Die Grenzboten. Jg. 59, 1900, Erstes Vierteljahr.Litteratur zur Diskretion. Wir dürfen eben dem Auslande, mit dein über Handelsverträge Christliche Ethik. Von Julius Kostim. Berlin, Reuther und Reichard. 1899 Unter den Gebieten der theologischen Wissenschaft darf das der Ethik auf das Das neue Werk des greisen Hallenser Theologen darf, mit diesem Maß Litteratur zur Diskretion. Wir dürfen eben dem Auslande, mit dein über Handelsverträge Christliche Ethik. Von Julius Kostim. Berlin, Reuther und Reichard. 1899 Unter den Gebieten der theologischen Wissenschaft darf das der Ethik auf das Das neue Werk des greisen Hallenser Theologen darf, mit diesem Maß <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0271" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/232823"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_822" prev="#ID_821"> zur Diskretion. Wir dürfen eben dem Auslande, mit dein über Handelsverträge<lb/> verhandelt werden soll, die für uns günstiger sind, nicht vorzeitig unsre Karten<lb/> verraten. Mau scheint ja auch bis jetzt danach zu verfahren. Freilich über die<lb/> großen Grundsätze muß man sich klar werden und muß mau sich offen ciussprechen,<lb/> aber andrerseits'auch dem Auslande keinen Zweifel darüber lassen, daß Deutschland<lb/> obstinaten Zollgegnern gegenüber, die das av ut> ciss durchaus nicht versteh-: wollen,<lb/> auch heute noch/ebenso gut wie 1879, eine Politik der Repressalien durchzuführen<lb/> imstande nud willens ist, gerade im Interesse einer spätern Handelsvertragspolitik,<lb/><note type="byline"/> zum Zweck eines maßvollen Freihandels.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Christliche Ethik. Von Julius Kostim. Berlin, Reuther und Reichard. 1899</head><lb/> <p xml:id="ID_823"> Unter den Gebieten der theologischen Wissenschaft darf das der Ethik auf das<lb/> allgemeinste Interesse rechnen, denn die Fragen des sittlichen Lebens sind allgemein<lb/> menschliche, sie können vom Standpunkt jeder religiösen Überzeugung aus, sie können<lb/> auch —. wie das die Philosophie versucht — ohne Rücksicht darauf behandelt<lb/> werden. Daraus ergiebt sich aber auch eine verschiedne Aufgabe: der philosophische<lb/> Ethiker kaun sich als praktisches Ziel nur setzen, die Überzeugung von der Not¬<lb/> wendigkeit des sittlichen Lebens, von der Wahrheit gewisser umfassender Grund-<lb/> sätze des sittlichen Lebens zu begründen oder zu festigen; der theologische Ethiker<lb/> hat daneben — sei es auch unausgesprochen — immer noch das andre Ziel, die<lb/> aus seiner religiösen Überzeugung erwachsende Sittlichkeit als die erhabenste, die<lb/> allgemeine Geltung fordernde darzustellen. So wird seine Arbeit notwendig einen<lb/> apologetischen Zug tragen; zum wirksamen Verteidiger seines Glaubens aber wird<lb/> er nicht durch ein starkes äußerliches Hervorheben dieses apologetische» Zuges<lb/> werden, sondern durch eine unmittelbar auf die Gewissen wirkende Darstellung des<lb/> christlich-sittlichen Lebens in seiner Reinheit, seiner idealen Gestalt. Und man wird<lb/> den Wert einer christlichen Ethik auch mit danach zu beurteile» haben, iuwiefer»<lb/> es ihr gelingt, ein wirksamer Zeuge für die Erhabenheit der christlichen Sittlichkeit<lb/> und damit ein Zeuge der christlichen Wahrheit überhaupt zu werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_824" next="#ID_825"> Das neue Werk des greisen Hallenser Theologen darf, mit diesem Maß<lb/> gemessen, als ein wertvolles und wirkungsvolles bezeichnet werden. Tiefer sittlicher<lb/> Ernst und christliche Freudigkeit ziehn sich durch die ganze Darstellung; die grund-<lb/> legenden sittlichen Wahrheiten werden nicht durch logische Schlüsse oder Trugschlüsse<lb/> vor dem Verstände zu erweisen gesucht, sondern aus der allgemein menschlichen<lb/> und aus der christlichen Lebens- und Hcrzeuserfahrung entwickelt. Ans diese Be-<lb/> gründung der christlichen Sittlichkeit auf das innere Leben des Christen überhaupt<lb/> kommt es Kostim besonders an; so behandelt er nach den einleitenden Abschnitten<lb/> über die allgemeinen sittlichen Anlagen, die Sünde und die göttliche Heilsvffen-<lb/> barung am breitesten die folgenden Teile über das neue innere Leben des Be¬<lb/> kehrten in seiner Beziehung' auf Gott nud auf sich selbst, uoch abgesehn vom<lb/> sittlichen Verkehr mit den andern, während die abschließenden Teile über das Gemeiu-<lb/> lebei/der sittlichen Persönlichkeiten als einzelner untereinander und in den ver-<lb/> schiednen .^»auptgemeinschaften des Lebens (Familie, Staat, Kirche) wesentlich als<lb/> Folgerungen ans dem vorher dargelegte» entwickelt werden. Dieses Bestreben<lb/> Kostlins/ i» seiner Entwicklung möglichst immer vom Innenleben des einzelnen<lb/> Menschen auszugehn, hat vielleicht ans die äußere Gliederung nicht immer günstig<lb/> eingewirkt, so wenn Eigentum, Erholung, Gottesdienst erst ganz ohne Beziehung<lb/> auf die Gemeinschaft des Menschen behandelt, oder Recht, Gesetz und Strafe ge¬<lb/> sondert vom Staate besprochen werden. Dieser Mangel zeigt sich besonders gegen<lb/> den Schluß auch äußerlich darin, daß an Stellen, wo mau erst die eigentliche Aus¬<lb/> führung erwartet, oft n»r auf die früher gegebne Grundlage verwiesen wird. Um<lb/> der großen Gefahr des Ethikers zu entgehn, sich in Kasuistik und Paragraphen-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0271]
Litteratur
zur Diskretion. Wir dürfen eben dem Auslande, mit dein über Handelsverträge
verhandelt werden soll, die für uns günstiger sind, nicht vorzeitig unsre Karten
verraten. Mau scheint ja auch bis jetzt danach zu verfahren. Freilich über die
großen Grundsätze muß man sich klar werden und muß mau sich offen ciussprechen,
aber andrerseits'auch dem Auslande keinen Zweifel darüber lassen, daß Deutschland
obstinaten Zollgegnern gegenüber, die das av ut> ciss durchaus nicht versteh-: wollen,
auch heute noch/ebenso gut wie 1879, eine Politik der Repressalien durchzuführen
imstande nud willens ist, gerade im Interesse einer spätern Handelsvertragspolitik,
zum Zweck eines maßvollen Freihandels.
Christliche Ethik. Von Julius Kostim. Berlin, Reuther und Reichard. 1899
Unter den Gebieten der theologischen Wissenschaft darf das der Ethik auf das
allgemeinste Interesse rechnen, denn die Fragen des sittlichen Lebens sind allgemein
menschliche, sie können vom Standpunkt jeder religiösen Überzeugung aus, sie können
auch —. wie das die Philosophie versucht — ohne Rücksicht darauf behandelt
werden. Daraus ergiebt sich aber auch eine verschiedne Aufgabe: der philosophische
Ethiker kaun sich als praktisches Ziel nur setzen, die Überzeugung von der Not¬
wendigkeit des sittlichen Lebens, von der Wahrheit gewisser umfassender Grund-
sätze des sittlichen Lebens zu begründen oder zu festigen; der theologische Ethiker
hat daneben — sei es auch unausgesprochen — immer noch das andre Ziel, die
aus seiner religiösen Überzeugung erwachsende Sittlichkeit als die erhabenste, die
allgemeine Geltung fordernde darzustellen. So wird seine Arbeit notwendig einen
apologetischen Zug tragen; zum wirksamen Verteidiger seines Glaubens aber wird
er nicht durch ein starkes äußerliches Hervorheben dieses apologetische» Zuges
werden, sondern durch eine unmittelbar auf die Gewissen wirkende Darstellung des
christlich-sittlichen Lebens in seiner Reinheit, seiner idealen Gestalt. Und man wird
den Wert einer christlichen Ethik auch mit danach zu beurteile» haben, iuwiefer»
es ihr gelingt, ein wirksamer Zeuge für die Erhabenheit der christlichen Sittlichkeit
und damit ein Zeuge der christlichen Wahrheit überhaupt zu werden.
Das neue Werk des greisen Hallenser Theologen darf, mit diesem Maß
gemessen, als ein wertvolles und wirkungsvolles bezeichnet werden. Tiefer sittlicher
Ernst und christliche Freudigkeit ziehn sich durch die ganze Darstellung; die grund-
legenden sittlichen Wahrheiten werden nicht durch logische Schlüsse oder Trugschlüsse
vor dem Verstände zu erweisen gesucht, sondern aus der allgemein menschlichen
und aus der christlichen Lebens- und Hcrzeuserfahrung entwickelt. Ans diese Be-
gründung der christlichen Sittlichkeit auf das innere Leben des Christen überhaupt
kommt es Kostim besonders an; so behandelt er nach den einleitenden Abschnitten
über die allgemeinen sittlichen Anlagen, die Sünde und die göttliche Heilsvffen-
barung am breitesten die folgenden Teile über das neue innere Leben des Be¬
kehrten in seiner Beziehung' auf Gott nud auf sich selbst, uoch abgesehn vom
sittlichen Verkehr mit den andern, während die abschließenden Teile über das Gemeiu-
lebei/der sittlichen Persönlichkeiten als einzelner untereinander und in den ver-
schiednen .^»auptgemeinschaften des Lebens (Familie, Staat, Kirche) wesentlich als
Folgerungen ans dem vorher dargelegte» entwickelt werden. Dieses Bestreben
Kostlins/ i» seiner Entwicklung möglichst immer vom Innenleben des einzelnen
Menschen auszugehn, hat vielleicht ans die äußere Gliederung nicht immer günstig
eingewirkt, so wenn Eigentum, Erholung, Gottesdienst erst ganz ohne Beziehung
auf die Gemeinschaft des Menschen behandelt, oder Recht, Gesetz und Strafe ge¬
sondert vom Staate besprochen werden. Dieser Mangel zeigt sich besonders gegen
den Schluß auch äußerlich darin, daß an Stellen, wo mau erst die eigentliche Aus¬
führung erwartet, oft n»r auf die früher gegebne Grundlage verwiesen wird. Um
der großen Gefahr des Ethikers zu entgehn, sich in Kasuistik und Paragraphen-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |