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Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr.

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und Weismcs die Nebenbahn nach Malmedy abzweigt. Hier sind die Berg-
hange wieder bewaldet, verflachen sich mehr und mehr und umschließen endlich
eine breite Thalmulde, die mit dem Warchcthalc zusammentrifft. Dort liegt,
gegen Nord- und Ostwinde geschützt und von grünen Wiesen umgeben Malmedy,
die Hauptstadt des preußischen Wnllonenlcmdes.




Das preußische Kadettenkorps als gelehrte schule
(Schluß)

le Kommandeure der Hauptanstalt, Oberstleutnants oder Obersten,
die als Generalmajor häufig auch Kommandeur des Kadetten¬
korps werden, sind fast ohne Ausnahme sehr tüchtige Offiziere,
die eine glänzende Karriere machen und oft bis zum General-
leutnant oder noch höher aufsteigen. Ich habe den größten Re¬
spekt vor ihrer Berufsbildung, ihrer Thatkraft und vorbildlichen
Haltung und erkenne willig an, daß ein solcher Mann beurteilen kann, ob
ein Lehrer schlaff oder energisch, anregend oder langweilig, in manchen Fächern
auch ob er im einzelnen Falle klar oder unklar ist. Das ist aber doch nur
eine Seite der Sache und kann nicht ausreichen. Es gehört noch viel mehr
dazu, wissenschaftlichen Unterricht zu beurteilen, nämlich ein ziemlich hohes
Maß allgemeiner Bildung und ein Umfang positiver Kenntnisse, wie man
beides wohl an einem Roon und einem Moltke bewundert hat, wie es sich aber
unbedingt nicht bei allen Generalen findet, die es auch gar nicht brauchen.
Kann ich denn z. B. die schulmäßige Darstellung der französischen Revolution
in II II wirklich beurteilen, wenn mir nicht der gesamte Stoff in seinen
tiefern Zusammenhängen vollkommen gegenwärtig ist? Von Fragen des Ner-
fassnngs- und Wirtschaftslebens gar nicht zu reden. Nein, der anspruchsvolle
Dienst im Heere, der mindestens noch für den Hauptmnnn große physische
Anstrengungen mit sich bringt, die immer feinere Ausgestaltung der Kriegs¬
wissenschaft, der beständig wachsende Umfang der Aufgaben der Heeresver¬
waltung lassen den Offizieren wahrlich wenig Zeit, Fächer allgemeiner wissen¬
schaftlicher Bildung dauernd und tief zu pflegen. Mau bedenke auch, daß in
Groß-Lichtcrfelde 'in etwa 36 Klaffen gegen sechzig Personen unterrichten, und
das in zehn Fächern. Welche kleinen Teile der Jahrespcnsa sollen da den
inspizierenden Vorgesetzten in den Unterricht einführen und ihm eine Übersicht
bieten? Dazu kommt uoch die Selekta; ihre Leitung hat zwar der etatsmäßige
Stabsoffizier, sie gehört aber doch auch zur Hauptkadettenanstalt und ist mit
unter deren Kommandeur gestellt. In der Beurteilung der verschiednen Persön¬
lichkeiten selbst werden nun allerdings höhere Offiziere durch ihre große Übung
ungemein unterstützt.

Ich habe schou oben von irrigen Grundanschauungen bei den Militär¬
lehrern gesprochen. Noch mehr fast treten sie bei manchem Kommandeur des
Kadettenkorps hervor. Wie sollte es auch anders sein, wenn ein Mann erst


und Weismcs die Nebenbahn nach Malmedy abzweigt. Hier sind die Berg-
hange wieder bewaldet, verflachen sich mehr und mehr und umschließen endlich
eine breite Thalmulde, die mit dem Warchcthalc zusammentrifft. Dort liegt,
gegen Nord- und Ostwinde geschützt und von grünen Wiesen umgeben Malmedy,
die Hauptstadt des preußischen Wnllonenlcmdes.




Das preußische Kadettenkorps als gelehrte schule
(Schluß)

le Kommandeure der Hauptanstalt, Oberstleutnants oder Obersten,
die als Generalmajor häufig auch Kommandeur des Kadetten¬
korps werden, sind fast ohne Ausnahme sehr tüchtige Offiziere,
die eine glänzende Karriere machen und oft bis zum General-
leutnant oder noch höher aufsteigen. Ich habe den größten Re¬
spekt vor ihrer Berufsbildung, ihrer Thatkraft und vorbildlichen
Haltung und erkenne willig an, daß ein solcher Mann beurteilen kann, ob
ein Lehrer schlaff oder energisch, anregend oder langweilig, in manchen Fächern
auch ob er im einzelnen Falle klar oder unklar ist. Das ist aber doch nur
eine Seite der Sache und kann nicht ausreichen. Es gehört noch viel mehr
dazu, wissenschaftlichen Unterricht zu beurteilen, nämlich ein ziemlich hohes
Maß allgemeiner Bildung und ein Umfang positiver Kenntnisse, wie man
beides wohl an einem Roon und einem Moltke bewundert hat, wie es sich aber
unbedingt nicht bei allen Generalen findet, die es auch gar nicht brauchen.
Kann ich denn z. B. die schulmäßige Darstellung der französischen Revolution
in II II wirklich beurteilen, wenn mir nicht der gesamte Stoff in seinen
tiefern Zusammenhängen vollkommen gegenwärtig ist? Von Fragen des Ner-
fassnngs- und Wirtschaftslebens gar nicht zu reden. Nein, der anspruchsvolle
Dienst im Heere, der mindestens noch für den Hauptmnnn große physische
Anstrengungen mit sich bringt, die immer feinere Ausgestaltung der Kriegs¬
wissenschaft, der beständig wachsende Umfang der Aufgaben der Heeresver¬
waltung lassen den Offizieren wahrlich wenig Zeit, Fächer allgemeiner wissen¬
schaftlicher Bildung dauernd und tief zu pflegen. Mau bedenke auch, daß in
Groß-Lichtcrfelde 'in etwa 36 Klaffen gegen sechzig Personen unterrichten, und
das in zehn Fächern. Welche kleinen Teile der Jahrespcnsa sollen da den
inspizierenden Vorgesetzten in den Unterricht einführen und ihm eine Übersicht
bieten? Dazu kommt uoch die Selekta; ihre Leitung hat zwar der etatsmäßige
Stabsoffizier, sie gehört aber doch auch zur Hauptkadettenanstalt und ist mit
unter deren Kommandeur gestellt. In der Beurteilung der verschiednen Persön¬
lichkeiten selbst werden nun allerdings höhere Offiziere durch ihre große Übung
ungemein unterstützt.

Ich habe schou oben von irrigen Grundanschauungen bei den Militär¬
lehrern gesprochen. Noch mehr fast treten sie bei manchem Kommandeur des
Kadettenkorps hervor. Wie sollte es auch anders sein, wenn ein Mann erst


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 60, 1901, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341873_233879/188>, abgerufen am 27.06.2024.