Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Kritische Studien zu Fürst Bismarck- Gedanken und Erinnerungen

Die Gefahr einer Eisbewegung ist beschworen. Wir werde" Muße haben, uns
mit den Menschen bekannt zu machen, die sich dieser Planke oder vielmehr
dieser Röhre aus Stahl anvertraut haben.




Kritische Studien
zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen
Otto Kaemmel von2. Versailles
(Schluß)

le Angabe der Gedanken und Erinnerungen über die Absichten
des Kronprinzen, einen starken Druck auf widerstrebende Bundes¬
fürsten auszuüben, wird also durchaus und von beiden Seiten
her bestätigt. Dagegen beruht die Behauptung, er habe noch
1870 nur von einem "König der Deutschen" oder "von Deutsch¬
land" wissen wollen, zweifellos auf einem Irrtum, obwohl Bismarck sie auch
sonst fast in derselben Weise wie in den Gedanken und Erinnerungen auf¬
gestellt hat.i) Schon zu Anfang 1867 hat der Kronprinz den König zur
Annahme des Kaisertitels zu bewegen gesucht, weil er ganz richtig empfand,
daß der Titel eines Bundespräsidenten für das Volk "kein ergreifendes Bild"
gebe; 2) der Besprechung mit G. Freytag in Petersbach am 11. August 1870
sagte er sofort auf dessen gründlich unhistorischen und unpraktischen Vorschlag,
den König von Preußen nur als Kriegsherrn oder Herzog von Deutschland
zu bezeichnen: "Nein, er muß Kaiser werden," und wies Freytags histo¬
rische Bedenken, die auf der lange herrschenden Verurteilung der deutschen
Kaiserpolitik des Mittelalters beruhten, mit sicherm Takte ab.") Gegenüber
Bismarck hat er dann am 20. August in Pont-ä-Moussou zum erstenmale vom





>) Gegenüber Busch am 10. Februar 1889, III, "(Es) fehlt bei ihm öden Tagebuche
des Kronprinzen! der erste Akt der Verhandlungen, wo ich den Kronprinzen von seiner wohl
aus Baden stammenden Ansicht abzubringen hatte, daß die Kaiseridee undeutsch, Deutschland
schädlich sei --. Er wollte deshalb nur einen König von Deutschland oder der Deutschen u. s. f."
Natürlich fehlt dieser "erste Akt," denn diesen Gedanken hatte der Kronprinz damals längst auf¬
gegeben.
") Suhel V, 403.
") Der Kronprinz und die deutsche Kniserkrone, 21 ff- Vergl. übrigens Treitschke
a. a. O. 405.
Kritische Studien zu Fürst Bismarck- Gedanken und Erinnerungen

Die Gefahr einer Eisbewegung ist beschworen. Wir werde» Muße haben, uns
mit den Menschen bekannt zu machen, die sich dieser Planke oder vielmehr
dieser Röhre aus Stahl anvertraut haben.




Kritische Studien
zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen
Otto Kaemmel von2. Versailles
(Schluß)

le Angabe der Gedanken und Erinnerungen über die Absichten
des Kronprinzen, einen starken Druck auf widerstrebende Bundes¬
fürsten auszuüben, wird also durchaus und von beiden Seiten
her bestätigt. Dagegen beruht die Behauptung, er habe noch
1870 nur von einem „König der Deutschen" oder „von Deutsch¬
land" wissen wollen, zweifellos auf einem Irrtum, obwohl Bismarck sie auch
sonst fast in derselben Weise wie in den Gedanken und Erinnerungen auf¬
gestellt hat.i) Schon zu Anfang 1867 hat der Kronprinz den König zur
Annahme des Kaisertitels zu bewegen gesucht, weil er ganz richtig empfand,
daß der Titel eines Bundespräsidenten für das Volk „kein ergreifendes Bild"
gebe; 2) der Besprechung mit G. Freytag in Petersbach am 11. August 1870
sagte er sofort auf dessen gründlich unhistorischen und unpraktischen Vorschlag,
den König von Preußen nur als Kriegsherrn oder Herzog von Deutschland
zu bezeichnen: „Nein, er muß Kaiser werden," und wies Freytags histo¬
rische Bedenken, die auf der lange herrschenden Verurteilung der deutschen
Kaiserpolitik des Mittelalters beruhten, mit sicherm Takte ab.») Gegenüber
Bismarck hat er dann am 20. August in Pont-ä-Moussou zum erstenmale vom





>) Gegenüber Busch am 10. Februar 1889, III, „(Es) fehlt bei ihm öden Tagebuche
des Kronprinzen! der erste Akt der Verhandlungen, wo ich den Kronprinzen von seiner wohl
aus Baden stammenden Ansicht abzubringen hatte, daß die Kaiseridee undeutsch, Deutschland
schädlich sei —. Er wollte deshalb nur einen König von Deutschland oder der Deutschen u. s. f."
Natürlich fehlt dieser „erste Akt," denn diesen Gedanken hatte der Kronprinz damals längst auf¬
gegeben.
") Suhel V, 403.
") Der Kronprinz und die deutsche Kniserkrone, 21 ff- Vergl. übrigens Treitschke
a. a. O. 405.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0351" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/231521"/>
          <fw type="header" place="top"> Kritische Studien zu Fürst Bismarck- Gedanken und Erinnerungen</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1125" prev="#ID_1124"> Die Gefahr einer Eisbewegung ist beschworen. Wir werde» Muße haben, uns<lb/>
mit den Menschen bekannt zu machen, die sich dieser Planke oder vielmehr<lb/>
dieser Röhre aus Stahl anvertraut haben.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Kritische Studien<lb/>
zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen<lb/><note type="byline"> Otto Kaemmel</note> von2. Versailles<lb/>
(Schluß)</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1126" next="#ID_1127"> le Angabe der Gedanken und Erinnerungen über die Absichten<lb/>
des Kronprinzen, einen starken Druck auf widerstrebende Bundes¬<lb/>
fürsten auszuüben, wird also durchaus und von beiden Seiten<lb/>
her bestätigt. Dagegen beruht die Behauptung, er habe noch<lb/>
1870 nur von einem &#x201E;König der Deutschen" oder &#x201E;von Deutsch¬<lb/>
land" wissen wollen, zweifellos auf einem Irrtum, obwohl Bismarck sie auch<lb/>
sonst fast in derselben Weise wie in den Gedanken und Erinnerungen auf¬<lb/>
gestellt hat.i) Schon zu Anfang 1867 hat der Kronprinz den König zur<lb/>
Annahme des Kaisertitels zu bewegen gesucht, weil er ganz richtig empfand,<lb/>
daß der Titel eines Bundespräsidenten für das Volk &#x201E;kein ergreifendes Bild"<lb/>
gebe; 2) der Besprechung mit G. Freytag in Petersbach am 11. August 1870<lb/>
sagte er sofort auf dessen gründlich unhistorischen und unpraktischen Vorschlag,<lb/>
den König von Preußen nur als Kriegsherrn oder Herzog von Deutschland<lb/>
zu bezeichnen: &#x201E;Nein, er muß Kaiser werden," und wies Freytags histo¬<lb/>
rische Bedenken, die auf der lange herrschenden Verurteilung der deutschen<lb/>
Kaiserpolitik des Mittelalters beruhten, mit sicherm Takte ab.») Gegenüber<lb/>
Bismarck hat er dann am 20. August in Pont-ä-Moussou zum erstenmale vom</p><lb/>
          <note xml:id="FID_132" place="foot"> &gt;) Gegenüber Busch am 10. Februar 1889, III, &#x201E;(Es) fehlt bei ihm öden Tagebuche<lb/>
des Kronprinzen! der erste Akt der Verhandlungen, wo ich den Kronprinzen von seiner wohl<lb/>
aus Baden stammenden Ansicht abzubringen hatte, daß die Kaiseridee undeutsch, Deutschland<lb/>
schädlich sei &#x2014;. Er wollte deshalb nur einen König von Deutschland oder der Deutschen u. s. f."<lb/>
Natürlich fehlt dieser &#x201E;erste Akt," denn diesen Gedanken hatte der Kronprinz damals längst auf¬<lb/>
gegeben.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_133" place="foot"> ") Suhel V, 403.</note><lb/>
          <note xml:id="FID_134" place="foot"> ") Der Kronprinz und die deutsche Kniserkrone, 21 ff- Vergl. übrigens Treitschke<lb/>
a. a. O. 405.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0351] Kritische Studien zu Fürst Bismarck- Gedanken und Erinnerungen Die Gefahr einer Eisbewegung ist beschworen. Wir werde» Muße haben, uns mit den Menschen bekannt zu machen, die sich dieser Planke oder vielmehr dieser Röhre aus Stahl anvertraut haben. Kritische Studien zu Fürst Bismarcks Gedanken und Erinnerungen Otto Kaemmel von2. Versailles (Schluß) le Angabe der Gedanken und Erinnerungen über die Absichten des Kronprinzen, einen starken Druck auf widerstrebende Bundes¬ fürsten auszuüben, wird also durchaus und von beiden Seiten her bestätigt. Dagegen beruht die Behauptung, er habe noch 1870 nur von einem „König der Deutschen" oder „von Deutsch¬ land" wissen wollen, zweifellos auf einem Irrtum, obwohl Bismarck sie auch sonst fast in derselben Weise wie in den Gedanken und Erinnerungen auf¬ gestellt hat.i) Schon zu Anfang 1867 hat der Kronprinz den König zur Annahme des Kaisertitels zu bewegen gesucht, weil er ganz richtig empfand, daß der Titel eines Bundespräsidenten für das Volk „kein ergreifendes Bild" gebe; 2) der Besprechung mit G. Freytag in Petersbach am 11. August 1870 sagte er sofort auf dessen gründlich unhistorischen und unpraktischen Vorschlag, den König von Preußen nur als Kriegsherrn oder Herzog von Deutschland zu bezeichnen: „Nein, er muß Kaiser werden," und wies Freytags histo¬ rische Bedenken, die auf der lange herrschenden Verurteilung der deutschen Kaiserpolitik des Mittelalters beruhten, mit sicherm Takte ab.») Gegenüber Bismarck hat er dann am 20. August in Pont-ä-Moussou zum erstenmale vom >) Gegenüber Busch am 10. Februar 1889, III, „(Es) fehlt bei ihm öden Tagebuche des Kronprinzen! der erste Akt der Verhandlungen, wo ich den Kronprinzen von seiner wohl aus Baden stammenden Ansicht abzubringen hatte, daß die Kaiseridee undeutsch, Deutschland schädlich sei —. Er wollte deshalb nur einen König von Deutschland oder der Deutschen u. s. f." Natürlich fehlt dieser „erste Akt," denn diesen Gedanken hatte der Kronprinz damals längst auf¬ gegeben. ") Suhel V, 403. ") Der Kronprinz und die deutsche Kniserkrone, 21 ff- Vergl. übrigens Treitschke a. a. O. 405.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/351
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/351>, abgerufen am 15.01.2025.