Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Das Jahrhundert l9

liebe Zeitrechnung neben der astronomischen Zahlreihe mich die historische setzte,
so that er dieser zu tue! Ehre an. Statt der Reduktionsera des stätiger
hätte er auch die um 10000 Jahre vermehrte des DiouhS nehmen können.
Am einfachsten ist es, alle Eren mit der astronomischen zu vergleichen.

Die (0) kommt übrigens schon bei den alten Chronologen vor. Die erste
Zeile der Ostertafel des Dionys hat die Epakte: ruttu. Die Ziffer (0) findet
sich erst in einer Urkunde vom Jahre 738 n. Chr. Die negativen Zahlen er¬
langten Bedeutung erst seit dein Jahre 1637 durch den Erfinder der analy¬
tischen Geometrie Descartes. In chronologischen Werken wird auch der Wochen¬
tag Montag Ferie II. wegen des Rehes der Division durch 7 mit 0 bezeichnet,
früher mit 7.

Es ist wunderlich, daß die so klare und einfache astronomische Zählung
Angriffe erfahren hat. Es lohnt nicht, diese Einwände zu widerlegen. Sie
beruhen alle auf Mangel an Einsicht. Wer in eine Sache Verkehrtes hinein¬
legt, bekommt auch Verkehrtes heraus. Die Zeit fließt ebenso wenig zurück,
als das Wasser bergan. Wer vor der Jahreszahl 1 des Dionys ein Brett
hat, mit dem ist nicht zu rechten. Ergötzlich sind die naiven, für die ein
Jahr 0 gleich einem leeren Raum ist oder gleich Nichts. Andre verwechseln
die Nummer 0 beim Zählen der ganzen Jahre mit dein Anfangspunkt 0 beim
Messen; 0 Jahr und Jahr 0 ist aber nicht dasselbe. Das erste drückt die
Messung der Zeit aus um Mitternacht zu Neujahr 0 (bürgerlicher Tag), das
zweite umfaßt die Zeit von diesem Moment an bis zum Ende des 31. Dezember.
Seine Teile können in die Dezimalform 0,00 bis 0,99 gebracht werden. Die
Ursache der verworrnen Auffassung liegt im Gebrauch der Ordnungszahlen;
die Astronomen verwerfen diese grundsätzlich. Nur wo sie der lieben Einfalt
zu Hilfe kommen "vollen, bleiben sie beim hergebrachten; denn es ist

Folgerecht behandeln wir auch die größern Zeitmaße. Jahrhundert 0
umfaßt die 100 Jahre 0 bis 99, Jahrhundert 1 die Jahre 100 bis 199,
Jahrhundert 18 die Jahre 1800 bis 1899, Jahrhundert -- 1 die Jahre -- 100
bis -- 1 oder -- 100 -j- 00 bis -- 100 99. Es verhält sich hiermit genau
so wie mit der Kennziffer bei Logarithmen. Und Heuer nach 100 Jahren
bricht das Jahrtausend 2 an.


3. Die sprachgelehrten.

Wi
r gebrauchen bei den Monatstagen die
Ordnungszahlen, bei den Jahren die Grundzahlen, z.B. der 9. März
1888. Wir wechseln indessen auch ab und sagen: auf der 10. Seite oder auf
Seite 10. Was wir hier Grundzahlen nannten, sind eigentlich bloß Nummern.
Die Nummer steht hinter dem Namen und faßt wie die Ordnungszahl nur
eine Einheit. Wahre Grundzahlen fassen mehrere Einheiten und stehn vor
dein Namen, z. B. 3 Mark. Nummern haben also die Form der Grundzahlen,


Das Jahrhundert l9

liebe Zeitrechnung neben der astronomischen Zahlreihe mich die historische setzte,
so that er dieser zu tue! Ehre an. Statt der Reduktionsera des stätiger
hätte er auch die um 10000 Jahre vermehrte des DiouhS nehmen können.
Am einfachsten ist es, alle Eren mit der astronomischen zu vergleichen.

Die (0) kommt übrigens schon bei den alten Chronologen vor. Die erste
Zeile der Ostertafel des Dionys hat die Epakte: ruttu. Die Ziffer (0) findet
sich erst in einer Urkunde vom Jahre 738 n. Chr. Die negativen Zahlen er¬
langten Bedeutung erst seit dein Jahre 1637 durch den Erfinder der analy¬
tischen Geometrie Descartes. In chronologischen Werken wird auch der Wochen¬
tag Montag Ferie II. wegen des Rehes der Division durch 7 mit 0 bezeichnet,
früher mit 7.

Es ist wunderlich, daß die so klare und einfache astronomische Zählung
Angriffe erfahren hat. Es lohnt nicht, diese Einwände zu widerlegen. Sie
beruhen alle auf Mangel an Einsicht. Wer in eine Sache Verkehrtes hinein¬
legt, bekommt auch Verkehrtes heraus. Die Zeit fließt ebenso wenig zurück,
als das Wasser bergan. Wer vor der Jahreszahl 1 des Dionys ein Brett
hat, mit dem ist nicht zu rechten. Ergötzlich sind die naiven, für die ein
Jahr 0 gleich einem leeren Raum ist oder gleich Nichts. Andre verwechseln
die Nummer 0 beim Zählen der ganzen Jahre mit dein Anfangspunkt 0 beim
Messen; 0 Jahr und Jahr 0 ist aber nicht dasselbe. Das erste drückt die
Messung der Zeit aus um Mitternacht zu Neujahr 0 (bürgerlicher Tag), das
zweite umfaßt die Zeit von diesem Moment an bis zum Ende des 31. Dezember.
Seine Teile können in die Dezimalform 0,00 bis 0,99 gebracht werden. Die
Ursache der verworrnen Auffassung liegt im Gebrauch der Ordnungszahlen;
die Astronomen verwerfen diese grundsätzlich. Nur wo sie der lieben Einfalt
zu Hilfe kommen »vollen, bleiben sie beim hergebrachten; denn es ist

Folgerecht behandeln wir auch die größern Zeitmaße. Jahrhundert 0
umfaßt die 100 Jahre 0 bis 99, Jahrhundert 1 die Jahre 100 bis 199,
Jahrhundert 18 die Jahre 1800 bis 1899, Jahrhundert — 1 die Jahre — 100
bis — 1 oder — 100 -j- 00 bis — 100 99. Es verhält sich hiermit genau
so wie mit der Kennziffer bei Logarithmen. Und Heuer nach 100 Jahren
bricht das Jahrtausend 2 an.


3. Die sprachgelehrten.

Wi
r gebrauchen bei den Monatstagen die
Ordnungszahlen, bei den Jahren die Grundzahlen, z.B. der 9. März
1888. Wir wechseln indessen auch ab und sagen: auf der 10. Seite oder auf
Seite 10. Was wir hier Grundzahlen nannten, sind eigentlich bloß Nummern.
Die Nummer steht hinter dem Namen und faßt wie die Ordnungszahl nur
eine Einheit. Wahre Grundzahlen fassen mehrere Einheiten und stehn vor
dein Namen, z. B. 3 Mark. Nummern haben also die Form der Grundzahlen,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0597" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/291674"/>
            <fw type="header" place="top"> Das Jahrhundert l9</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_2227" prev="#ID_2226"> liebe Zeitrechnung neben der astronomischen Zahlreihe mich die historische setzte,<lb/>
so that er dieser zu tue! Ehre an. Statt der Reduktionsera des stätiger<lb/>
hätte er auch die um 10000 Jahre vermehrte des DiouhS nehmen können.<lb/>
Am einfachsten ist es, alle Eren mit der astronomischen zu vergleichen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2228"> Die (0) kommt übrigens schon bei den alten Chronologen vor. Die erste<lb/>
Zeile der Ostertafel des Dionys hat die Epakte: ruttu. Die Ziffer (0) findet<lb/>
sich erst in einer Urkunde vom Jahre 738 n. Chr. Die negativen Zahlen er¬<lb/>
langten Bedeutung erst seit dein Jahre 1637 durch den Erfinder der analy¬<lb/>
tischen Geometrie Descartes. In chronologischen Werken wird auch der Wochen¬<lb/>
tag Montag Ferie II. wegen des Rehes der Division durch 7 mit 0 bezeichnet,<lb/>
früher mit 7.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_2229"> Es ist wunderlich, daß die so klare und einfache astronomische Zählung<lb/>
Angriffe erfahren hat. Es lohnt nicht, diese Einwände zu widerlegen. Sie<lb/>
beruhen alle auf Mangel an Einsicht. Wer in eine Sache Verkehrtes hinein¬<lb/>
legt, bekommt auch Verkehrtes heraus. Die Zeit fließt ebenso wenig zurück,<lb/>
als das Wasser bergan. Wer vor der Jahreszahl 1 des Dionys ein Brett<lb/>
hat, mit dem ist nicht zu rechten. Ergötzlich sind die naiven, für die ein<lb/>
Jahr 0 gleich einem leeren Raum ist oder gleich Nichts. Andre verwechseln<lb/>
die Nummer 0 beim Zählen der ganzen Jahre mit dein Anfangspunkt 0 beim<lb/>
Messen; 0 Jahr und Jahr 0 ist aber nicht dasselbe. Das erste drückt die<lb/>
Messung der Zeit aus um Mitternacht zu Neujahr 0 (bürgerlicher Tag), das<lb/>
zweite umfaßt die Zeit von diesem Moment an bis zum Ende des 31. Dezember.<lb/>
Seine Teile können in die Dezimalform 0,00 bis 0,99 gebracht werden. Die<lb/>
Ursache der verworrnen Auffassung liegt im Gebrauch der Ordnungszahlen;<lb/>
die Astronomen verwerfen diese grundsätzlich. Nur wo sie der lieben Einfalt<lb/>
zu Hilfe kommen »vollen, bleiben sie beim hergebrachten; denn es ist</p><lb/>
            <lg xml:id="POEMID_9" type="poem">
              <l/>
            </lg><lb/>
            <p xml:id="ID_2230"> Folgerecht behandeln wir auch die größern Zeitmaße. Jahrhundert 0<lb/>
umfaßt die 100 Jahre 0 bis 99, Jahrhundert 1 die Jahre 100 bis 199,<lb/>
Jahrhundert 18 die Jahre 1800 bis 1899, Jahrhundert &#x2014; 1 die Jahre &#x2014; 100<lb/>
bis &#x2014; 1 oder &#x2014; 100 -j- 00 bis &#x2014; 100 99. Es verhält sich hiermit genau<lb/>
so wie mit der Kennziffer bei Logarithmen. Und Heuer nach 100 Jahren<lb/>
bricht das Jahrtausend 2 an.</p><lb/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> 3. Die sprachgelehrten.</head>
            <p xml:id="ID_2231" next="#ID_2232"> Wi<lb/>
r gebrauchen bei den Monatstagen die<lb/>
Ordnungszahlen, bei den Jahren die Grundzahlen, z.B. der 9. März<lb/>
1888. Wir wechseln indessen auch ab und sagen: auf der 10. Seite oder auf<lb/>
Seite 10. Was wir hier Grundzahlen nannten, sind eigentlich bloß Nummern.<lb/>
Die Nummer steht hinter dem Namen und faßt wie die Ordnungszahl nur<lb/>
eine Einheit. Wahre Grundzahlen fassen mehrere Einheiten und stehn vor<lb/>
dein Namen, z. B. 3 Mark. Nummern haben also die Form der Grundzahlen,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0597] Das Jahrhundert l9 liebe Zeitrechnung neben der astronomischen Zahlreihe mich die historische setzte, so that er dieser zu tue! Ehre an. Statt der Reduktionsera des stätiger hätte er auch die um 10000 Jahre vermehrte des DiouhS nehmen können. Am einfachsten ist es, alle Eren mit der astronomischen zu vergleichen. Die (0) kommt übrigens schon bei den alten Chronologen vor. Die erste Zeile der Ostertafel des Dionys hat die Epakte: ruttu. Die Ziffer (0) findet sich erst in einer Urkunde vom Jahre 738 n. Chr. Die negativen Zahlen er¬ langten Bedeutung erst seit dein Jahre 1637 durch den Erfinder der analy¬ tischen Geometrie Descartes. In chronologischen Werken wird auch der Wochen¬ tag Montag Ferie II. wegen des Rehes der Division durch 7 mit 0 bezeichnet, früher mit 7. Es ist wunderlich, daß die so klare und einfache astronomische Zählung Angriffe erfahren hat. Es lohnt nicht, diese Einwände zu widerlegen. Sie beruhen alle auf Mangel an Einsicht. Wer in eine Sache Verkehrtes hinein¬ legt, bekommt auch Verkehrtes heraus. Die Zeit fließt ebenso wenig zurück, als das Wasser bergan. Wer vor der Jahreszahl 1 des Dionys ein Brett hat, mit dem ist nicht zu rechten. Ergötzlich sind die naiven, für die ein Jahr 0 gleich einem leeren Raum ist oder gleich Nichts. Andre verwechseln die Nummer 0 beim Zählen der ganzen Jahre mit dein Anfangspunkt 0 beim Messen; 0 Jahr und Jahr 0 ist aber nicht dasselbe. Das erste drückt die Messung der Zeit aus um Mitternacht zu Neujahr 0 (bürgerlicher Tag), das zweite umfaßt die Zeit von diesem Moment an bis zum Ende des 31. Dezember. Seine Teile können in die Dezimalform 0,00 bis 0,99 gebracht werden. Die Ursache der verworrnen Auffassung liegt im Gebrauch der Ordnungszahlen; die Astronomen verwerfen diese grundsätzlich. Nur wo sie der lieben Einfalt zu Hilfe kommen »vollen, bleiben sie beim hergebrachten; denn es ist Folgerecht behandeln wir auch die größern Zeitmaße. Jahrhundert 0 umfaßt die 100 Jahre 0 bis 99, Jahrhundert 1 die Jahre 100 bis 199, Jahrhundert 18 die Jahre 1800 bis 1899, Jahrhundert — 1 die Jahre — 100 bis — 1 oder — 100 -j- 00 bis — 100 99. Es verhält sich hiermit genau so wie mit der Kennziffer bei Logarithmen. Und Heuer nach 100 Jahren bricht das Jahrtausend 2 an. 3. Die sprachgelehrten. Wi r gebrauchen bei den Monatstagen die Ordnungszahlen, bei den Jahren die Grundzahlen, z.B. der 9. März 1888. Wir wechseln indessen auch ab und sagen: auf der 10. Seite oder auf Seite 10. Was wir hier Grundzahlen nannten, sind eigentlich bloß Nummern. Die Nummer steht hinter dem Namen und faßt wie die Ordnungszahl nur eine Einheit. Wahre Grundzahlen fassen mehrere Einheiten und stehn vor dein Namen, z. B. 3 Mark. Nummern haben also die Form der Grundzahlen,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/597
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_291076/597>, abgerufen am 23.06.2024.