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Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.

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Bas Lbenbürtigkeitsrecht des preußischen Rönigshauses

Am Ende der Reichszeit gehörten die Personnlistenfamilien, wie Pütter
nach dem oben Gesagten bezeugt, jedenfalls nicht mehr zum hohen Adel, in
der Zeit zwischen 1806 und 1815 noch "veniger. Infolge der Bundesakte sind
sie in den hohen Adel auch uicht wieder hineingekommen, denn zu den Mcdiati-
sierten im Rechtssinne gehörten sie nicht.

Daher wird in dem Umstände, daß die Gräfin Auguste Harrach einer
Person alistenfamilie entstammte, der Grund ihrer Unebenbürtigkeit mit dem preu¬
ßischen Königshnuse gelegen haben, wie das auch die Meinung von Treitschke^)
und Hermann Schutze^) ist.


3

Unter den alten und großen Reichsstaatsrechtsgelehrteir vertritt die mildeste
Ansicht hinsichtlich des gemeinen Ebenbürtigkcitsrechts Johann Jakob Moser.
Er vertritt die gemeinrechtliche Ebenbürtigkeit des stiftsmäßigen niedern Adels
mit dem hohen Adel, wie ich schon im vorigen Kapitel erwähnt habe.

An eine Ebenbürtigkeit des nichtstiftsmäßigen niedern Adels, wie sie in
diesem Jahrhundert von einigen Gelehrten und namentlich auch vom Reichs¬
gericht, merkwürdigerweise gerade aus den Schriften Mosers hergeleitet wird,
hat er nie gedacht, ja er erklärt: "eines Fürsten Ehe mit einer nicht Stifts¬
mäßigen von Adel trafst uralten Teutschen Herkommens" für unebenbürtig.

Stiftsmüßig war, wer mindestens vier adliche Ahnen hatte.

"Dieser Vierahnenadel nahm eine Zwischenstellung zwischen einfachem und
hohem Adel ein."")

Ich kann nun an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehn, meine Ansicht
darüber darzulegen, wie sich das weiter entwickelt hat. Ich muß mich darauf
beschränken, zu sagen, daß ich mir ans Grund sehr eingehender Studien über
diese Dinge die Ansicht gebildet habe, daß zur Ebenbürtigkeit einer Dame mit
einem Herrn aus einer deutscheu regierenden Familie, abgesehn von allen andern
Erfordernisse,:, auch heute noch gehört, daß sie fttftsmüßig ist, das heißt, daß
sie mindestens vier adliche, adlich geborne Ahnen hat.

Es ist aber auch uoch etwas andres in Betracht zu ziehn.

Das oldenburgische Hausgcsetz vom 1. September 1872 verengert in seinem
Artikel 9 den Kreis der nach Artikel 14 der deutschen Bundesakte ebenbürtigen
Geschlechter, indem es ausdrücklich festsetzt: "Mitglieder eines solchen Hauses,
dem nach Artikel 14 der deutschen Bundesakte das Recht der Ebenbürtigkeit
zusteht, gelten nur unter der Voraussetzung als ebenbürtig, daß auch von feiten
dieses letztern Ebenbürtigkeit fortdauert als ein Erfordernis für eine standes¬
mäßige Ehe angesehen wird."

Diese Maßregel richtet sich ganz offenbar zunächst gegen die mediatisierten
Familien, und zwar gegen die, die ihrerseits auch den niedern Adel als eben¬
bürtig ansehen.





l°) Hausgesetze, Band 3, Seite 61S.
Deutsche Geschichte, Band 3, Seite 393. --
") Lorenz, Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Genealogie, Seite 23ö.
Bas Lbenbürtigkeitsrecht des preußischen Rönigshauses

Am Ende der Reichszeit gehörten die Personnlistenfamilien, wie Pütter
nach dem oben Gesagten bezeugt, jedenfalls nicht mehr zum hohen Adel, in
der Zeit zwischen 1806 und 1815 noch »veniger. Infolge der Bundesakte sind
sie in den hohen Adel auch uicht wieder hineingekommen, denn zu den Mcdiati-
sierten im Rechtssinne gehörten sie nicht.

Daher wird in dem Umstände, daß die Gräfin Auguste Harrach einer
Person alistenfamilie entstammte, der Grund ihrer Unebenbürtigkeit mit dem preu¬
ßischen Königshnuse gelegen haben, wie das auch die Meinung von Treitschke^)
und Hermann Schutze^) ist.


3

Unter den alten und großen Reichsstaatsrechtsgelehrteir vertritt die mildeste
Ansicht hinsichtlich des gemeinen Ebenbürtigkcitsrechts Johann Jakob Moser.
Er vertritt die gemeinrechtliche Ebenbürtigkeit des stiftsmäßigen niedern Adels
mit dem hohen Adel, wie ich schon im vorigen Kapitel erwähnt habe.

An eine Ebenbürtigkeit des nichtstiftsmäßigen niedern Adels, wie sie in
diesem Jahrhundert von einigen Gelehrten und namentlich auch vom Reichs¬
gericht, merkwürdigerweise gerade aus den Schriften Mosers hergeleitet wird,
hat er nie gedacht, ja er erklärt: „eines Fürsten Ehe mit einer nicht Stifts¬
mäßigen von Adel trafst uralten Teutschen Herkommens" für unebenbürtig.

Stiftsmüßig war, wer mindestens vier adliche Ahnen hatte.

„Dieser Vierahnenadel nahm eine Zwischenstellung zwischen einfachem und
hohem Adel ein."")

Ich kann nun an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehn, meine Ansicht
darüber darzulegen, wie sich das weiter entwickelt hat. Ich muß mich darauf
beschränken, zu sagen, daß ich mir ans Grund sehr eingehender Studien über
diese Dinge die Ansicht gebildet habe, daß zur Ebenbürtigkeit einer Dame mit
einem Herrn aus einer deutscheu regierenden Familie, abgesehn von allen andern
Erfordernisse,:, auch heute noch gehört, daß sie fttftsmüßig ist, das heißt, daß
sie mindestens vier adliche, adlich geborne Ahnen hat.

Es ist aber auch uoch etwas andres in Betracht zu ziehn.

Das oldenburgische Hausgcsetz vom 1. September 1872 verengert in seinem
Artikel 9 den Kreis der nach Artikel 14 der deutschen Bundesakte ebenbürtigen
Geschlechter, indem es ausdrücklich festsetzt: „Mitglieder eines solchen Hauses,
dem nach Artikel 14 der deutschen Bundesakte das Recht der Ebenbürtigkeit
zusteht, gelten nur unter der Voraussetzung als ebenbürtig, daß auch von feiten
dieses letztern Ebenbürtigkeit fortdauert als ein Erfordernis für eine standes¬
mäßige Ehe angesehen wird."

Diese Maßregel richtet sich ganz offenbar zunächst gegen die mediatisierten
Familien, und zwar gegen die, die ihrerseits auch den niedern Adel als eben¬
bürtig ansehen.





l°) Hausgesetze, Band 3, Seite 61S.
Deutsche Geschichte, Band 3, Seite 393. —
") Lorenz, Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Genealogie, Seite 23ö.
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[0286] Bas Lbenbürtigkeitsrecht des preußischen Rönigshauses Am Ende der Reichszeit gehörten die Personnlistenfamilien, wie Pütter nach dem oben Gesagten bezeugt, jedenfalls nicht mehr zum hohen Adel, in der Zeit zwischen 1806 und 1815 noch »veniger. Infolge der Bundesakte sind sie in den hohen Adel auch uicht wieder hineingekommen, denn zu den Mcdiati- sierten im Rechtssinne gehörten sie nicht. Daher wird in dem Umstände, daß die Gräfin Auguste Harrach einer Person alistenfamilie entstammte, der Grund ihrer Unebenbürtigkeit mit dem preu¬ ßischen Königshnuse gelegen haben, wie das auch die Meinung von Treitschke^) und Hermann Schutze^) ist. 3 Unter den alten und großen Reichsstaatsrechtsgelehrteir vertritt die mildeste Ansicht hinsichtlich des gemeinen Ebenbürtigkcitsrechts Johann Jakob Moser. Er vertritt die gemeinrechtliche Ebenbürtigkeit des stiftsmäßigen niedern Adels mit dem hohen Adel, wie ich schon im vorigen Kapitel erwähnt habe. An eine Ebenbürtigkeit des nichtstiftsmäßigen niedern Adels, wie sie in diesem Jahrhundert von einigen Gelehrten und namentlich auch vom Reichs¬ gericht, merkwürdigerweise gerade aus den Schriften Mosers hergeleitet wird, hat er nie gedacht, ja er erklärt: „eines Fürsten Ehe mit einer nicht Stifts¬ mäßigen von Adel trafst uralten Teutschen Herkommens" für unebenbürtig. Stiftsmüßig war, wer mindestens vier adliche Ahnen hatte. „Dieser Vierahnenadel nahm eine Zwischenstellung zwischen einfachem und hohem Adel ein."") Ich kann nun an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehn, meine Ansicht darüber darzulegen, wie sich das weiter entwickelt hat. Ich muß mich darauf beschränken, zu sagen, daß ich mir ans Grund sehr eingehender Studien über diese Dinge die Ansicht gebildet habe, daß zur Ebenbürtigkeit einer Dame mit einem Herrn aus einer deutscheu regierenden Familie, abgesehn von allen andern Erfordernisse,:, auch heute noch gehört, daß sie fttftsmüßig ist, das heißt, daß sie mindestens vier adliche, adlich geborne Ahnen hat. Es ist aber auch uoch etwas andres in Betracht zu ziehn. Das oldenburgische Hausgcsetz vom 1. September 1872 verengert in seinem Artikel 9 den Kreis der nach Artikel 14 der deutschen Bundesakte ebenbürtigen Geschlechter, indem es ausdrücklich festsetzt: „Mitglieder eines solchen Hauses, dem nach Artikel 14 der deutschen Bundesakte das Recht der Ebenbürtigkeit zusteht, gelten nur unter der Voraussetzung als ebenbürtig, daß auch von feiten dieses letztern Ebenbürtigkeit fortdauert als ein Erfordernis für eine standes¬ mäßige Ehe angesehen wird." Diese Maßregel richtet sich ganz offenbar zunächst gegen die mediatisierten Familien, und zwar gegen die, die ihrerseits auch den niedern Adel als eben¬ bürtig ansehen. l°) Hausgesetze, Band 3, Seite 61S. Deutsche Geschichte, Band 3, Seite 393. — ") Lorenz, Lehrbuch der gesamten wissenschaftlichen Genealogie, Seite 23ö.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341871_232551/286>, abgerufen am 05.12.2024.