Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Im Uamvf ums Leben

lich freie Hand, aber die Zügel hielt er selbst immer fest, und in allen ent¬
scheidenden Augenblicken hat er in der That selbst entschieden. Er wußte sehr
gut, daß der Deutsche Bund den nationalen Bedürfnisse" nicht genüge, aber
er wallte ihn nicht zerstören, sondern auf friedlichem Wege weiter bilden, sodaß
beide Großmächte darin nebeneinander Platz funden. Unzweifelhaft unterschätzte
er also die Stärke der Gegensätze, aber von dieser Überzeugung aus wurde er
der eigentliche Leiter des Fnrstentags 1863, entschied er sich für das Erbrecht
Friedrichs von Augustenburg an Schleswig-Holstein, ergriff er 1866 die Waffen
für den Bundestag. Die Tapferkeit seiner Truppen auf deu böhmischen
Schlachtfeldern erwarb ihm die Achtung, seine und seines Sohnes, des Kron¬
prinzen Albert, erprobte Zuverlässigkeit und klare Festigkeit das Vertrauen des
Siegers, und ungeschmälert trat Sachsen in den Norddeutschen Bundesstaat
ein, pünktlich und auf den verschiedensten Gebieten alles durchführend, was die
werdende Gesamtverfassung der Nation verlangte, Als dann 1870 die große
Entscheidungsstunde schlug, da erneuerte der Kronprinz mit seinem 12, Armee
tvrps deu alte" Waffenruhm im nationalen Kampfe, und König Johann ging
bereitwillig auf die Idee der Kaiserkrone ein, die dann Ludwig II. nur unter
starkem Drucke wirklich angeboten hat. So erlebte er als siebzigjähriger Greis
mithandelnd die Neubegründung des Reichs, das der Knabe halb unbewußt
hatte untergehn sehen, und seine letzte große Genugthuung war die Begründung
des Dreikaiserbünduisses, das Österreich wieder in nähere Beziehungen zu
Deutschland brachte.

Erst die Reichsgründung hat dem deutschen Fürstenstande, der glänzendsten
Aristokratie der Welt, seine natürliche Stellung gegeben und damit seine natür¬
liche Aufgabe, nämlich statt seine Thätigkeit auf die engen Grenzen der Heimat
zu beschränken und gelegentlich um Gebiets- und Rechtsfragen die Nation zu
zerreißen, gemeinsam an ihrem Wohle und ihrer Größe zu arbeiten. Zu den
besten Männern dieses Standes wird allezeit der Prinz "ut der König Johann
" gerechnet werden müssen,




Im Kampf ums Ueber
Johann Skjoldborg Erzählung von
(Fortsetzung)

le Hohlwege durch die Heide und die undeutlichen Wegspuren durch
tiefen Sand und über holprige Hügel waren die einzige Verbindung
zwischen den Dünen "ut der Außenwelt. Doch hatte man noch nie
gehört, daß jemand durch Umwerfen zu Schaden gekommen wäre,
denn niemand versteht es wie die Dünenbewvhner, mit einem Paar
Ochsen auf grundlosen Wegen vorwärts zu kommen, niemand hat
wie sie die Fähigkeit, sich durch die Dunkelheit der Nacht mit der größten Seelen¬
ruhe weiter zu fühlen und dahin zu gelangen, wohin er soll.


Im Uamvf ums Leben

lich freie Hand, aber die Zügel hielt er selbst immer fest, und in allen ent¬
scheidenden Augenblicken hat er in der That selbst entschieden. Er wußte sehr
gut, daß der Deutsche Bund den nationalen Bedürfnisse» nicht genüge, aber
er wallte ihn nicht zerstören, sondern auf friedlichem Wege weiter bilden, sodaß
beide Großmächte darin nebeneinander Platz funden. Unzweifelhaft unterschätzte
er also die Stärke der Gegensätze, aber von dieser Überzeugung aus wurde er
der eigentliche Leiter des Fnrstentags 1863, entschied er sich für das Erbrecht
Friedrichs von Augustenburg an Schleswig-Holstein, ergriff er 1866 die Waffen
für den Bundestag. Die Tapferkeit seiner Truppen auf deu böhmischen
Schlachtfeldern erwarb ihm die Achtung, seine und seines Sohnes, des Kron¬
prinzen Albert, erprobte Zuverlässigkeit und klare Festigkeit das Vertrauen des
Siegers, und ungeschmälert trat Sachsen in den Norddeutschen Bundesstaat
ein, pünktlich und auf den verschiedensten Gebieten alles durchführend, was die
werdende Gesamtverfassung der Nation verlangte, Als dann 1870 die große
Entscheidungsstunde schlug, da erneuerte der Kronprinz mit seinem 12, Armee
tvrps deu alte» Waffenruhm im nationalen Kampfe, und König Johann ging
bereitwillig auf die Idee der Kaiserkrone ein, die dann Ludwig II. nur unter
starkem Drucke wirklich angeboten hat. So erlebte er als siebzigjähriger Greis
mithandelnd die Neubegründung des Reichs, das der Knabe halb unbewußt
hatte untergehn sehen, und seine letzte große Genugthuung war die Begründung
des Dreikaiserbünduisses, das Österreich wieder in nähere Beziehungen zu
Deutschland brachte.

Erst die Reichsgründung hat dem deutschen Fürstenstande, der glänzendsten
Aristokratie der Welt, seine natürliche Stellung gegeben und damit seine natür¬
liche Aufgabe, nämlich statt seine Thätigkeit auf die engen Grenzen der Heimat
zu beschränken und gelegentlich um Gebiets- und Rechtsfragen die Nation zu
zerreißen, gemeinsam an ihrem Wohle und ihrer Größe zu arbeiten. Zu den
besten Männern dieses Standes wird allezeit der Prinz »ut der König Johann
" gerechnet werden müssen,




Im Kampf ums Ueber
Johann Skjoldborg Erzählung von
(Fortsetzung)

le Hohlwege durch die Heide und die undeutlichen Wegspuren durch
tiefen Sand und über holprige Hügel waren die einzige Verbindung
zwischen den Dünen »ut der Außenwelt. Doch hatte man noch nie
gehört, daß jemand durch Umwerfen zu Schaden gekommen wäre,
denn niemand versteht es wie die Dünenbewvhner, mit einem Paar
Ochsen auf grundlosen Wegen vorwärts zu kommen, niemand hat
wie sie die Fähigkeit, sich durch die Dunkelheit der Nacht mit der größten Seelen¬
ruhe weiter zu fühlen und dahin zu gelangen, wohin er soll.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0557" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/236379"/>
          <fw type="header" place="top"> Im Uamvf ums Leben</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_2104" prev="#ID_2103"> lich freie Hand, aber die Zügel hielt er selbst immer fest, und in allen ent¬<lb/>
scheidenden Augenblicken hat er in der That selbst entschieden. Er wußte sehr<lb/>
gut, daß der Deutsche Bund den nationalen Bedürfnisse» nicht genüge, aber<lb/>
er wallte ihn nicht zerstören, sondern auf friedlichem Wege weiter bilden, sodaß<lb/>
beide Großmächte darin nebeneinander Platz funden. Unzweifelhaft unterschätzte<lb/>
er also die Stärke der Gegensätze, aber von dieser Überzeugung aus wurde er<lb/>
der eigentliche Leiter des Fnrstentags 1863, entschied er sich für das Erbrecht<lb/>
Friedrichs von Augustenburg an Schleswig-Holstein, ergriff er 1866 die Waffen<lb/>
für den Bundestag. Die Tapferkeit seiner Truppen auf deu böhmischen<lb/>
Schlachtfeldern erwarb ihm die Achtung, seine und seines Sohnes, des Kron¬<lb/>
prinzen Albert, erprobte Zuverlässigkeit und klare Festigkeit das Vertrauen des<lb/>
Siegers, und ungeschmälert trat Sachsen in den Norddeutschen Bundesstaat<lb/>
ein, pünktlich und auf den verschiedensten Gebieten alles durchführend, was die<lb/>
werdende Gesamtverfassung der Nation verlangte, Als dann 1870 die große<lb/>
Entscheidungsstunde schlug, da erneuerte der Kronprinz mit seinem 12, Armee<lb/>
tvrps deu alte» Waffenruhm im nationalen Kampfe, und König Johann ging<lb/>
bereitwillig auf die Idee der Kaiserkrone ein, die dann Ludwig II. nur unter<lb/>
starkem Drucke wirklich angeboten hat. So erlebte er als siebzigjähriger Greis<lb/>
mithandelnd die Neubegründung des Reichs, das der Knabe halb unbewußt<lb/>
hatte untergehn sehen, und seine letzte große Genugthuung war die Begründung<lb/>
des Dreikaiserbünduisses, das Österreich wieder in nähere Beziehungen zu<lb/>
Deutschland brachte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2105"> Erst die Reichsgründung hat dem deutschen Fürstenstande, der glänzendsten<lb/>
Aristokratie der Welt, seine natürliche Stellung gegeben und damit seine natür¬<lb/>
liche Aufgabe, nämlich statt seine Thätigkeit auf die engen Grenzen der Heimat<lb/>
zu beschränken und gelegentlich um Gebiets- und Rechtsfragen die Nation zu<lb/>
zerreißen, gemeinsam an ihrem Wohle und ihrer Größe zu arbeiten. Zu den<lb/>
besten Männern dieses Standes wird allezeit der Prinz »ut der König Johann<lb/><note type="byline"> "</note> gerechnet werden müssen, </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Im Kampf ums Ueber<lb/><note type="byline"> Johann Skjoldborg</note> Erzählung von<lb/>
(Fortsetzung)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_2106"> le Hohlwege durch die Heide und die undeutlichen Wegspuren durch<lb/>
tiefen Sand und über holprige Hügel waren die einzige Verbindung<lb/>
zwischen den Dünen »ut der Außenwelt. Doch hatte man noch nie<lb/>
gehört, daß jemand durch Umwerfen zu Schaden gekommen wäre,<lb/>
denn niemand versteht es wie die Dünenbewvhner, mit einem Paar<lb/>
Ochsen auf grundlosen Wegen vorwärts zu kommen, niemand hat<lb/>
wie sie die Fähigkeit, sich durch die Dunkelheit der Nacht mit der größten Seelen¬<lb/>
ruhe weiter zu fühlen und dahin zu gelangen, wohin er soll.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0557] Im Uamvf ums Leben lich freie Hand, aber die Zügel hielt er selbst immer fest, und in allen ent¬ scheidenden Augenblicken hat er in der That selbst entschieden. Er wußte sehr gut, daß der Deutsche Bund den nationalen Bedürfnisse» nicht genüge, aber er wallte ihn nicht zerstören, sondern auf friedlichem Wege weiter bilden, sodaß beide Großmächte darin nebeneinander Platz funden. Unzweifelhaft unterschätzte er also die Stärke der Gegensätze, aber von dieser Überzeugung aus wurde er der eigentliche Leiter des Fnrstentags 1863, entschied er sich für das Erbrecht Friedrichs von Augustenburg an Schleswig-Holstein, ergriff er 1866 die Waffen für den Bundestag. Die Tapferkeit seiner Truppen auf deu böhmischen Schlachtfeldern erwarb ihm die Achtung, seine und seines Sohnes, des Kron¬ prinzen Albert, erprobte Zuverlässigkeit und klare Festigkeit das Vertrauen des Siegers, und ungeschmälert trat Sachsen in den Norddeutschen Bundesstaat ein, pünktlich und auf den verschiedensten Gebieten alles durchführend, was die werdende Gesamtverfassung der Nation verlangte, Als dann 1870 die große Entscheidungsstunde schlug, da erneuerte der Kronprinz mit seinem 12, Armee tvrps deu alte» Waffenruhm im nationalen Kampfe, und König Johann ging bereitwillig auf die Idee der Kaiserkrone ein, die dann Ludwig II. nur unter starkem Drucke wirklich angeboten hat. So erlebte er als siebzigjähriger Greis mithandelnd die Neubegründung des Reichs, das der Knabe halb unbewußt hatte untergehn sehen, und seine letzte große Genugthuung war die Begründung des Dreikaiserbünduisses, das Österreich wieder in nähere Beziehungen zu Deutschland brachte. Erst die Reichsgründung hat dem deutschen Fürstenstande, der glänzendsten Aristokratie der Welt, seine natürliche Stellung gegeben und damit seine natür¬ liche Aufgabe, nämlich statt seine Thätigkeit auf die engen Grenzen der Heimat zu beschränken und gelegentlich um Gebiets- und Rechtsfragen die Nation zu zerreißen, gemeinsam an ihrem Wohle und ihrer Größe zu arbeiten. Zu den besten Männern dieses Standes wird allezeit der Prinz »ut der König Johann " gerechnet werden müssen, Im Kampf ums Ueber Johann Skjoldborg Erzählung von (Fortsetzung) le Hohlwege durch die Heide und die undeutlichen Wegspuren durch tiefen Sand und über holprige Hügel waren die einzige Verbindung zwischen den Dünen »ut der Außenwelt. Doch hatte man noch nie gehört, daß jemand durch Umwerfen zu Schaden gekommen wäre, denn niemand versteht es wie die Dünenbewvhner, mit einem Paar Ochsen auf grundlosen Wegen vorwärts zu kommen, niemand hat wie sie die Fähigkeit, sich durch die Dunkelheit der Nacht mit der größten Seelen¬ ruhe weiter zu fühlen und dahin zu gelangen, wohin er soll.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/557
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/557>, abgerufen am 13.11.2024.