß zieh», daß in den Deutschösterreichern doch noch ganz andre Kräfte
und Gaben thätig sind, als bei ihren durch das Wahlschlagwort in das Parla¬
Albin Geyer ment geschnellten Vertretern zu Tage treten.




Die türkischen Finanzen

er Handelsverkehr zwischen Deutschland und der Levante vis, Ham¬
burg ist in den letzten zehn Jahren von 77 Millionen auf
157 700000 Mark gestiegen. Die europäische Türkei führte 1890
aus Deutschland für 1 Million Mark ein; 1901 war diese Zahl
auf 10 Millionen gestiegen. Die Ausfuhr der europäischen Türkei
stieg in derselben Zeit von 130000 Mark auf 7 Millionen. Die asiatische
Türkei hat ihre Einfuhr aus Deutschland in derselben Zeit von 300000 Mark


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 61, 1902, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341875_238787/598>, abgerufen am 01.09.2024.