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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr.

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Die Satiren des Horaz im Lichte des modernen italienischen Lebens

bestens in jedem zweiten Jahre durch Beamte erfolgen, die von der Geuosseu-
schaftstasse abhängig sind. Die Gehalte der Revisoren bestreitet die General-
anwältschaftskasfe.

(Schluß fol.le)




Die Satiren des Horaz im Lichte des modernen
italienischen Lebens
von (!)tlo Aaemmel (Schluss)

er bewegliche, leicht empfängliche und doch sell'stbewußte Volks-
charakter verursacht zusammen mit dem milden Klima eine Lebeus-
fiihrnng, die voll der nordischen weit verschieden ist, zunächst
eine lveitgehende Öffentlichkeit des ganzen Daseins. Haus
und Straße stehn im Süden in der engsten Verbindung, ja sie
gehn geradezu ineinander über. Die Paläste -- und der Begriff nirln?^o ist
dort weit ausgedehnter als der des Wortes Palast bei uns -- offnen sich
in Säuleugalerien nach dem leicht von der Straße ans zugänglichen Hofe,
zuweilen auch nach dieser selbst, in manchen Städten, wie in Bologna und
Pndua, auch die Hänser überhaupt in Arkaden nach der Straße; im Süden,
in Neapel, Syrakus, Palermo hat jedes Fenster seinen Balkon, und die
Parterrewvhnlingen gewähren von der Straße aus oft sehr intime Einblicke
in Familieuszencn. Auch die Handwerker arbeiten halb oder ganz ans der
Straße, daneben waschen die Frauen und hängen dann die Wäsche zum Trocknen
kaltblütig an Leinen oder Drähten quer über die Gasse. Unendlich entwickelt
ist der Strnßenhaudel, der fliegende wie der stehende; an den Ecken sitzen
die Zeitungsverkäufer, die Geldwechsler, in Florenz in den Arkaden gegen¬
über den Uffizien auch die kleinen Buch- und Kunsthändler; in Florenz wird
anch die Freitngsbörse der Lmidlente ans der Piazza Signoria abgehalten, zu¬
weilen ein farbiges Bild, denn bei kaltem Wetter erscheinen die Bauern dazu
in roten Fuchspelzen, und die Pferde sind sorglich in dicke, dunkelrote Filz¬
decken gehüllt. Auch die Kaffeehäuser nehmen den vor ihnen liegenden Teil
der Straße für sich in Auspruch und besetzen das Trottoir mit Stuhlreihen
für ihre Gäste. Ja der Drang zu möglichst großer Öffentlichkeit hat zu einer
neuen architektonischen Kombination geführt, den verdeckten Glasgalerien, deren
älteste und großartigste die Galeria Vittorio Emmanuele in Mailand ist. Es
sind gewissermaßen überdachte Plätze, wie die antiken Basiliken, und wohl hat
es etwas Hinreißendes, Zauberhaftes, wenn am Abend die reiche Architektur


Die Satiren des Horaz im Lichte des modernen italienischen Lebens

bestens in jedem zweiten Jahre durch Beamte erfolgen, die von der Geuosseu-
schaftstasse abhängig sind. Die Gehalte der Revisoren bestreitet die General-
anwältschaftskasfe.

(Schluß fol.le)




Die Satiren des Horaz im Lichte des modernen
italienischen Lebens
von (!)tlo Aaemmel (Schluss)

er bewegliche, leicht empfängliche und doch sell'stbewußte Volks-
charakter verursacht zusammen mit dem milden Klima eine Lebeus-
fiihrnng, die voll der nordischen weit verschieden ist, zunächst
eine lveitgehende Öffentlichkeit des ganzen Daseins. Haus
und Straße stehn im Süden in der engsten Verbindung, ja sie
gehn geradezu ineinander über. Die Paläste — und der Begriff nirln?^o ist
dort weit ausgedehnter als der des Wortes Palast bei uns — offnen sich
in Säuleugalerien nach dem leicht von der Straße ans zugänglichen Hofe,
zuweilen auch nach dieser selbst, in manchen Städten, wie in Bologna und
Pndua, auch die Hänser überhaupt in Arkaden nach der Straße; im Süden,
in Neapel, Syrakus, Palermo hat jedes Fenster seinen Balkon, und die
Parterrewvhnlingen gewähren von der Straße aus oft sehr intime Einblicke
in Familieuszencn. Auch die Handwerker arbeiten halb oder ganz ans der
Straße, daneben waschen die Frauen und hängen dann die Wäsche zum Trocknen
kaltblütig an Leinen oder Drähten quer über die Gasse. Unendlich entwickelt
ist der Strnßenhaudel, der fliegende wie der stehende; an den Ecken sitzen
die Zeitungsverkäufer, die Geldwechsler, in Florenz in den Arkaden gegen¬
über den Uffizien auch die kleinen Buch- und Kunsthändler; in Florenz wird
anch die Freitngsbörse der Lmidlente ans der Piazza Signoria abgehalten, zu¬
weilen ein farbiges Bild, denn bei kaltem Wetter erscheinen die Bauern dazu
in roten Fuchspelzen, und die Pferde sind sorglich in dicke, dunkelrote Filz¬
decken gehüllt. Auch die Kaffeehäuser nehmen den vor ihnen liegenden Teil
der Straße für sich in Auspruch und besetzen das Trottoir mit Stuhlreihen
für ihre Gäste. Ja der Drang zu möglichst großer Öffentlichkeit hat zu einer
neuen architektonischen Kombination geführt, den verdeckten Glasgalerien, deren
älteste und großartigste die Galeria Vittorio Emmanuele in Mailand ist. Es
sind gewissermaßen überdachte Plätze, wie die antiken Basiliken, und wohl hat
es etwas Hinreißendes, Zauberhaftes, wenn am Abend die reiche Architektur


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[0452] Die Satiren des Horaz im Lichte des modernen italienischen Lebens bestens in jedem zweiten Jahre durch Beamte erfolgen, die von der Geuosseu- schaftstasse abhängig sind. Die Gehalte der Revisoren bestreitet die General- anwältschaftskasfe. (Schluß fol.le) Die Satiren des Horaz im Lichte des modernen italienischen Lebens von (!)tlo Aaemmel (Schluss) er bewegliche, leicht empfängliche und doch sell'stbewußte Volks- charakter verursacht zusammen mit dem milden Klima eine Lebeus- fiihrnng, die voll der nordischen weit verschieden ist, zunächst eine lveitgehende Öffentlichkeit des ganzen Daseins. Haus und Straße stehn im Süden in der engsten Verbindung, ja sie gehn geradezu ineinander über. Die Paläste — und der Begriff nirln?^o ist dort weit ausgedehnter als der des Wortes Palast bei uns — offnen sich in Säuleugalerien nach dem leicht von der Straße ans zugänglichen Hofe, zuweilen auch nach dieser selbst, in manchen Städten, wie in Bologna und Pndua, auch die Hänser überhaupt in Arkaden nach der Straße; im Süden, in Neapel, Syrakus, Palermo hat jedes Fenster seinen Balkon, und die Parterrewvhnlingen gewähren von der Straße aus oft sehr intime Einblicke in Familieuszencn. Auch die Handwerker arbeiten halb oder ganz ans der Straße, daneben waschen die Frauen und hängen dann die Wäsche zum Trocknen kaltblütig an Leinen oder Drähten quer über die Gasse. Unendlich entwickelt ist der Strnßenhaudel, der fliegende wie der stehende; an den Ecken sitzen die Zeitungsverkäufer, die Geldwechsler, in Florenz in den Arkaden gegen¬ über den Uffizien auch die kleinen Buch- und Kunsthändler; in Florenz wird anch die Freitngsbörse der Lmidlente ans der Piazza Signoria abgehalten, zu¬ weilen ein farbiges Bild, denn bei kaltem Wetter erscheinen die Bauern dazu in roten Fuchspelzen, und die Pferde sind sorglich in dicke, dunkelrote Filz¬ decken gehüllt. Auch die Kaffeehäuser nehmen den vor ihnen liegenden Teil der Straße für sich in Auspruch und besetzen das Trottoir mit Stuhlreihen für ihre Gäste. Ja der Drang zu möglichst großer Öffentlichkeit hat zu einer neuen architektonischen Kombination geführt, den verdeckten Glasgalerien, deren älteste und großartigste die Galeria Vittorio Emmanuele in Mailand ist. Es sind gewissermaßen überdachte Plätze, wie die antiken Basiliken, und wohl hat es etwas Hinreißendes, Zauberhaftes, wenn am Abend die reiche Architektur

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_234529/452>, abgerufen am 22.07.2024.