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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

bei. Die Mühe bebte sich mir ordentlich auf dem Kopf, so haben mir die Haare
zu Berge gestehn. Wie ich bin hergekommen, weiß ich nicht. Ich glaube nicht
um Gespenster, habe ich immer gesagt, aber nun glaube ich dran.

Wenn das nur nichts zu bedeuten hat. Die Kuh ist schon krank. Wer weiß,
was an die Kinder kann kommen, sagte die Frau kläglich. Sie war dem Weinen
nahe. Ihr mit euerm Zanken alle Tage, das wird nicht gut.

Die Männer blieben stumm bis auf ein Knurre" und Räuspern. Aber es
ließ sich merken, daß ihre Gedanken denselben Weg gingen, und daß ihr Schweigen
Einkehr bedeutete.

Die Frau fuhr fort, das laut zu sagen, was alle drei beschäftigte:

Kein gräfliches Pferd kann es ja nicht sein für zweiuudneunzig Thaler. Aber
ein Skorpion ist es doch niemals gewest. Und wenn es sollte einer gewest sein --
wir haben doch mich Geduld gehabt -- genug, bis daß du hast kunnt das Geld
bringen --

Die Männer nickten beide.

Wie wirst du denn mir nach Hause kommen, Händen Vater? fuhr die Frau
teilnehmend fort. Das drohende Unbekannte schloß sie enger zusammen.

Er kann sich die andre Laterne mitnehmen, sagte der schwarze Job bereit¬
willig und deutete damit an, daß much er den Streit begraben wollte.

Sie gingen mit ihm bis zum Hanse, wo hinter der Thür die andre Laterne
hing, und dann zum Hofthor. Die Frau stieß es auf, aber sie prallte zurück und
kreischte auf.

Zwei Gestalten als dunkle Massen gegen den dunkeln Nachthimmel standen
schweigend da. Oder waren es nicht etwa zwei Gestalten? Der schwarze Job
hatte unwillkürlich die Faust zur Abwehr über den Kopf geschwungen. Es war
aber die Hand, die die Laterne hielt. Ein Lichtstrahl zitterte über das Thor durch
deu dichten Nebel. Draußen warf etwas mit dem Kopf und scharrte mit den
Füßen. Er griff hinüber, faßte in eine Mähne und zerrte den, den: sie angehörte,
zum Hofe herein. Zugleich aber schlug mit dem befreiten Herzschlag die Wut aus
der gepreßten Brust. Er ließ die Mähne fahren, langte hinüber und schlug auf
die zweite Gestalt mit scharfen Hieben ein:

Scher dich nach Hause mit deinem Gespenst, rief er Hände in die Ohren.

Dem war indessen die Besinnung ebenfalls zurückgekehrt. Er tastete im
Dunkeln nach der herabhängenden Leine und fand sie.

Marsch, nach Hause, jchrie er. Einen Skorpion habe ich gekauft, aber ein
Pferd will ich draus machen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die weltwirtschaftliche Begabung der Deutschen. In einem jüngst
in deutscher Übersetzung erschienenen schwedischen Werke: England als Weltmacht
und Kulturstaat von Gustaf F. Steffens wird der wirtschaftlichen Begabung der
Deutschen ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, ein so gutes, daß wir nur wünschen
können, unsre weltwirtschaftlichen Leistungen mochten ihm entsprechen. Der Ver¬
fasser gelangt in einen, den industriellen Fortschritt nach englischem und nach


Maßgebliches und Unmaßgebliches

bei. Die Mühe bebte sich mir ordentlich auf dem Kopf, so haben mir die Haare
zu Berge gestehn. Wie ich bin hergekommen, weiß ich nicht. Ich glaube nicht
um Gespenster, habe ich immer gesagt, aber nun glaube ich dran.

Wenn das nur nichts zu bedeuten hat. Die Kuh ist schon krank. Wer weiß,
was an die Kinder kann kommen, sagte die Frau kläglich. Sie war dem Weinen
nahe. Ihr mit euerm Zanken alle Tage, das wird nicht gut.

Die Männer blieben stumm bis auf ein Knurre» und Räuspern. Aber es
ließ sich merken, daß ihre Gedanken denselben Weg gingen, und daß ihr Schweigen
Einkehr bedeutete.

Die Frau fuhr fort, das laut zu sagen, was alle drei beschäftigte:

Kein gräfliches Pferd kann es ja nicht sein für zweiuudneunzig Thaler. Aber
ein Skorpion ist es doch niemals gewest. Und wenn es sollte einer gewest sein —
wir haben doch mich Geduld gehabt — genug, bis daß du hast kunnt das Geld
bringen —

Die Männer nickten beide.

Wie wirst du denn mir nach Hause kommen, Händen Vater? fuhr die Frau
teilnehmend fort. Das drohende Unbekannte schloß sie enger zusammen.

Er kann sich die andre Laterne mitnehmen, sagte der schwarze Job bereit¬
willig und deutete damit an, daß much er den Streit begraben wollte.

Sie gingen mit ihm bis zum Hanse, wo hinter der Thür die andre Laterne
hing, und dann zum Hofthor. Die Frau stieß es auf, aber sie prallte zurück und
kreischte auf.

Zwei Gestalten als dunkle Massen gegen den dunkeln Nachthimmel standen
schweigend da. Oder waren es nicht etwa zwei Gestalten? Der schwarze Job
hatte unwillkürlich die Faust zur Abwehr über den Kopf geschwungen. Es war
aber die Hand, die die Laterne hielt. Ein Lichtstrahl zitterte über das Thor durch
deu dichten Nebel. Draußen warf etwas mit dem Kopf und scharrte mit den
Füßen. Er griff hinüber, faßte in eine Mähne und zerrte den, den: sie angehörte,
zum Hofe herein. Zugleich aber schlug mit dem befreiten Herzschlag die Wut aus
der gepreßten Brust. Er ließ die Mähne fahren, langte hinüber und schlug auf
die zweite Gestalt mit scharfen Hieben ein:

Scher dich nach Hause mit deinem Gespenst, rief er Hände in die Ohren.

Dem war indessen die Besinnung ebenfalls zurückgekehrt. Er tastete im
Dunkeln nach der herabhängenden Leine und fand sie.

Marsch, nach Hause, jchrie er. Einen Skorpion habe ich gekauft, aber ein
Pferd will ich draus machen.




Maßgebliches und Unmaßgebliches

Die weltwirtschaftliche Begabung der Deutschen. In einem jüngst
in deutscher Übersetzung erschienenen schwedischen Werke: England als Weltmacht
und Kulturstaat von Gustaf F. Steffens wird der wirtschaftlichen Begabung der
Deutschen ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, ein so gutes, daß wir nur wünschen
können, unsre weltwirtschaftlichen Leistungen mochten ihm entsprechen. Der Ver¬
fasser gelangt in einen, den industriellen Fortschritt nach englischem und nach


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[0437] Maßgebliches und Unmaßgebliches bei. Die Mühe bebte sich mir ordentlich auf dem Kopf, so haben mir die Haare zu Berge gestehn. Wie ich bin hergekommen, weiß ich nicht. Ich glaube nicht um Gespenster, habe ich immer gesagt, aber nun glaube ich dran. Wenn das nur nichts zu bedeuten hat. Die Kuh ist schon krank. Wer weiß, was an die Kinder kann kommen, sagte die Frau kläglich. Sie war dem Weinen nahe. Ihr mit euerm Zanken alle Tage, das wird nicht gut. Die Männer blieben stumm bis auf ein Knurre» und Räuspern. Aber es ließ sich merken, daß ihre Gedanken denselben Weg gingen, und daß ihr Schweigen Einkehr bedeutete. Die Frau fuhr fort, das laut zu sagen, was alle drei beschäftigte: Kein gräfliches Pferd kann es ja nicht sein für zweiuudneunzig Thaler. Aber ein Skorpion ist es doch niemals gewest. Und wenn es sollte einer gewest sein — wir haben doch mich Geduld gehabt — genug, bis daß du hast kunnt das Geld bringen — Die Männer nickten beide. Wie wirst du denn mir nach Hause kommen, Händen Vater? fuhr die Frau teilnehmend fort. Das drohende Unbekannte schloß sie enger zusammen. Er kann sich die andre Laterne mitnehmen, sagte der schwarze Job bereit¬ willig und deutete damit an, daß much er den Streit begraben wollte. Sie gingen mit ihm bis zum Hanse, wo hinter der Thür die andre Laterne hing, und dann zum Hofthor. Die Frau stieß es auf, aber sie prallte zurück und kreischte auf. Zwei Gestalten als dunkle Massen gegen den dunkeln Nachthimmel standen schweigend da. Oder waren es nicht etwa zwei Gestalten? Der schwarze Job hatte unwillkürlich die Faust zur Abwehr über den Kopf geschwungen. Es war aber die Hand, die die Laterne hielt. Ein Lichtstrahl zitterte über das Thor durch deu dichten Nebel. Draußen warf etwas mit dem Kopf und scharrte mit den Füßen. Er griff hinüber, faßte in eine Mähne und zerrte den, den: sie angehörte, zum Hofe herein. Zugleich aber schlug mit dem befreiten Herzschlag die Wut aus der gepreßten Brust. Er ließ die Mähne fahren, langte hinüber und schlug auf die zweite Gestalt mit scharfen Hieben ein: Scher dich nach Hause mit deinem Gespenst, rief er Hände in die Ohren. Dem war indessen die Besinnung ebenfalls zurückgekehrt. Er tastete im Dunkeln nach der herabhängenden Leine und fand sie. Marsch, nach Hause, jchrie er. Einen Skorpion habe ich gekauft, aber ein Pferd will ich draus machen. Maßgebliches und Unmaßgebliches Die weltwirtschaftliche Begabung der Deutschen. In einem jüngst in deutscher Übersetzung erschienenen schwedischen Werke: England als Weltmacht und Kulturstaat von Gustaf F. Steffens wird der wirtschaftlichen Begabung der Deutschen ein sehr gutes Zeugnis ausgestellt, ein so gutes, daß wir nur wünschen können, unsre weltwirtschaftlichen Leistungen mochten ihm entsprechen. Der Ver¬ fasser gelangt in einen, den industriellen Fortschritt nach englischem und nach

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/437>, abgerufen am 15.01.2025.