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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr.

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Das englische Königtum
Lzugo Bartels von

ÄW
.-^ierdic war der Sohn des Elesa, Elesa des Esta, Esta des
Gewis, Geivis des Wig, Wig des Freawin, Freawin des
^Frithogar, Frithogar des Brand, Brand des Bäldäg, und
Bäldäg N>ar der Sohn Wodans. Also berichtet die angel¬
sächsische Chronik über die Herkunft Cerdics, des Königs der
Westsachsen, ans dessen Hanse Egbert entsproß, der erste König von Ganz-
England. Einer ebenso erlauchten Abstammung von Wodan rühmten sich die
Könige der übrigen angelsächsischen Staaten, die später unter die Botmäßigkeit
von Wessex gelangten. Sie sind alle längst verschollen, aber vom Hanse
Cerdics ist das göttliche Blut ans die Plantngenets und alle spätern englischen
und schottischen Könige übergegangen und fließt mich in den Adern des jetzt
in Großbritannien herrschenden Hauses Koburg.

Urkundlich nachweisbar ist natürlich die göttliche Abkunft der angel¬
sächsische" Könige nicht. Wodans Weisheit ging nicht so weit, auf Asgard
ein Standesamt einzurichten, und wenn deswegen ein Zweifler die ganze
Sache für eine höfische Schmeichelei des Chronisten halten will, so dürfte mit
ihm nicht zu streiten sein. Auf die Wahrheit der Thatsache kommt es aber
hierbei auch gar nicht an, sondern bloß ans die Auffassung von der Stellung
des Königtums, die sich ans dem angegebnen Stammbaum ergiebt.

Dem Chronisten und neben ihm wohl mich vielen andern war das König¬
tum eine erhabne Würde. An und für sich liegt darin nichts besondres. Auch
Herkules und Romulus waren Göttersöhne, und die germanische Sage führte
die Wölsunge auf Wodan zurück. Das Bemerkenswerte liegt in dem Um¬
stände, daß sich gerade aus dem sächsischen Volksstamme, der am längsten und
zähesten an der alten germanischen Bolksfrciyeit festgehalten hat, das König¬
tum so entwickeln konnte. Weder bei den in der Heimat gebliebner Sachsen,
noch bei ihren Nachbarn, den Friesen, zeigt sich die geringste Spur eines
Königtums. Zwar als Mathilde die Gemahlin Heinrichs des Voglers und


Gronzbotcn IV 1901 58


Das englische Königtum
Lzugo Bartels von

ÄW
.-^ierdic war der Sohn des Elesa, Elesa des Esta, Esta des
Gewis, Geivis des Wig, Wig des Freawin, Freawin des
^Frithogar, Frithogar des Brand, Brand des Bäldäg, und
Bäldäg N>ar der Sohn Wodans. Also berichtet die angel¬
sächsische Chronik über die Herkunft Cerdics, des Königs der
Westsachsen, ans dessen Hanse Egbert entsproß, der erste König von Ganz-
England. Einer ebenso erlauchten Abstammung von Wodan rühmten sich die
Könige der übrigen angelsächsischen Staaten, die später unter die Botmäßigkeit
von Wessex gelangten. Sie sind alle längst verschollen, aber vom Hanse
Cerdics ist das göttliche Blut ans die Plantngenets und alle spätern englischen
und schottischen Könige übergegangen und fließt mich in den Adern des jetzt
in Großbritannien herrschenden Hauses Koburg.

Urkundlich nachweisbar ist natürlich die göttliche Abkunft der angel¬
sächsische» Könige nicht. Wodans Weisheit ging nicht so weit, auf Asgard
ein Standesamt einzurichten, und wenn deswegen ein Zweifler die ganze
Sache für eine höfische Schmeichelei des Chronisten halten will, so dürfte mit
ihm nicht zu streiten sein. Auf die Wahrheit der Thatsache kommt es aber
hierbei auch gar nicht an, sondern bloß ans die Auffassung von der Stellung
des Königtums, die sich ans dem angegebnen Stammbaum ergiebt.

Dem Chronisten und neben ihm wohl mich vielen andern war das König¬
tum eine erhabne Würde. An und für sich liegt darin nichts besondres. Auch
Herkules und Romulus waren Göttersöhne, und die germanische Sage führte
die Wölsunge auf Wodan zurück. Das Bemerkenswerte liegt in dem Um¬
stände, daß sich gerade aus dem sächsischen Volksstamme, der am längsten und
zähesten an der alten germanischen Bolksfrciyeit festgehalten hat, das König¬
tum so entwickeln konnte. Weder bei den in der Heimat gebliebner Sachsen,
noch bei ihren Nachbarn, den Friesen, zeigt sich die geringste Spur eines
Königtums. Zwar als Mathilde die Gemahlin Heinrichs des Voglers und


Gronzbotcn IV 1901 58
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[0465] [Abbildung] Das englische Königtum Lzugo Bartels von ÄW .-^ierdic war der Sohn des Elesa, Elesa des Esta, Esta des Gewis, Geivis des Wig, Wig des Freawin, Freawin des ^Frithogar, Frithogar des Brand, Brand des Bäldäg, und Bäldäg N>ar der Sohn Wodans. Also berichtet die angel¬ sächsische Chronik über die Herkunft Cerdics, des Königs der Westsachsen, ans dessen Hanse Egbert entsproß, der erste König von Ganz- England. Einer ebenso erlauchten Abstammung von Wodan rühmten sich die Könige der übrigen angelsächsischen Staaten, die später unter die Botmäßigkeit von Wessex gelangten. Sie sind alle längst verschollen, aber vom Hanse Cerdics ist das göttliche Blut ans die Plantngenets und alle spätern englischen und schottischen Könige übergegangen und fließt mich in den Adern des jetzt in Großbritannien herrschenden Hauses Koburg. Urkundlich nachweisbar ist natürlich die göttliche Abkunft der angel¬ sächsische» Könige nicht. Wodans Weisheit ging nicht so weit, auf Asgard ein Standesamt einzurichten, und wenn deswegen ein Zweifler die ganze Sache für eine höfische Schmeichelei des Chronisten halten will, so dürfte mit ihm nicht zu streiten sein. Auf die Wahrheit der Thatsache kommt es aber hierbei auch gar nicht an, sondern bloß ans die Auffassung von der Stellung des Königtums, die sich ans dem angegebnen Stammbaum ergiebt. Dem Chronisten und neben ihm wohl mich vielen andern war das König¬ tum eine erhabne Würde. An und für sich liegt darin nichts besondres. Auch Herkules und Romulus waren Göttersöhne, und die germanische Sage führte die Wölsunge auf Wodan zurück. Das Bemerkenswerte liegt in dem Um¬ stände, daß sich gerade aus dem sächsischen Volksstamme, der am längsten und zähesten an der alten germanischen Bolksfrciyeit festgehalten hat, das König¬ tum so entwickeln konnte. Weder bei den in der Heimat gebliebner Sachsen, noch bei ihren Nachbarn, den Friesen, zeigt sich die geringste Spur eines Königtums. Zwar als Mathilde die Gemahlin Heinrichs des Voglers und Gronzbotcn IV 1901 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_235821/465>, abgerufen am 13.11.2024.