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Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr.

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Litteratur
Über Helden, Heldenverehrung und das Heldentum in der Geschichte. Sechs
Vorlesungen von Thomas Carole, Halle a, S., Otto Hendel, l3!>8. (Bibliothek der Ge-
samtlitteratnr des In- und Auslandes)

Wer unter dem Eindruck von Bismarcks Tode und von dem geschichts¬
wissenschaftlichen Streit der Gegenwart diese berühmten Reden wieder einmal liest,
wird am besten Überschwang und Wahrheit in ihnen scheiden können. Carlyle
unterschätzt die Geschichte, wenn er sie nur von großen Männern gemacht sein läßt.
Kein Bau besteht bloß aus Entsteinen. Er überschätzt sie aber auch, wenn er
ausschließlich auf Grund von ihr Helden zeichnet. Denn das Geschichtliche ist nicht
das Heldenhafte am Helden, sondern -- im weitesten Sinne -- sein völliges
inneres Erleben und äußeres Bewältiger der Situation; darin sind aber anch
tausend unberühmte Männer und Frauen Helden gewesen, die Größe der Situation
ist nicht so ausschlaggebend für das Hervorragende eines Heldentums wie die
Totalität ihrer Erfassung.

Von unsern billigen Universalbibliotheken ist die Hendelsche die persönlichste.
Sie muß mit einem kleinern Publikum rechnen als Neklam und Meyer. Dem
vorliegenden Bändchen wünschen wir ein recht großes.


Vorträge und Abhandlungen von F. X, von Wegele. Herausgegeben von N, Graf
Du Moulin Eckart. Leipzig, Duncker und Humblot

Wegele war ein gründlicher Gelehrter, aber kein fesselnder Schriftsteller. Die
meisten der hier gesammelten Beiträge können als Bausteine zu einer ostfrnnkischen
oder würzburgischen Geschichte angesehen werden, die der Verstorbne früher einmal
hatte schreiben wollen. Von allgemeiner"! Interesse sind die Mitteilungen über
Götz von Berlichingens Denkwürdigkeiten, über die Memoiren der Baronin von Ober-
kirch und über die gesammelten Werke Alexis von Toeqnevilles. Durch Männer
wie Gildemeister, Treitschk'e oder Sybel ist unser Geschlecht jedoch an einen andern
Ton in dergleichen Besprechungen gewöhnt worden.


Das Österreichische Jahrbuch 1893

von Julius Patzelt (zweiter
Jahrgang. Mit sieben Tabellen. Wien, Georg Szelinski) ist ein Unternehmen
nach Art von Wippermanns Geschichtskalender, von dem es sich dadurch unter¬
scheidet, daß es nicht rein objektiv referiert, sondern der politischen Tendenz des
Verfassers dienen soll. Diesem kann es mir zur Empfehlung gereichen, daß, wie
im Vorwort berichtet wird, der erste Band von der Presse aller Parteien getadelt
worden ist, indem das Buch "den liberalen Blättern zu reaktionär, den klerikalen
zu liberal, den nationalradikalen zu schwarzgelb, den slawischen zu deutschnativnal"
war, daß aber Privatpersonen in großer Zahl ihn zur Fortsetzung aufgefordert
habe". Am nächsten steht er dem deutschliberalen Standpunkte; er glaubt, daß die
Deutschen den Fortbestand Österreichs wünschen müßten, und entwickelt am Schluß,
von S. 17V um, ein Reformprogramm, dessen Kerngedanke ist, daß die Lösung der
Sprachenfrage eine gründliche Umgestaltung der ganzen Verwaltung zur Voraus¬
setzung habe.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
Litteratur
Über Helden, Heldenverehrung und das Heldentum in der Geschichte. Sechs
Vorlesungen von Thomas Carole, Halle a, S., Otto Hendel, l3!>8. (Bibliothek der Ge-
samtlitteratnr des In- und Auslandes)

Wer unter dem Eindruck von Bismarcks Tode und von dem geschichts¬
wissenschaftlichen Streit der Gegenwart diese berühmten Reden wieder einmal liest,
wird am besten Überschwang und Wahrheit in ihnen scheiden können. Carlyle
unterschätzt die Geschichte, wenn er sie nur von großen Männern gemacht sein läßt.
Kein Bau besteht bloß aus Entsteinen. Er überschätzt sie aber auch, wenn er
ausschließlich auf Grund von ihr Helden zeichnet. Denn das Geschichtliche ist nicht
das Heldenhafte am Helden, sondern — im weitesten Sinne — sein völliges
inneres Erleben und äußeres Bewältiger der Situation; darin sind aber anch
tausend unberühmte Männer und Frauen Helden gewesen, die Größe der Situation
ist nicht so ausschlaggebend für das Hervorragende eines Heldentums wie die
Totalität ihrer Erfassung.

Von unsern billigen Universalbibliotheken ist die Hendelsche die persönlichste.
Sie muß mit einem kleinern Publikum rechnen als Neklam und Meyer. Dem
vorliegenden Bändchen wünschen wir ein recht großes.


Vorträge und Abhandlungen von F. X, von Wegele. Herausgegeben von N, Graf
Du Moulin Eckart. Leipzig, Duncker und Humblot

Wegele war ein gründlicher Gelehrter, aber kein fesselnder Schriftsteller. Die
meisten der hier gesammelten Beiträge können als Bausteine zu einer ostfrnnkischen
oder würzburgischen Geschichte angesehen werden, die der Verstorbne früher einmal
hatte schreiben wollen. Von allgemeiner»! Interesse sind die Mitteilungen über
Götz von Berlichingens Denkwürdigkeiten, über die Memoiren der Baronin von Ober-
kirch und über die gesammelten Werke Alexis von Toeqnevilles. Durch Männer
wie Gildemeister, Treitschk'e oder Sybel ist unser Geschlecht jedoch an einen andern
Ton in dergleichen Besprechungen gewöhnt worden.


Das Österreichische Jahrbuch 1893

von Julius Patzelt (zweiter
Jahrgang. Mit sieben Tabellen. Wien, Georg Szelinski) ist ein Unternehmen
nach Art von Wippermanns Geschichtskalender, von dem es sich dadurch unter¬
scheidet, daß es nicht rein objektiv referiert, sondern der politischen Tendenz des
Verfassers dienen soll. Diesem kann es mir zur Empfehlung gereichen, daß, wie
im Vorwort berichtet wird, der erste Band von der Presse aller Parteien getadelt
worden ist, indem das Buch „den liberalen Blättern zu reaktionär, den klerikalen
zu liberal, den nationalradikalen zu schwarzgelb, den slawischen zu deutschnativnal"
war, daß aber Privatpersonen in großer Zahl ihn zur Fortsetzung aufgefordert
habe». Am nächsten steht er dem deutschliberalen Standpunkte; er glaubt, daß die
Deutschen den Fortbestand Österreichs wünschen müßten, und entwickelt am Schluß,
von S. 17V um, ein Reformprogramm, dessen Kerngedanke ist, daß die Lösung der
Sprachenfrage eine gründliche Umgestaltung der ganzen Verwaltung zur Voraus¬
setzung habe.




Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0296] Litteratur Über Helden, Heldenverehrung und das Heldentum in der Geschichte. Sechs Vorlesungen von Thomas Carole, Halle a, S., Otto Hendel, l3!>8. (Bibliothek der Ge- samtlitteratnr des In- und Auslandes) Wer unter dem Eindruck von Bismarcks Tode und von dem geschichts¬ wissenschaftlichen Streit der Gegenwart diese berühmten Reden wieder einmal liest, wird am besten Überschwang und Wahrheit in ihnen scheiden können. Carlyle unterschätzt die Geschichte, wenn er sie nur von großen Männern gemacht sein läßt. Kein Bau besteht bloß aus Entsteinen. Er überschätzt sie aber auch, wenn er ausschließlich auf Grund von ihr Helden zeichnet. Denn das Geschichtliche ist nicht das Heldenhafte am Helden, sondern — im weitesten Sinne — sein völliges inneres Erleben und äußeres Bewältiger der Situation; darin sind aber anch tausend unberühmte Männer und Frauen Helden gewesen, die Größe der Situation ist nicht so ausschlaggebend für das Hervorragende eines Heldentums wie die Totalität ihrer Erfassung. Von unsern billigen Universalbibliotheken ist die Hendelsche die persönlichste. Sie muß mit einem kleinern Publikum rechnen als Neklam und Meyer. Dem vorliegenden Bändchen wünschen wir ein recht großes. Vorträge und Abhandlungen von F. X, von Wegele. Herausgegeben von N, Graf Du Moulin Eckart. Leipzig, Duncker und Humblot Wegele war ein gründlicher Gelehrter, aber kein fesselnder Schriftsteller. Die meisten der hier gesammelten Beiträge können als Bausteine zu einer ostfrnnkischen oder würzburgischen Geschichte angesehen werden, die der Verstorbne früher einmal hatte schreiben wollen. Von allgemeiner»! Interesse sind die Mitteilungen über Götz von Berlichingens Denkwürdigkeiten, über die Memoiren der Baronin von Ober- kirch und über die gesammelten Werke Alexis von Toeqnevilles. Durch Männer wie Gildemeister, Treitschk'e oder Sybel ist unser Geschlecht jedoch an einen andern Ton in dergleichen Besprechungen gewöhnt worden. Das Österreichische Jahrbuch 1893 von Julius Patzelt (zweiter Jahrgang. Mit sieben Tabellen. Wien, Georg Szelinski) ist ein Unternehmen nach Art von Wippermanns Geschichtskalender, von dem es sich dadurch unter¬ scheidet, daß es nicht rein objektiv referiert, sondern der politischen Tendenz des Verfassers dienen soll. Diesem kann es mir zur Empfehlung gereichen, daß, wie im Vorwort berichtet wird, der erste Band von der Presse aller Parteien getadelt worden ist, indem das Buch „den liberalen Blättern zu reaktionär, den klerikalen zu liberal, den nationalradikalen zu schwarzgelb, den slawischen zu deutschnativnal" war, daß aber Privatpersonen in großer Zahl ihn zur Fortsetzung aufgefordert habe». Am nächsten steht er dem deutschliberalen Standpunkte; er glaubt, daß die Deutschen den Fortbestand Österreichs wünschen müßten, und entwickelt am Schluß, von S. 17V um, ein Reformprogramm, dessen Kerngedanke ist, daß die Lösung der Sprachenfrage eine gründliche Umgestaltung der ganzen Verwaltung zur Voraus¬ setzung habe. Herausgegeben von Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig. — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341869_231169/296>, abgerufen am 15.01.2025.