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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr.

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Königliche" Hoheit an, ob höchstdersclbe vielleicht die Statue in Augenschein
nehmen wolle, bevor sie nach Fulda gebracht würde.

Der Kurfürst kam denn auch in Begleitung seiner Gemahlin, der Gräfin
Schauenburg, und bezeigte seine volle Zufriedenheit mit der Arbeit, Dies gab
dein Künstler den Mut, deu hohen Herrn zu fragen, ob er vielleicht geneigt
sei, die Gipsabgüsse vou deu frühern Arbeiten des Professors anzusehen und
bei der Gelegenheit auch die mechanischen Werkstätten seines Bruders in Augen¬
schein zu nehmen. Beides genehmigte der Kurfürst und lobte sowohl die
Arbeiten des Bildhauers wie die Einrichtungen der Werkstätten und das Ar¬
beiten der Maschinell seines Bruders. Kaum war er aber im Palais angelangt,
als ein Befehl von ihm an den Staatsanwalt hinabfloß, wie man in Oster¬
reich sagen würde, den Obcrbcrgrat Henschel wegen des Brandes des Gieß-
hauscs gerichtlich zu belangen.

Henschel remonstrierte, da ja die llutersuchnng wegen des Ursprungs des
Feuers nicht den geringsten Anhalt zu einer Klage ergeben hätte. Die Re-
mvnstration half nichts; es kam ein zweiter Befehl, man solle den Obcrbergrat
Henschel verklagen. Der Staatsanwalt remonstrierte zum zweitenmal und setzte
ausführlich auseinander, ans welchen Gründen die Anklage eine Freisprechung
des Angeklagten zur Folge haben müsse. (Diese Schrift ist von dem damaligen
Assistenten deS Staatsanwalts Eduard Wiegcmd, der später einmal auf wenige
Tage rin Herrn von Loßberg Minister gewesen ist, abgefaßt worden, wie
dieser, mit dem ich befreundet war, mir selbst erzählt hat.) Diese zweite
Nemonstration hals ebensowenig mie die erste, und nun mußte allerdings der
Staatsanwalt die Anklage beim zuständigen Gericht anstrengen. Der Erfolg
war, wie der Staatsanwalt vorausgesagt hatte, die vollständige Freisprechung
des Bergrath Henschel. Der Kurfürst hatte aber die Genugthuung, ihm viel
Verdruß und einige Kosten verursacht zu haben.

Als ich noch in Kassel war, waren die Leute dort allgemein der Meinung,
der Kurfürst ärgere sich jedesmal, wenn es einem seiner Unterthanen besonders
wohlgehe. Die Henschelsche Maschinenfabrik erweiterte sich immer mehr, anch
unter dem Sohn und dem Enkel; als ich noch in Kassel war, erbaute sie ihre
erste Lokomotive, "ut vor einigen Monaten haben die Zeitungen berichtet,
daß die tausendste Lokomotive aus der Fabrik dem Verkehr übergeben werden
konnte.


2. Die Dampfschiffahrt auf der Fulda

Bei dem großen Zufluß von Fremden, die im Sommer Kassel besuchen,
zumal an den Sonntagen und Donnerstagen, wenn die Wasserkünste der
Wilhelmshöhe spielen, glaubten die Gebrüder Wüstenfeld, Kaufleute in Han¬
noverisch-Münden, es wäre eine gute Spekulation, die von diesem Ort nach
Kassel gehenden Fremden auf einem Dampfschiff ans der Fulda nach Kassel
zu befördern, wobei sie mehr Bequemlichkeiten Hütten als ans der staubigen
Chaussee, die außerdem durch ein wenig interessantes Gelände führt, während


Königliche» Hoheit an, ob höchstdersclbe vielleicht die Statue in Augenschein
nehmen wolle, bevor sie nach Fulda gebracht würde.

Der Kurfürst kam denn auch in Begleitung seiner Gemahlin, der Gräfin
Schauenburg, und bezeigte seine volle Zufriedenheit mit der Arbeit, Dies gab
dein Künstler den Mut, deu hohen Herrn zu fragen, ob er vielleicht geneigt
sei, die Gipsabgüsse vou deu frühern Arbeiten des Professors anzusehen und
bei der Gelegenheit auch die mechanischen Werkstätten seines Bruders in Augen¬
schein zu nehmen. Beides genehmigte der Kurfürst und lobte sowohl die
Arbeiten des Bildhauers wie die Einrichtungen der Werkstätten und das Ar¬
beiten der Maschinell seines Bruders. Kaum war er aber im Palais angelangt,
als ein Befehl von ihm an den Staatsanwalt hinabfloß, wie man in Oster¬
reich sagen würde, den Obcrbcrgrat Henschel wegen des Brandes des Gieß-
hauscs gerichtlich zu belangen.

Henschel remonstrierte, da ja die llutersuchnng wegen des Ursprungs des
Feuers nicht den geringsten Anhalt zu einer Klage ergeben hätte. Die Re-
mvnstration half nichts; es kam ein zweiter Befehl, man solle den Obcrbergrat
Henschel verklagen. Der Staatsanwalt remonstrierte zum zweitenmal und setzte
ausführlich auseinander, ans welchen Gründen die Anklage eine Freisprechung
des Angeklagten zur Folge haben müsse. (Diese Schrift ist von dem damaligen
Assistenten deS Staatsanwalts Eduard Wiegcmd, der später einmal auf wenige
Tage rin Herrn von Loßberg Minister gewesen ist, abgefaßt worden, wie
dieser, mit dem ich befreundet war, mir selbst erzählt hat.) Diese zweite
Nemonstration hals ebensowenig mie die erste, und nun mußte allerdings der
Staatsanwalt die Anklage beim zuständigen Gericht anstrengen. Der Erfolg
war, wie der Staatsanwalt vorausgesagt hatte, die vollständige Freisprechung
des Bergrath Henschel. Der Kurfürst hatte aber die Genugthuung, ihm viel
Verdruß und einige Kosten verursacht zu haben.

Als ich noch in Kassel war, waren die Leute dort allgemein der Meinung,
der Kurfürst ärgere sich jedesmal, wenn es einem seiner Unterthanen besonders
wohlgehe. Die Henschelsche Maschinenfabrik erweiterte sich immer mehr, anch
unter dem Sohn und dem Enkel; als ich noch in Kassel war, erbaute sie ihre
erste Lokomotive, »ut vor einigen Monaten haben die Zeitungen berichtet,
daß die tausendste Lokomotive aus der Fabrik dem Verkehr übergeben werden
konnte.


2. Die Dampfschiffahrt auf der Fulda

Bei dem großen Zufluß von Fremden, die im Sommer Kassel besuchen,
zumal an den Sonntagen und Donnerstagen, wenn die Wasserkünste der
Wilhelmshöhe spielen, glaubten die Gebrüder Wüstenfeld, Kaufleute in Han¬
noverisch-Münden, es wäre eine gute Spekulation, die von diesem Ort nach
Kassel gehenden Fremden auf einem Dampfschiff ans der Fulda nach Kassel
zu befördern, wobei sie mehr Bequemlichkeiten Hütten als ans der staubigen
Chaussee, die außerdem durch ein wenig interessantes Gelände führt, während


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_290410/636>, abgerufen am 29.06.2024.