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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Aus der Werkstatt der Schulreform

Summe von 2350000 Mark namhafte Abstriche bis zur Höhe einer halben
Million machen würde. Es würde deshalb kein Brief später bestellt, die
Sicherheit des Postbetriebs nicht im mindeste" gefährdet werden. Allerdings
dient die genannte Summe nußer zu Tagegeldern und Fuhrkosten noch zu
Vergütungen auf Umzugskosten und zu Micteutschädiguugen bei Versetzungen
der Beamten. Aber auch die Zahl der Versetzungen könnte bedeutend beschränkt
werden. Bei Beförderungen wird man ja nicht immer vermeiden können, daß
ein Beamter ans einer Ecke des Reichs in die andre versetzt wird, aber nicht
nur zwecklos, sondern geradezu nachteilig sind die zahllosen Versetzungen der
jüngern Beamten*) aus einem Bezirk in einen möglichst weit entfernten andern.
Diese Versetzungen nützen den Beamten nichts, belasten die Staatskasse und
schädige" das Publikum in hohem Grade, weil der Betrieb unter dein fort¬
währenden Wechsel der Beamten sehr leidet. Je vertrauter das Personal mit
den Ortsverhältnissen ist, desto besser wird das Publikum bedient.

Die Ersparnisse, die durch die Verringerung der Zahl der Versetzungen
und namentlich der Dieustreiseu erzielt werden, können zweckmäßig für die Ver¬
besserung der Lage der Beamtenklnssen verwandt werden, die bei der Gehalts¬
aufbesserung stiefmütterlich behandelt worden sind. Jetzt kommen die Vorteile
nur einigen wenige" Bevorzugten zu gute. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu
bei, eine Neuregelung der Vergütungen für die Dienstreisen anzuregen. Das
gegenwärtige Verfahren ist, wie wir nachgewiesen zu haben glaube", ungerecht,
""würdig und schädlich.




Aus der Werkstatt der Schulreform
Johannes Ureutzer Von

>cum künftig einmal unser heutiges Unterrichtswesen seinen Ge¬
schichtschreiber findet, so wird dieser die Strömungen, Kräfte
und Persönlichkeiten, die ans dessen Gestaltung eingewirkt haben,
zwar nicht so deutlich wie wir erkennen und unterscheiden, aber
Isein ans größerer Entfernung und von einer höhern Perspektive
fallender Blick wird eins klarer und schärfer sehen, was sich in der Nähe und
im Drang der Ereignisse zu verbergen Pflegt: daß der Streit um die Gestal¬
tung unsers höhern Unterrichts keineswegs bloß die Schule angeht, sondern
weit darüber hinaus um eine der Grundlagen unsrer nationalen und politischen
Entwicklung geführt wird. Daß von diesem Standpunkt aus der Akt der



") Im Kalenderjahr 1900 wurden 11ö0 Praktikanten und M70 Assistenten versetzt; die
Versetzungen der Postgehilfen werden nicht veröffentlicht.
Aus der Werkstatt der Schulreform

Summe von 2350000 Mark namhafte Abstriche bis zur Höhe einer halben
Million machen würde. Es würde deshalb kein Brief später bestellt, die
Sicherheit des Postbetriebs nicht im mindeste» gefährdet werden. Allerdings
dient die genannte Summe nußer zu Tagegeldern und Fuhrkosten noch zu
Vergütungen auf Umzugskosten und zu Micteutschädiguugen bei Versetzungen
der Beamten. Aber auch die Zahl der Versetzungen könnte bedeutend beschränkt
werden. Bei Beförderungen wird man ja nicht immer vermeiden können, daß
ein Beamter ans einer Ecke des Reichs in die andre versetzt wird, aber nicht
nur zwecklos, sondern geradezu nachteilig sind die zahllosen Versetzungen der
jüngern Beamten*) aus einem Bezirk in einen möglichst weit entfernten andern.
Diese Versetzungen nützen den Beamten nichts, belasten die Staatskasse und
schädige» das Publikum in hohem Grade, weil der Betrieb unter dein fort¬
währenden Wechsel der Beamten sehr leidet. Je vertrauter das Personal mit
den Ortsverhältnissen ist, desto besser wird das Publikum bedient.

Die Ersparnisse, die durch die Verringerung der Zahl der Versetzungen
und namentlich der Dieustreiseu erzielt werden, können zweckmäßig für die Ver¬
besserung der Lage der Beamtenklnssen verwandt werden, die bei der Gehalts¬
aufbesserung stiefmütterlich behandelt worden sind. Jetzt kommen die Vorteile
nur einigen wenige» Bevorzugten zu gute. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu
bei, eine Neuregelung der Vergütungen für die Dienstreisen anzuregen. Das
gegenwärtige Verfahren ist, wie wir nachgewiesen zu haben glaube», ungerecht,
»»würdig und schädlich.




Aus der Werkstatt der Schulreform
Johannes Ureutzer Von

>cum künftig einmal unser heutiges Unterrichtswesen seinen Ge¬
schichtschreiber findet, so wird dieser die Strömungen, Kräfte
und Persönlichkeiten, die ans dessen Gestaltung eingewirkt haben,
zwar nicht so deutlich wie wir erkennen und unterscheiden, aber
Isein ans größerer Entfernung und von einer höhern Perspektive
fallender Blick wird eins klarer und schärfer sehen, was sich in der Nähe und
im Drang der Ereignisse zu verbergen Pflegt: daß der Streit um die Gestal¬
tung unsers höhern Unterrichts keineswegs bloß die Schule angeht, sondern
weit darüber hinaus um eine der Grundlagen unsrer nationalen und politischen
Entwicklung geführt wird. Daß von diesem Standpunkt aus der Akt der



") Im Kalenderjahr 1900 wurden 11ö0 Praktikanten und M70 Assistenten versetzt; die
Versetzungen der Postgehilfen werden nicht veröffentlicht.
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[0613] Aus der Werkstatt der Schulreform Summe von 2350000 Mark namhafte Abstriche bis zur Höhe einer halben Million machen würde. Es würde deshalb kein Brief später bestellt, die Sicherheit des Postbetriebs nicht im mindeste» gefährdet werden. Allerdings dient die genannte Summe nußer zu Tagegeldern und Fuhrkosten noch zu Vergütungen auf Umzugskosten und zu Micteutschädiguugen bei Versetzungen der Beamten. Aber auch die Zahl der Versetzungen könnte bedeutend beschränkt werden. Bei Beförderungen wird man ja nicht immer vermeiden können, daß ein Beamter ans einer Ecke des Reichs in die andre versetzt wird, aber nicht nur zwecklos, sondern geradezu nachteilig sind die zahllosen Versetzungen der jüngern Beamten*) aus einem Bezirk in einen möglichst weit entfernten andern. Diese Versetzungen nützen den Beamten nichts, belasten die Staatskasse und schädige» das Publikum in hohem Grade, weil der Betrieb unter dein fort¬ währenden Wechsel der Beamten sehr leidet. Je vertrauter das Personal mit den Ortsverhältnissen ist, desto besser wird das Publikum bedient. Die Ersparnisse, die durch die Verringerung der Zahl der Versetzungen und namentlich der Dieustreiseu erzielt werden, können zweckmäßig für die Ver¬ besserung der Lage der Beamtenklnssen verwandt werden, die bei der Gehalts¬ aufbesserung stiefmütterlich behandelt worden sind. Jetzt kommen die Vorteile nur einigen wenige» Bevorzugten zu gute. Vielleicht tragen diese Zeilen dazu bei, eine Neuregelung der Vergütungen für die Dienstreisen anzuregen. Das gegenwärtige Verfahren ist, wie wir nachgewiesen zu haben glaube», ungerecht, »»würdig und schädlich. Aus der Werkstatt der Schulreform Johannes Ureutzer Von >cum künftig einmal unser heutiges Unterrichtswesen seinen Ge¬ schichtschreiber findet, so wird dieser die Strömungen, Kräfte und Persönlichkeiten, die ans dessen Gestaltung eingewirkt haben, zwar nicht so deutlich wie wir erkennen und unterscheiden, aber Isein ans größerer Entfernung und von einer höhern Perspektive fallender Blick wird eins klarer und schärfer sehen, was sich in der Nähe und im Drang der Ereignisse zu verbergen Pflegt: daß der Streit um die Gestal¬ tung unsers höhern Unterrichts keineswegs bloß die Schule angeht, sondern weit darüber hinaus um eine der Grundlagen unsrer nationalen und politischen Entwicklung geführt wird. Daß von diesem Standpunkt aus der Akt der ") Im Kalenderjahr 1900 wurden 11ö0 Praktikanten und M70 Assistenten versetzt; die Versetzungen der Postgehilfen werden nicht veröffentlicht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/613>, abgerufen am 29.06.2024.