Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.Weihnachten vor j?aris ihre Wangen waren, in die sich schon Runzeln eingegraben hatten. Sie ist auch müde, Als sie ins Haus gingen, begann er plötzlich zu schwanken, und Ane rief Gegen Mitternacht redete Sören im Fieber. Hörst du denn uicht, wie sie So ging es fort die Nacht durch, endlich wurde er ruhiger. Früh am Morgen Mit inniger Liebe weilte sein Blick auf ihrem Antlitz, auf dem der Kampf Weihnachten vor Paris Georg Stellanus von ater! -- Vaaterü -- Vaahterü! -- Na da läßt d'es bleiben. -- Frau Weihnachten vor j?aris ihre Wangen waren, in die sich schon Runzeln eingegraben hatten. Sie ist auch müde, Als sie ins Haus gingen, begann er plötzlich zu schwanken, und Ane rief Gegen Mitternacht redete Sören im Fieber. Hörst du denn uicht, wie sie So ging es fort die Nacht durch, endlich wurde er ruhiger. Früh am Morgen Mit inniger Liebe weilte sein Blick auf ihrem Antlitz, auf dem der Kampf Weihnachten vor Paris Georg Stellanus von ater! — Vaaterü — Vaahterü! — Na da läßt d'es bleiben. — Frau <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0618" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236440"/> <fw type="header" place="top"> Weihnachten vor j?aris</fw><lb/> <p xml:id="ID_2337" prev="#ID_2336"> ihre Wangen waren, in die sich schon Runzeln eingegraben hatten. Sie ist auch müde,<lb/> die Ärmste! dachte er und küßte sie, wahrend ihm die Thränen aufstiegen.</p><lb/> <p xml:id="ID_2338"> Als sie ins Haus gingen, begann er plötzlich zu schwanken, und Ane rief<lb/> entsetzt: Du wirst doch nicht krank werden! — Das ist nicht unmöglich! — Er<lb/> mußte sich auch sogleich ins Bett legen, ein heftiges Fieber brannte in seinen Adern.<lb/> Gott sei uus gnädig! sagte Ane und setzte sich zu ihm. Gott Vater hoch im Himmel<lb/> wohnt! — Gott Vater hoch im Himmel wohnt, Sören! — Ja, er wohnt wohl<lb/> recht hoch droben! flüsterte Sören und warf sich unruhig auf seinem Lager hin<lb/> und her. — Söreu! Soll ich uicht jemand bitten, den Doktor zu holen! — Wen<lb/> wolltest dn denn darum bitten? — Darf ich nicht? — Nein! antwortete Sören fast<lb/> barsch. Das mußt du mir versprechen — oh! — Sie reichte ihm etwas zu trinken<lb/> und starrte dann unverwandt durch die kleinen Fenster hinaus, während sie an all die<lb/> Thüren dachte, die ihnen nun verschlossen waren, und an die Nacht, die bevorstand!</p><lb/> <p xml:id="ID_2339"> Gegen Mitternacht redete Sören im Fieber. Hörst du denn uicht, wie sie<lb/> ins Eis suum! rief er heftig. — Was ist das für ein Gerede! — Doch, sie hanen<lb/> uns ab, sodaß wir vom Lande schwimmen und nie wieder auf festen Boden kommen. -<lb/> Still, still, still! — Hörst du nicht, wie die Axt klingt! rief er wieder, indem er<lb/> sich jäh aufrichtete. Hörst du es nicht? — Ja ja, aber leg dich nun ruhig wieder<lb/> nieder! — Mit einem Lächeln, durch das das Bewußtsein durchschimmerte, sank<lb/> Sören wieder zurück. Aber gleich darauf fuhr er wieder auf und focht wild rin<lb/> den Armen in der Luft. Dann legte er sich wieder nieder und jammerte: Gefesselt<lb/> haben sie mich, daß ich nie wieder ein Glied rühren kann. . . . Und nun treiben<lb/> wir hinaus auf die gräßliche dunkle Winterfink. ... O, warum willst du mich<lb/> nicht befreien? ... O, nimm doch ein Messer und schneide die Stricke durch!</p><lb/> <p xml:id="ID_2340"> So ging es fort die Nacht durch, endlich wurde er ruhiger. Früh am Morgen<lb/> wachte er ans und konnte nur mit Anstrengung die schweren Augenlider hebe«. Im<lb/> Scheine des schwachen Tagesgrancns und der kleinen Lampe sah er Ane auf dem<lb/> Stuhl neben seinem Bette sitzen, wo sie der Schlaf auf ihrem Wachtposten über¬<lb/> rascht hatte. Das bleiche, von wirrem Haar umrahmte Gesicht war auf die Brust<lb/> herabgesunken. Die magre linke Hand lag in ihrem Schoß, und mit der rechten<lb/> hielt sie den Bettpfosten umschlungen. Er dachte daran, daß diese jetzt so eiuge-<lb/> suukue Brust einst hoch und rund, und daß diese graue farblose Haut einst blühend<lb/> gewesen war. Und doch kam es ihm so vor, als ob sie seinem Herzen jetzt viel<lb/> naher stehe als damals, sie, sein treuer, uicht wankender Kamerad.</p><lb/> <p xml:id="ID_2341"> Mit inniger Liebe weilte sein Blick auf ihrem Antlitz, auf dem der Kampf<lb/> des Lebens seine Spuren zurückgelassen hatte, und auf dem seine und ihre Lebens-<lb/> geschichte verzeichnet stand, und daun schlummerte er mit einem glücklichen Gefühl<lb/> wieder ein. (Schluß folgt)</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Weihnachten vor Paris<lb/><note type="byline"> Georg Stellanus</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_2342" next="#ID_2343"> ater! — Vaaterü — Vaahterü! — Na da läßt d'es bleiben. — Frau<lb/> Hahn machte es nichts ans, daß ihr Mann mitunter nicht kam nud<lb/> auch nicht antwortete, wenn sie ihn rief. Sie wußte, das war uicht<lb/> bös gemeint. Er hörte, daß er gerufen wurde, aber wenn es ihm<lb/> gerade uicht paßte, ein freundliches: Hier, Mutter! daran zu wenden,<lb/> so unterließ ers. Die Gesellen und die Jungen sahen dabei recht,<lb/> wer Herr im Hanse war, und daß er nicht zu kommen und zu antworten brauchte,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0618]
Weihnachten vor j?aris
ihre Wangen waren, in die sich schon Runzeln eingegraben hatten. Sie ist auch müde,
die Ärmste! dachte er und küßte sie, wahrend ihm die Thränen aufstiegen.
Als sie ins Haus gingen, begann er plötzlich zu schwanken, und Ane rief
entsetzt: Du wirst doch nicht krank werden! — Das ist nicht unmöglich! — Er
mußte sich auch sogleich ins Bett legen, ein heftiges Fieber brannte in seinen Adern.
Gott sei uus gnädig! sagte Ane und setzte sich zu ihm. Gott Vater hoch im Himmel
wohnt! — Gott Vater hoch im Himmel wohnt, Sören! — Ja, er wohnt wohl
recht hoch droben! flüsterte Sören und warf sich unruhig auf seinem Lager hin
und her. — Söreu! Soll ich uicht jemand bitten, den Doktor zu holen! — Wen
wolltest dn denn darum bitten? — Darf ich nicht? — Nein! antwortete Sören fast
barsch. Das mußt du mir versprechen — oh! — Sie reichte ihm etwas zu trinken
und starrte dann unverwandt durch die kleinen Fenster hinaus, während sie an all die
Thüren dachte, die ihnen nun verschlossen waren, und an die Nacht, die bevorstand!
Gegen Mitternacht redete Sören im Fieber. Hörst du denn uicht, wie sie
ins Eis suum! rief er heftig. — Was ist das für ein Gerede! — Doch, sie hanen
uns ab, sodaß wir vom Lande schwimmen und nie wieder auf festen Boden kommen. -
Still, still, still! — Hörst du nicht, wie die Axt klingt! rief er wieder, indem er
sich jäh aufrichtete. Hörst du es nicht? — Ja ja, aber leg dich nun ruhig wieder
nieder! — Mit einem Lächeln, durch das das Bewußtsein durchschimmerte, sank
Sören wieder zurück. Aber gleich darauf fuhr er wieder auf und focht wild rin
den Armen in der Luft. Dann legte er sich wieder nieder und jammerte: Gefesselt
haben sie mich, daß ich nie wieder ein Glied rühren kann. . . . Und nun treiben
wir hinaus auf die gräßliche dunkle Winterfink. ... O, warum willst du mich
nicht befreien? ... O, nimm doch ein Messer und schneide die Stricke durch!
So ging es fort die Nacht durch, endlich wurde er ruhiger. Früh am Morgen
wachte er ans und konnte nur mit Anstrengung die schweren Augenlider hebe«. Im
Scheine des schwachen Tagesgrancns und der kleinen Lampe sah er Ane auf dem
Stuhl neben seinem Bette sitzen, wo sie der Schlaf auf ihrem Wachtposten über¬
rascht hatte. Das bleiche, von wirrem Haar umrahmte Gesicht war auf die Brust
herabgesunken. Die magre linke Hand lag in ihrem Schoß, und mit der rechten
hielt sie den Bettpfosten umschlungen. Er dachte daran, daß diese jetzt so eiuge-
suukue Brust einst hoch und rund, und daß diese graue farblose Haut einst blühend
gewesen war. Und doch kam es ihm so vor, als ob sie seinem Herzen jetzt viel
naher stehe als damals, sie, sein treuer, uicht wankender Kamerad.
Mit inniger Liebe weilte sein Blick auf ihrem Antlitz, auf dem der Kampf
des Lebens seine Spuren zurückgelassen hatte, und auf dem seine und ihre Lebens-
geschichte verzeichnet stand, und daun schlummerte er mit einem glücklichen Gefühl
wieder ein. (Schluß folgt)
Weihnachten vor Paris
Georg Stellanus von
ater! — Vaaterü — Vaahterü! — Na da läßt d'es bleiben. — Frau
Hahn machte es nichts ans, daß ihr Mann mitunter nicht kam nud
auch nicht antwortete, wenn sie ihn rief. Sie wußte, das war uicht
bös gemeint. Er hörte, daß er gerufen wurde, aber wenn es ihm
gerade uicht paßte, ein freundliches: Hier, Mutter! daran zu wenden,
so unterließ ers. Die Gesellen und die Jungen sahen dabei recht,
wer Herr im Hanse war, und daß er nicht zu kommen und zu antworten brauchte,
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