Die Grenzboten. Jg. 58, 1899, Zweites Vierteljahr.Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur ein sehr originelles Buch, recht eigentlich im Geiste der frühern "Kultur der Ich hätte darum noch einen Wunsch. Das Buch ist g'ut ausgestattet, Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur Eine Studie (Fortsetzung) 3 le jungdeutsche Litteraten- und die radikale Lyrikergruppe der Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur ein sehr originelles Buch, recht eigentlich im Geiste der frühern „Kultur der Ich hätte darum noch einen Wunsch. Das Buch ist g'ut ausgestattet, Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur Eine Studie (Fortsetzung) 3 le jungdeutsche Litteraten- und die radikale Lyrikergruppe der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0274" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/230706"/> <fw type="header" place="top"> Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_852" prev="#ID_851"> ein sehr originelles Buch, recht eigentlich im Geiste der frühern „Kultur der<lb/> Renaissance" und wie diese ungemein gehaltvoll. Es ist kein Buch zum Lesen,<lb/> sondern zum wiederholten Durcharbeiten; um es ganz zu würdigen, sollte man<lb/> es in Bezug auf den einzelnen Inhalt mit Burckhcirdts ältern Büchern ver¬<lb/> gleichen, dann ist der Gewinn doppelt groß. Die Sprache des Buchs ist in<lb/> ihrer Art meisterhaft. Wer da von lebendiger, anschaulicher Schilderung oder<lb/> von erschöpfender Charakterisierung sprechen wollte, hätte selbst ganz den Ton<lb/> verfehlt. Erschöpfend charakterisiert Burckhardt überhaupt nie, auch im Cicerone<lb/> nicht, er hat immer, schon durch die äußerlich einkleidenden Redewendungen,<lb/> die er liebt, etwas vom Stil des Fragmentistcu. Das anschauliche Schildern<lb/> aber, das im Cicerone noch vorkommt, hat hier durchaus dem Betrachten Platz<lb/> gemacht; der Stil ist sententiös und dabei von großer Knappheit. Es ist die<lb/> Sprache eines mit der Sache ungewöhnlich Vertrauten, und es sind Worte,<lb/> gewissermaßen vor dem Gegenstande selbst gesprochen. Wer den Ausdruck ver¬<lb/> steh» und ihn treffend, oft ganz überraschend treffend finden will, muß den<lb/> Gegenstand kennen.</p><lb/> <p xml:id="ID_853"> Ich hätte darum noch einen Wunsch. Das Buch ist g'ut ausgestattet,<lb/> aber dafür, daß es ein so hervorragendes Buch ist, doch sehr einfach, und es<lb/> ist ohne alle Abbildungen. Es sollte also, wenn diese Auflage hoffentlich<lb/> schnell verkauft sein wird, eine neue ans etwas besseren Papier gemacht werden<lb/> und mit sehr vielen guten Autotypien in kleinem Maßstabe, wie sie das mehr¬<lb/> fach erwähnte Werk von Wölfflin enthält. Dann würden Burckhardts „Bei¬<lb/> träge zur Kunstgeschichte in Italien" ein Buch für noch viel mehr Leser werden<lb/> und ein Schatz für immer sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur<lb/> Eine Studie<lb/> (Fortsetzung)<lb/> 3</head><lb/> <p xml:id="ID_854" next="#ID_855"> le jungdeutsche Litteraten- und die radikale Lyrikergruppe der<lb/> vierziger Jahre waren nicht nur ihren Zielen, sondern auch deu<lb/> Personen nach viel schärfer getrennt, als die freie und die ultra¬<lb/> montane Romantik; immerhin nahmen Gutzkow und Wienbarg,<lb/> seit dem Auftreten Herweghs und Dingelstedts, die Miene an, sich<lb/> niemals gegen die künstlerische Form als solche aufgelehnt und die Misch-<lb/> prodnkte der dreißiger Jahre immer nur als Übergänge betrachtet zu haben.<lb/> Die Lobredner der politischen Lyrik aber betonten gewaltig, daß der geistige</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0274]
Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur
ein sehr originelles Buch, recht eigentlich im Geiste der frühern „Kultur der
Renaissance" und wie diese ungemein gehaltvoll. Es ist kein Buch zum Lesen,
sondern zum wiederholten Durcharbeiten; um es ganz zu würdigen, sollte man
es in Bezug auf den einzelnen Inhalt mit Burckhcirdts ältern Büchern ver¬
gleichen, dann ist der Gewinn doppelt groß. Die Sprache des Buchs ist in
ihrer Art meisterhaft. Wer da von lebendiger, anschaulicher Schilderung oder
von erschöpfender Charakterisierung sprechen wollte, hätte selbst ganz den Ton
verfehlt. Erschöpfend charakterisiert Burckhardt überhaupt nie, auch im Cicerone
nicht, er hat immer, schon durch die äußerlich einkleidenden Redewendungen,
die er liebt, etwas vom Stil des Fragmentistcu. Das anschauliche Schildern
aber, das im Cicerone noch vorkommt, hat hier durchaus dem Betrachten Platz
gemacht; der Stil ist sententiös und dabei von großer Knappheit. Es ist die
Sprache eines mit der Sache ungewöhnlich Vertrauten, und es sind Worte,
gewissermaßen vor dem Gegenstande selbst gesprochen. Wer den Ausdruck ver¬
steh» und ihn treffend, oft ganz überraschend treffend finden will, muß den
Gegenstand kennen.
Ich hätte darum noch einen Wunsch. Das Buch ist g'ut ausgestattet,
aber dafür, daß es ein so hervorragendes Buch ist, doch sehr einfach, und es
ist ohne alle Abbildungen. Es sollte also, wenn diese Auflage hoffentlich
schnell verkauft sein wird, eine neue ans etwas besseren Papier gemacht werden
und mit sehr vielen guten Autotypien in kleinem Maßstabe, wie sie das mehr¬
fach erwähnte Werk von Wölfflin enthält. Dann würden Burckhardts „Bei¬
träge zur Kunstgeschichte in Italien" ein Buch für noch viel mehr Leser werden
und ein Schatz für immer sein.
Drei Revolutionen in der deutschen Litteratur
Eine Studie
(Fortsetzung)
3
le jungdeutsche Litteraten- und die radikale Lyrikergruppe der
vierziger Jahre waren nicht nur ihren Zielen, sondern auch deu
Personen nach viel schärfer getrennt, als die freie und die ultra¬
montane Romantik; immerhin nahmen Gutzkow und Wienbarg,
seit dem Auftreten Herweghs und Dingelstedts, die Miene an, sich
niemals gegen die künstlerische Form als solche aufgelehnt und die Misch-
prodnkte der dreißiger Jahre immer nur als Übergänge betrachtet zu haben.
Die Lobredner der politischen Lyrik aber betonten gewaltig, daß der geistige
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