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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Unser Landvolk und die Kirche

cum ich annehmen darf, daß die meisten Leser der Grenzboten
Stadtbewohner sind, so hoffe ich, ihnen mit den folgenden Zeilen
eine" kleinen Dienst zu erweisen. Es ist Thatsache, daß das
Leben des Bauern dem Städter mehr oder weniger unbekannt
bleibt. Diese Thatsache wird der Großstädter in der Regel Wohl
M'er zugebe". Wer sein Leben in Berlin oder Leipzig zubringt, für den ist
das Bauernleben eine ferne und fremde Welt. Er geht vielleicht jährlich auf
paar Wochen zur Sommerfrische ans daS Land; aber da hat er mit der
Wiederherstellung seiner aufgeregte" und ermüdeten Nerven so viel zu thun,
er sich nicht die Zeit und die Mühe nehmen kann, den Umgang mit den
Einem aufzusuchen, um sich selber die Kenntnis davon zu verschaffen, wie der
oauer eigentlich lebt, wie er denkt, und wie er redet. Übrigens ist sein Auge
""r nicht geschärft genug, die Eigentümlichkeit des bäuerlichen Wesens zu er-
^edle"; Ls bleibt oft mir an nranchell Absonderlichkeiten haften, und das ver¬
viel zu schiefen, "hertreibenden Urteilen. Abgesehen hiervon ist der richtige
"lgn"g mit den, Bauern gar nicht so leicht und einfach, wie es sich der mit
allen Mitteln der Bildung'ausgerüstete Großstädter vorstellen mag. Wer den
mauern wirklich kennen lernen will, muß mindestens seine Sprache, seine Münd¬
el nicht bloß verstehn, sondern auch selber sprechen können. Er muß sich
l^ner schon etwas aufkeimen in der Art und Weise, wie der Bauer seine Ge-
' w ausdrückt oder andeutet oder auch mir erraten läßt. Er darf nicht er-
^'te", daß er mit seinen: wohlgesetzten Hochdeutsch bei dem Bauer" weit
net. Dieses Hochdeutsch "nicht auf den gemeinen Mann den Eindruck des
-M, des steifen, des Vornehmen, des Herablassenden, wohl auch des
-Mllchen; das letzte besonders dann, wenn ein "Herr" ans der Stadt sein
!^ lckzes Hochdeutsch mit ein paar Brocken aus der Bauernsprache versetzen
stellte"?!^" """^ ^ dadurch volkstümlich zu reden. Unser Bauer
. ^'"^ das Geierte und LäerlicedieesSnlonbauerndeutseraus


K,^enzboten 1 19Un 59


Unser Landvolk und die Kirche

cum ich annehmen darf, daß die meisten Leser der Grenzboten
Stadtbewohner sind, so hoffe ich, ihnen mit den folgenden Zeilen
eine» kleinen Dienst zu erweisen. Es ist Thatsache, daß das
Leben des Bauern dem Städter mehr oder weniger unbekannt
bleibt. Diese Thatsache wird der Großstädter in der Regel Wohl
M'er zugebe». Wer sein Leben in Berlin oder Leipzig zubringt, für den ist
das Bauernleben eine ferne und fremde Welt. Er geht vielleicht jährlich auf
paar Wochen zur Sommerfrische ans daS Land; aber da hat er mit der
Wiederherstellung seiner aufgeregte» und ermüdeten Nerven so viel zu thun,
er sich nicht die Zeit und die Mühe nehmen kann, den Umgang mit den
Einem aufzusuchen, um sich selber die Kenntnis davon zu verschaffen, wie der
oauer eigentlich lebt, wie er denkt, und wie er redet. Übrigens ist sein Auge
""r nicht geschärft genug, die Eigentümlichkeit des bäuerlichen Wesens zu er-
^edle»; Ls bleibt oft mir an nranchell Absonderlichkeiten haften, und das ver¬
viel zu schiefen, »hertreibenden Urteilen. Abgesehen hiervon ist der richtige
"lgn»g mit den, Bauern gar nicht so leicht und einfach, wie es sich der mit
allen Mitteln der Bildung'ausgerüstete Großstädter vorstellen mag. Wer den
mauern wirklich kennen lernen will, muß mindestens seine Sprache, seine Münd¬
el nicht bloß verstehn, sondern auch selber sprechen können. Er muß sich
l^ner schon etwas aufkeimen in der Art und Weise, wie der Bauer seine Ge-
' w ausdrückt oder andeutet oder auch mir erraten läßt. Er darf nicht er-
^'te», daß er mit seinen: wohlgesetzten Hochdeutsch bei dem Bauer» weit
net. Dieses Hochdeutsch »nicht auf den gemeinen Mann den Eindruck des
-M, des steifen, des Vornehmen, des Herablassenden, wohl auch des
-Mllchen; das letzte besonders dann, wenn ein „Herr" ans der Stadt sein
!^ lckzes Hochdeutsch mit ein paar Brocken aus der Bauernsprache versetzen
stellte"?!^" """^ ^ dadurch volkstümlich zu reden. Unser Bauer
. ^'"^ das Geierte und LäerlicedieesSnlonbauerndeutseraus


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[0473] [Abbildung] Unser Landvolk und die Kirche cum ich annehmen darf, daß die meisten Leser der Grenzboten Stadtbewohner sind, so hoffe ich, ihnen mit den folgenden Zeilen eine» kleinen Dienst zu erweisen. Es ist Thatsache, daß das Leben des Bauern dem Städter mehr oder weniger unbekannt bleibt. Diese Thatsache wird der Großstädter in der Regel Wohl M'er zugebe». Wer sein Leben in Berlin oder Leipzig zubringt, für den ist das Bauernleben eine ferne und fremde Welt. Er geht vielleicht jährlich auf paar Wochen zur Sommerfrische ans daS Land; aber da hat er mit der Wiederherstellung seiner aufgeregte» und ermüdeten Nerven so viel zu thun, er sich nicht die Zeit und die Mühe nehmen kann, den Umgang mit den Einem aufzusuchen, um sich selber die Kenntnis davon zu verschaffen, wie der oauer eigentlich lebt, wie er denkt, und wie er redet. Übrigens ist sein Auge ""r nicht geschärft genug, die Eigentümlichkeit des bäuerlichen Wesens zu er- ^edle»; Ls bleibt oft mir an nranchell Absonderlichkeiten haften, und das ver¬ viel zu schiefen, »hertreibenden Urteilen. Abgesehen hiervon ist der richtige "lgn»g mit den, Bauern gar nicht so leicht und einfach, wie es sich der mit allen Mitteln der Bildung'ausgerüstete Großstädter vorstellen mag. Wer den mauern wirklich kennen lernen will, muß mindestens seine Sprache, seine Münd¬ el nicht bloß verstehn, sondern auch selber sprechen können. Er muß sich l^ner schon etwas aufkeimen in der Art und Weise, wie der Bauer seine Ge- ' w ausdrückt oder andeutet oder auch mir erraten läßt. Er darf nicht er- ^'te», daß er mit seinen: wohlgesetzten Hochdeutsch bei dem Bauer» weit net. Dieses Hochdeutsch »nicht auf den gemeinen Mann den Eindruck des -M, des steifen, des Vornehmen, des Herablassenden, wohl auch des -Mllchen; das letzte besonders dann, wenn ein „Herr" ans der Stadt sein !^ lckzes Hochdeutsch mit ein paar Brocken aus der Bauernsprache versetzen stellte"?!^" """^ ^ dadurch volkstümlich zu reden. Unser Bauer . ^'"^ das Geierte und LäerlicedieesSnlonbauerndeutseraus K,^enzboten 1 19Un 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/473>, abgerufen am 05.12.2024.